Armins-Nach-richten

scharfsinnig - unsinnig - kurzweilig

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Kausalität

Ausnahmsweise kann Mauti Dobrindt einmal nichts dafür, auch wenn sein Ressort davon direkt betroffen ist. Außerdem würde es garantiert keinen Sinn machen, ihn direkt dazu zu befragen – er wäre sicher ebenso überfordert, wie ich selbst. Aus diesem Grund gehe ich der Angelegenheit zunächst einmal mit den reinen Fakten auf den Grund. Sollte irgendjemand der geneigten Leserschaft hier Lösungen parat haben, wären ich und die gesamte Menschheit ihm oder ihr äußerst dankbar. Ich kann mich ja schließlich nicht um alles kümmern! Da sich unter den Geneigten auch einige Vielfahrer befinden, kommen wir gemeinsam doch sicher dahinter, und wir könnten es ggf. noch rechtzeitig als Wahlkrampfthema etablieren. Es geht ja ohnehin um eine ganze Reihe von schwachsinnigen Themen, da kommt es auf ein weiteres bestimmt nicht an.

Kommen wir nun ohne weitere Umschweife direkt zum Casus Cnactus. Wer bisher meinen Gedanken folgen konnte, der wird folgerichtig erkannt haben: Es geht um ein Verkehrsthema. Korrekt! Es handelt sich allerdings um eine Unart, die nicht mit Punkten und lobenswerter Erwähnung in Flensburg zu tun hat. Auch findet es keine Berücksichtigung in irgendeinem STVO-Regelwerk, welches uns er-fahrene, allwissende Fahrschullehrer haben beibringen wollen. Selbst wenn sie durch das tägliche Rumfahren durch immer die gleichen Straßen und Gassen, mit den häufig verzweifelten Bemühungen das Einparken ohne Einparkhilfe, beizubringen, den Blick in den Rückspiegel nicht vernachlässigen, schon leicht schwindelig geworden sind. Aufmerksame Alphabeten haben schon einen Verdacht: Es geht kausal um den Straßenverkehr, speziell um den Rückspiegel. Allerdings nun auch wieder nicht um die Hardware als solche, sondern eher um den Blick in den besagten.

Lastkraftwagen verfügen, wie inzwischen die meisten Autos auch, generell über zwei Rückspiegel. Einen links an der Fahrerseite, und einen spiegelbildlichen auf der Beifahrerseite. Ersterer ist eigentlich überflüssig, denn mir ist es noch nicht vor die Kühlerhaube gekommen, dass ein Trucker jemals davon Gebrauch gemacht hätte, wenn er spontan, rücksichts-los und ohne Vorwahrung auf der Autobahn auf die linke Fahrspur wechselt. Allen sicher unter dem Paragraphen „Erzwungene Vorfahrt“ hinreichend bekannt. Nebenbei bemerkt spielt dabei ein Überholverbot für LKW über 7,5t eine untergeordnete Rolle. Ebenso wie die Tatsache, dass der Überholvorgang durch einen Überschuss an Geschwindigkeit von maximal 2-3 Km/h, bei einer Gesamtlänge des LKWs von, sagen wir, 17m, auf einer Strecke zwischen München und Hamburg absolut zu vernachlässigen ist.

Blenden wir die o.g. Parameter aus und konzentrieren uns auf den Nichtblick in den Rückspiegel. Der LKW rauscht auf der linken Fahrbahn seinem Ziel entgegen – dem unterlegenen Sattelzug triumphierend seine Rücklichter zu zeigen. Hinter ihm hat sich mittlerweile eine beachtliche Anzahl Autos aufgereiht Die ersten beginnen bereits seit mehreren Kilometern auf sich aufmerksam zu machen. Ohne Wirkung selbstverständlich. Nähert sich der Überholvorgang seinem voraussichtlichen Ende, dann kommt der spiegelbildliche rechte Außenspiegel ins Spiel! Hier erkennt der Fahrer nicht auf den ersten Blick, ob der Überholvorgang erfolgreich abgeschlossen wurde. Nun schlägt die Stunde des Unterlegenen. Der Fahrer des Sattelzuges unterbricht kurz den Konsum eines TV-Roadmovies und reagiert mit einem freundlichen Lichtzeichen. Erst dieses Signal nimmt der Fahrer des LKWs zum Anlass auf seine angestammte Fahrspur zurück zu wechseln. Als Dank für diesen lichttechnischen Rat setzt der Sieger des Elefantenrennens dieses Mal bewusst den linken Blinker, ohne dabei eine klare Abbiege-Absicht zu verfolgen, erneut ruckartig auf die linke Fahrbahnseite zu rochieren. Quasi als Dank für die nicht unterlassene Hilfeleistung. Beide setzen ihre Fahrt fort, und der Sattelzug verliert rasant den Windschatten. Schon nach wenigen Kilometern ist das Datum der TÜV-Plakette im Nummernschild fast nicht mehr fehlerfrei zu lesen.

Soweit, so gut. Nun möchte ich die Lücke in meinem Wissen final schließen. Wer kann mir sagen oder schreiben, seit wann es diesen Unfug gibt? Irgendjemand muss doch dieses alberne Linksblinken kreiert haben. Das ist doch nicht angeboren, in den Genen der Könige der Landstraße angelegt. Und warum machen es z.B. die Opelfahrer nicht, die gelegentlich ein fernfahrermäßiges Verhalten durchblitzen lassen? Oder die Chauffeure der Mercedes A- und B-Klasse? Und die Wohnwagengespanne mit gelben Nummernschildern? Fragen über Fragen!

P.S.: Zielführend könnte sicher auch eine kurzfristig einberufene Diskussionsrunde sein, an der ich gerne teilnehme, soweit es meine kostbare Zeit erlaubt. Dann würde es auch zur Wahl noch reichen.

 

 

 

 

Des Müllers Lust.

Man möge es nun glauben, oder auch nicht: Wir sind gewandert! Ja, ja, Aktiv-Urlaub, ohne, dass wir überhaupt noch Urlaub haben! Wir waren nur woanders. Wandern ist heute ja mega out, heute sind Outdoor-Activities angesagt. Zugegeben, unser Outfit entsprach bei Leibe nicht den Südtiroler Outdoor-Standards, dafür haben wir aber jede Art von automatisierten Personen-Beförderungsmitteln ignoriert. Beinhart erkundeten wir die ach so gelobten Routen der Touristenbroschüren entlang der Waalwege. Was, ihr kennt die Waalwege nicht?! Es handelt sich hierbei um Bewässerungssysteme, die überflüssiges Hochgebirgs-Quellwasser dahin leiten, wo es benötigt wird – in die mit EU-Subventionen gesponserten Obstplantagen. Also nicht nur mit überflüssigem Wasser versorgt, sondern auch mit überflüssigem Geldregen segnet.

Der Weitbereiste vergleicht die Waalwege mit den hinreichend bekannten Levadas auf Madeira. Wer jetzt allerdings denkt: Wasser, das geht da ja nur bergab, der sei hier und jetzt eines Besseren belehrt! Denn: Man muss diese Waale erst einmal erreichen. Und dazu geht es nun einmal bergab und auf dem Rückweg bergauf. Oder umgekehrt. Oder mit öffentlichen Personen-Beförderungsmitteln, die wir ja bekanntlich ignoriert haben.

Jede Wanderung beginnt mit dem ersten Schritt. Sogar die allererste. Es ging unerwartet steil bergab. Die einzelnen Etappenziele wurden optimal angezeigt, ein Verlaufen mit womöglich verzweifeltem Herumirren in fernen Ländern war auszuschließen. Als hinterhältig entpuppten sie sich im Nachhinein dennoch! Die Zeitangaben schienen durchaus korrekt zu sein, sie addierten sich allerdings zusehends. Zehn Minuten hier, fünfzehn da und am nächsten Meilenstein noch einmal zwanzig. Es ging immer noch steil bergab und Ungemach bahnte sich an: Der Rückweg verhieß absolut nichts Gutes. Und es sollte sich bewahrheiten.

Was wäre die Menschheit ohne sinnvollen Fortschritt? Ohne begeisternde Technologien, ohne JPS und UPS, ohne Internet und Fitness-Uhren? Fakten lügen nicht, jedenfalls noch nicht bei Outdoor-Aktivitäten. Ausnahmen jetzt kurz vor den Wahlen möglich. Und selbst da sind es unter Umständen nur alternative Fakten, bzw. freie Interpretationen. Immer am Puls der Zeit sind eben genannte Fitness-Uhren! Sie dokumentieren alles, was das Herz begehrt. Auch Dinge, die um das Herz nicht unbedingt dokumentiert werden möchten. Und, diese ursprünglich für eine korrekte Angabe entwickelten Zeitmessgeräte, sitzen dir erbarmungslos im Nacken. Auch, wenn du einfach nur mal Seele und Beine baumeln lässt. Täglich rasseln die Resultate des Tages auf der Uhr selbst, und via Mail aufs Tablett. Kein Entrinnen! „Hast du keine Lust auf einen Spaziergang?“ – diese Nachricht terrorisierte uns während des Mittagsschläfchens auf der Relaxliege am Pool. Und in der Wochenstatistik wurde es uns zu allem Überfluss auch noch mit dicken roten Lettern als „Am wenigsten aktiver Tag“ erneut unter die Nase gerieben. In Eintracht mit einem Emoji, der die Flappe ganz schön hängen ließ.

Herausragend jedoch die grünen Dokumentationen. 81.310 Schritte, bei einem Tagesdurchschnitt von 11.616 und einem Toptag mit 18.435 Schritten! Das entspricht einer Gesamtstrecke von sage und schreibe 54,4 KM, einem Tagesschnitt von 7,77KM und dem genialen Toptag mit 12,33 KM. Inclusive bergauf und bergab, wie die 346 Etagen beweisen, mit 49 im Schnitt und dem Toptag mit 108 Etagen. Insgesamt gab es für die Aktivitäten 10 (zehn!) knallbunte Abzeichen, die mich an das Seepferdchen, respektive an die Frei- und Fahrtenschwimmer-Abzeichen in unserer Jugend, erinnern. Diese durften an keiner Badehose fehlen. Ehrensache! Leider reicht mittlerweile der Platz an der atmungsaktiven Outdoor-Treckinghose mit abnehmbaren Beinen jeweils knapp über dem Knie bzw. knapp darunter, nicht für alle Abzeichen aus, da garantiert auch noch das ein oder andere hinzukommen wird. Für die allwöchentliche Zeremonie zur Kür des „Wanderers der Woche“ meldeten wir uns ab. Die Medaille in „Gold am Wanderstab“ konnten wir in Ermangelung eines solchen nicht angemessen würdevoll repräsentieren.

Unbarmherzig wurde uns leider auch die Statistik der Gläser und Flaschen Weine präsentiert, die uns als Sundowner bzw. Begleitung zum Dinner noch einmal in der Erinnerung unserer Tagesleistungen schwelgen ließen. An dieser Stelle möchte ich ein besonderes Lob an die Erbauer der Waale und Waalwege, sowie an die Winzer in Südtirol ausschreiben. Beide warteten mit außergewöhnlichen Genüssen auf!

Abschießend sei bemerkt, dass die unbestechliche Datenerfassung bei der Gewichtsänderung ein unerwartetes 0,0 KG dokumentiert. Trotz 11.882 Kalorien, die verbraucht wurden, was ja wohl für die Qualität der Küche spricht.

P.S.: In Sachen Datenausspionieren kann ich nur den Roman von Marc Elsberg „Zero“ empfehlen, den ich in den wohlverdienten Pausen am Pool auf den Relaxliegen gelesen habe, während die Fitness-Uhr zum Spazierengehen mahnte.

 

 

 

 

Wahl-Versprechen

Wie Pilze aus dem Waldboden, so sprießen auch die beschirmten Stände der Parteien in den Fußgängerzonen. Es stehen Wahlen an! Die Granden, die man sonst nur aus der Presse kennt, wie sie schaufeln, Hände schütteln und gegen alle Pläne aller anderen Parteien wettern, verteilen an Samstagen Luftballons, Blümchen, Kugelschreiber in den Logofarben der Parteien , bunte Zettelchen, und versuchen den aufrechten Bürgern unvorbereitet ein Gespräch aufzuzwingen. Die Adlaten drängen sich in die vorderste Frontlinie, um ihre Listenplätze zu rechtfertigen. Sie verteilen nicht nur kleine Geschenke, sondern auch verbale Versprechen an das Wahlvolk, um um ihre Gunst zu buhlen. Da sie generell dafür sind, dass sie grundsätzlich dagegen sind, können sie auch spielend von eigenen Plänen ablenken. Selbstverständlich ist ihre Wahrheit die einzig wahre Ware. Doch für wen und was soll man sich entscheiden? Nach welchen Kriterien? Rückwirkend, nachdem was sie bisher geleistet haben? Oder was sie sich geleistet haben? Nachdem was sie versprochen haben? Oder ob sie sich versprochen haben? Oder ob sie womöglich gehalten haben, was sie versprochen haben? Oder was sie uns für die Zukunft versprechen? Was weiß denn ich?

Wen ich garantiert nicht wählen würde, steht schon heute zu 100% fest! Die Dame aus Niedersachsen: Elke Twesten! Kaum ist ihr Listenplatz dem Rotstift bei den Grünen zum Opfer gefallen, rochiert sie zu den Schwarzen. Als Ablösesumme erhält sie dort einen Listenplatz. Ich kann nur an den klaren Menschenverstand der Niedersachsen appellieren, dass sie hier ein eindeutiges Votum abgeben! Diese Dame fühlte sich nicht ihrem Gewissen verpflichtet, sondern ausschließlich ihrem Gesäß. Verabscheuungswürdige, erbärmliche Niedertracht in Niedersachsen!

Werfen wir noch einmal einen Blick auf den abenteuerlichen Unsinn, der von vielen Kandidaten von sich gegeben wird. Dahinter steckt ein System! Ja, richtig gelesen: Ein System! In unserer liebgewonnenen Kultur prinzipiell dagegen zu sein, hat die Politik eine beneidenswerte Strategie entwickelt. Sie schlägt listig genau das Gegenteil von dem vor, was sie eigentlich erreichen will. Genial! Oder? Das erklärt auch den zum Teil hanebüchenen Blödsinn, den sie täglich absondern. Offensichtlich sind unsere Damen und Herren Mandatsträger doch nicht ganz so weltfremd, wie sie es uns vorleben. Gut, auch hier müssen wir natürlich mit Ausnahmen leben. Wir können uns aber auch nicht um alles kümmern!

P.S.: Nur Mauty Dobrindt ist mit dieser Taktik jämmerlich gescheitert! Die Maut ist zur allgemeinen Überraschung einfach so durchgerutscht. Oder wollte sie womöglich Mutti unbedingt? Sie war ja ursprünglich vehement dagegen!

 

Kunst und Genuss.

„Kunst und Genuss“ im Lahrer Stadtpark ist ein Event im Stadtpark von Lahr mit Kunst und Genuss. Der Sinn liegt darin begründet, dass es eine Kunst ist, den Genuss auch als solchen zu empfinden. Und wir waren erstmals dabei!

Es lagen keine wirklichen Alternativen für den Samstagabend vor. Die Fernsehanstalten vergeudeten unsere Gebühren mit dem üblichen Schwachsinn, wie, inzwischen täglichem Fußball, Wiederholungen von Krimis, mit denselben Toten und Mördern und irrtümlich Verdächtigen und Hauptkommissarinnen und Hauptkommissaren, und schrägen Hauptkommissar-Anwärtern, und stets freien Parkplätzen vor den Tatorten, und selbstverständlich den Ausgeburten einschläfernder Quizshows. Die Formate beeindrucken durch ihre niveaulose, kreatiefe Vielseitigkeit, wie: Hyperaktive Kinder gegen Helikoptereltern, Promille-Promis gegen nüchterne Beamte, Spätaussiedler gegen Frühaufsteher, Politiker gegen unbescholtene Bürger, Google gegen Konrad Duden, Veganer gegen Hamburger, Herrenknecht gegen Windräder, usw.. Moderiert werden alle Shows grundsätzlich durch seine Selbstherrlichkeit Johannes B-Punkt Kerner, und im Rahmenprogramm die unvermeidliche, atemlose Helene Fischer, der nuschelnde Gnom Peter Maffay, und all die anderen abgehalfterten, reanimierten Veteranen aus der Schlagergruft. Also dann doch lieber „Kunst und Genuss“!

Ich darf es vorwegnehmen: Uns ist das Kunststück nicht gelungen, den Genuss zu genießen. Aber der Reihe nach. Die Anfahrt verlief ohne große Hindernisse auch nicht vor und in den Kreisverkehren. Trotz frühzeitigem Aufbruch waren die Parkplätze bereits belegt. Ohne schlechtes Gewissen habe ich eine weitere Parkreihe eröffnet, auf die die örtlichen Verkehrsplaner noch nicht gekommen sind. Zugegeben, ein wenig Risiko war dabei. Aber eine knöllchenfreie Windschutzscheibe rehabilitierte meine Entscheidung nachträglich. Die Kassenhäuschen-Insassin wollte partout auf unsere Rentner-Ausweise keinen Nachlass gewähren, und auch einen Gruppentarif für zwei Teilnehmer wurde achselzuckend nicht akzeptiert. Das abendliche Lüftchen wehte lau, das Ambiente im Lahrer Stadtpark war berauschend, ein lauschiges Fest harrte unser.

Auf staubigen Pfaden, unter uralten Bäumen, vorbei an Weckgläsern mit Teelichtern von Ikea, die ursprünglich Glasuff beherbergen sollten, führte uns der Hunger auf den Eventplatz. Noch warteten hier und da Sitzgelegenheiten auf Zweisitzer und so beschlossen wir uns hemmungslos dem Genuss hinzugeben. Die Entscheidung fiel uns schwer, aus dem armhaltigen Angebot unseren Wunschgenuß zu ermitteln. Zwischen Spanferkel mit Bratkartoffeln und asiatischer Nudelpfanne mit Hähnchenbrust pendelten die Gelüste. Der Hunger siegte über den Geschmack und auch Plastikteller und Plastikbesteck ließen keinen spontanen Genuss aufkommen.

Voller Vorfreude steuerten wir auf den einzigen Weinstand zu, deren Winzer uns so fremd war, wie ägyptische Hieroglyphen auf Grabtafeln in Pharao-Pyramiden. Da sich das Gros der Kunst- und Genußsuchenden dem Mahl hingaben, war die Reihe schnell an mir. Umgehend führte das Kopfkino in meinem Kopf Regie, und spielte mir Szenen vor Augen, wie es wohl ablaufen würde, wenn mehr als zwei Trinkfeste gleichzeitig ihr Ansinnen äußern würden. Das Kopfkino war eine schamlose Untertreibung der Realität! Wer mit viel Glück, starken Nerven und einer ordentlichen Portion Stehvermögen ein Viertele ergattert hatte, dem sei zu raten gewesen sich umgehend erneut einzureihen, bevor ihm der Durst und nicht die Promille Fatamorganen vorgaukelte. Der Spuk erreichte in Bälde weitere, himmelschreiende Dimensionen. Die Gläser waren ausgegangen. Was allerdings nicht so schlimm war, denn es gab ohnehin keinen Wein und keine Cocktails mehr. Die Polizeibehörde der Ortenau löste augenblicklich ihre Kontrollen auf, da mit zu beschlagnahmten Führerscheinen an diesem Abend nicht zu rechnen war. Müßig zu erwähnen, dass der Wein, so noch vorhanden, sowohl untrinkbar als auch hoffnungslos überteuert war. Insofern hatte der Mangel auch sein Gutes! Zusammen mit dem Glaspfand zog es mir nahezu den finanziellen Boden unter den Füßen weg.

Gesäumt wurden die Plätzchen und Wege von Ausstellern von allerlei nutzlosem Zeugs, wie man es nur von Jahr- bzw. Wochenmärkten in Regionen mit überwiegend ländlicher Struktur antrifft. Glasperlen und geschliffene Steine, wie man sie in der Jungsteinzeit zum Tauschen verwendete, hübsche gedrechselte Holz-Rumstehchen, gebatikte, luftig leichte Tücher, Lakritze in Stangen- oder Schneckenform – die Kunst hat sich hauptsächlich in künstlichem Schnickschnack präsentiert. Ich muss gestehen, dass wir uns eher weniger intensiv mit den gutgemeinten Auslagen beschäftigt haben.

Ein Schwätzchen hier, ein Hallöchen da, viele durstige Seelen suchten alsbald ergiebigere Trinkstätten auf, die auf mehrere Gäste eingerichtet waren. Und so plätscherte der Abend dahin und wir sehnten uns nach einem gemütlichen Abend mit einem Gläschen Rotwein, einer langweiligen Quizshow und der einschläfernden Berieselung durch Johannes B-Punkt Kerner.

Ach ja, die Live-Musikdarbietungen im Lahrer Stadtpark waren echt um Klassen besser als Fischer, Maffay und Co.

 

Geistiger Entzug

Erst das Getier auf dem Dach, und jetzt auch noch das: Was tun, wenn morgens keine Tageszeitung im Briefkasten ist? Kann sich irgendjemand auch nur ansatzweise vorstellen, wie hilflos wir Rentner sind, wenn wir beim oder nach dem Frühstück mit leeren Händen dasitzen? Rumrentnern ohne Zeitung ist zwar möglich, aber sinnlos! Mit akuten, unerträglichen  Entzugserscheinungen! Wohin mit den Händen? Wie damals beim Rauchen aufhören! Der Zeigefinger tippt nervös auf dem Drücker des Kugelschreibers. Jederzeit startklar, um das Kreuzworträtsel zu lösen. Oder man schnäppert mit dem Clip des Kulis, was dem Partner allerdings gehörig auf die Nerven gehen kann. Das ganze Rentnerdasein ist ohne Sinn. Kein Kreuzworträtsel. Kein Sudoku. Keine Sportnachrichten. Keine Neuigkeiten aus den Königshäusern. Keine schaufelnden Politkasper aus der Region  für irgendeinen Neubau. Es ist Wahljahr und da schaufelt man doch besonders gern. Keine Gruppenfotos von Vereinsvorständen und Mitgliedern, die für viele Jahre treue Zugehörigkeit geehrt werden. Die Jahrgänge der Verblichenen rücken auch immer näher. Wenigstens davon bleibt man an diesem Morgen verschont! Keine Beilagen von Aldi, Dehner, Rewe und so. Wie soll man da einen vernünftigen Einkaufszettel zustande bringen? Sollen wir womöglich plan- und ziellos durch den Supermarkt irren? Apropos irren: Von dem Irren im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gibt es zur dieser Stunde auch noch nichts Neues. Er schläft wohl jetzt den Schlaf des Gerechten. Der andere gerechte Irre vom Bosporus hat wieder hunderte Beamte verhaftet. Ist das nun eine gute oder schlechte Nachricht? Wer verwaltet dieses Land denn jetzt eigentlich? Wenn die geistige Elite im Knast schmort. Wer lehrt den Schüler Recht und Freiheit? Und Anstand?

Wir sitzen weiter vor einem leeren Tisch, die Kaffeetassen sind auch leer. Gedankenverloren sinnen wir über das sinnlose Rentnerdasein nach, die bekloppten in der Welt und orakeln über den Ausgang des Dieselgipfels. Dabei steht der eigentlich doch fest. Alibiszenarien. Es ist Wahljahr! Es muss dringend eine Entscheidung her! Wir greifen zum Telefon. Halt erst noch die Rufnummer der Zeitung suchen. Hoffentlich liegt die Ausgabe von gestern nicht schon im Müll- Container. Es gibt ja bekanntlich nichts Älteres als die Zeitung von gestern. Aber bei der Rufnummer wollen wir heute mal eine Ausnahme gelten lassen! Oder?

Tüt Tüt Tüt Tüt. Besetzt. Fünf Minuten später: Tüt Tüt Tüt Tüt. Immer noch besetzt. Ca. fünf Mal weitere fünf Minuten später: Tüütüt Tüütüt Tüütüt: Eine freie Leitung. „Badische Zeitung, guten Morgen! Sie sprechen mit Frau Soundso.“ Ach, dass tut mir leid. Ich verbinde sie mit unserer Service-Abteilung.“

Tüütüt Tüütüt Tüütüt. Auf eine weitere freie Leitung waren wir so zügig gar nicht vorbereitet und stotterten Name und Anschrift in die Sprechmuschel. Wir sprechen übrigens mit Frau Soundso 2.0. „Der Austräger hat sich krank gemeldet. Sie sind leider nicht die Einzigen mit leeren Händen.“ Das große und kleine Weltgeschehen musste heute eben ohne uns auskommen! „Bis elf Uhr ist die Zeitung bei ihnen! Vielen Dank für ihr Verständnis!“

Kann sich jemand in die hoffnungslose Lage eines ungeduldigen Rentners versetzen, der auf seine Zeitung wartet? Wie ewig lange die Zeit dahin schleicht. Und was anstellen mit der trostlos langweiligen Zeit? Erst einmal die Küche aufräumen, Zähne putzen, die Blätter auf der 160er Rolle zählen*, usw.

Wir haben uns in der missligen Notlage entschlossen, völlig losgelöst von knackigen Sonderangeboten, uns heute mit einem besonderen Essen zu belohnen. Wir haben Kochbücher und gehortete Rezepte studiert, und ohne jede Fremdeinwirkung einen Einkaufszettel verfasst. Inzwischen klapperte ein Bote am Briefkasten. Die BZ war da! Die Einkaufspläne mussten warten. Ach du Schande: Der FCB hat schon wieder verloren. Es ist doch noch ein schöner Tag geworden.

*Nur für Konsumenten meines Artikels „Die zarteste Versuchung“ verständlich!

Großwildjagd

Bitte keine Heldenverehrung! Wenn überhaupt, dann ein wenig stille Bewunderung, anerkennende Blicke und gebührenden Respekt. Dann soll´s aber auch gut sein. Zuviel Eigenlob wird gerne auch als Überheblichkeit oder Eitelkeit interpretiert, und das ist bei Leibe nicht der Fall.

Nachdem das Gejammer der Winzer und Bauern nach dem Frühjahrsfrost verebbt ist, und die Ernten voraussichtlich, allen Unkenrufen zum Trotz, doch in der Qualität akzeptabel sein werden, verwöhnt uns der Sommer mit sommerlichen Temperaturen und den dazugehörigen Gewittern. Örtlich begrenzte Hagelschauer lässt die Agrarier aber bereits wieder in ihren Grundfesten erschüttern, und auch die Lieferzeiten von Daimler sind viel zu lang.

Gut, das hat nun wirklich gar nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun, musste allerdings einmal zu Papier gebracht werden! Und die lauen Sommernächte bilden den geschmeidigen Übergang zum Kern des Ereignisses. Es war eine solche laue Sommernacht. Das Morgengrauen kündigte sich bereits an, als mich fremdartige Geräusche jäh aus lieblichen Träumen rissen. Zunächst nur unklar. Wie aus einer größeren Entfernung. Sobald sich aber Gehör und Verstand auf einem Level bewegten, gestaltete sich die Wahrnehmung deutlich konkreter: Die fremdartigen Geräusche waren erschreckend hautnah. Offensichtlich in unmittelbarem Kontakt mit unserem Haus. Da mein absolutes Hörvermögen, welches einseitig ein wenig gelitten hat, und ein wager Ansatz von Tinnitus manch stille Weise zu übertönen wagt, erhob ich mein Haupt leicht, um mit beiden Ohren eine dreidimensionale Ortung der Quelle zu ermöglichen. Alsbald wurde diese Quelle lokalisiert – auf dem Dach unseres Hauses. Ohne jeden Zweifel war dort unter einer Herde Elefanten in eine Stampede ausgebrochen. Eine andere Interpretation ließ die frühe Morgenstunde nicht zu!

Mit dem eigentlich unnötigen Absatz möchte ich ein wenig mehr Dramaturgie in die Schilderung bringen. Ähnlich einer künstlerischen Pause bei einem ergreifenden Vortrag über die Wärmedämmung von 599mm X 199mm X 150mm Ytong-Steinen.

Es war der zunehmenden Wachheit geschuldet, dass der Verstand dem Gehör folgte, und an logischem Denken gewann. Eine Elefanten-Stampede auf dem Dach unseres Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung war schlichtweg nur schwer vorstellbar, und weder mündlich noch schriftlich zu vermitteln. Augenblicklich schossen mir die täglichen Polizeiberichte durch den Kopf, dass osteuropäische Diebesbanden ihr Unwesen gerne in grenznahen Regionen ausüben. Aber auf dem Dach? Die Ratio gewann auch hier die Oberhand. Blieb eine weitere Variante: Santa Claus versucht durch den Kamin Geschenke unter dem Strauß Sonnenblumen zu platzieren. Da es bis zum Fest des Kaufrausches jedoch noch etliche Monate hin ist, schied auch diese Vermutung vernünftiger Weise aus. Schließlich entpuppte sich die Stampede der Elefanten als ein blutrünstiger, unter Naturschutz stehender, Marder. Normalerweise finden seine Streifzüge in den Motorräumen der Fahrzeuge von Laternenparkern statt. Allerlei elektrisches Kabelgedöns und Isolierungen sollen sehr schmackhaft sein, auch wenn sie weder ein Biosiegel aufweisen, noch aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt sind. Sei`s drum.

Offensichtlich liebestoll gebärdete sich der nächtliche Störenfried von Dachrinne zum First und zurück. Die Holzdecke erwies sich dabei eindrucksvoll als hervorragender Resonanzboden! Das Spielchen wollte nicht anfangen aufzuhören, und so fasste ich den mannhaften Entschluss dem Treiben ein Ende zu setzen. Todesmutig, bewaffnet mit einem Indoor-Besen, schlich ich mich elfenhaft in den ersten Stock, um direkt vor Ort den genauen Laufweg des Aufdringlings auszukundschaften. Seine Laufwege waren eindeutig abgestimmter als die der deutschen Frauen-Nationalmannschaft bei der Fußball-EM. Im Gegensatz zu ihnen beabsichtigte der Marder die erste KO-Runde zu überstehen, und meine ersten zaghaften Klopfgeräusche zu ignorieren. Ich entschied mich für eine härtere Gangart! Mittlerweile wusste ich fehlerlos die Routen auf dem Dach zu lokalisieren, und traktierte das Monster mit gezielten kräftigen Schlägen gegen die Holzdecke. Der Resonanzboden erwies sich ab sofort als mein engster Verbündeter. Nach wenigen Minuten ertrug offensichtlich das Getier die akustische Folter nicht länger und stürmte unter bestialischem Fauchen über die Dachrinne zurück in die Wildnis. Der Sieg war meiner!

Neben dem Morgengrauen leuchtete inzwischen in allen umliegenden Nachbarhäusern in allen Räumen die hellst mögliche Licht-Stufe, die man mit dem Dimmer regulieren konnte. Schemenhaft huschten leichtbekleidete Gestalten von Zimmer zu Zimmer, um schlaftrunken und verzweifelt nach dem nächtlichen Radau zu fahnden. Ergebnislos, denn ich hatte mich bereits wieder in die ehelichen Gemächer zurückgezogen.

Am Frühstückstisch schmückte ich dann die Schreckensnacht ein wenig blumig aus, um mich in den bewundernden Blicken der Gattin zu sonnen. Der Tag konnte nicht besser beginnen. Ein Held war über Nacht geboren. Immerhin wurde aus dem Elefanten keine Mücke, sondern wenigstens ein Marder. Ist doch auch was. Oder?

 

Titschen

Wer kennt noch dieses Spiel aus Jugendtagen? Titschen, die halbwegs legale Möglichkeit sein Taschengeld aufzumöbeln oder den traurigen Rest gänzlich zu verzocken! Eine Kombination aus Fingerfertigkeit und gutem Auge. Halbwegs legal deshalb, weil Titschen mit Geld und um Geld gespielt wurde. Und, weil die Gewinne an den Finanzbehörden vorbei direkt in der nächsten Eis- bzw. Pommes-Bude investiert wurden. Verluste konnten bei der Taschengeld-Auskommenssteuer leider nicht geltend gemacht werden.

Die Regeln waren denkbar einfach. Zum Spiel selbst benötigte man außer Barem in Form von Münzen (Zehnpfennig-Stücke) ein Spielfeld. Die Größe spielte eine untergeordnete Rolle, Hauptsache es wies eine gerade Kante auf. Als Untergrund empfahlen sich besonders Fliesenböden aller Art. Am besten repräsentative Hausflure oder öffentliche Flure und Räume in Schulen oder Hallen oder Hallenbädern. Selbstverständlich konnte das Spiel auch im Freien durchgeführt werden. Über die Nachteile werde ich später noch ein paar Worte verlieren.

Man stelle sich vor: Ein x-beliebiges Treppenhaus, gekachelt. Die erste Stufe war die ultimativ geeignete Anschlaglinie. Ein exakter Abstand wurde einvernehmlich definiert. In der Regel eine von der Anschlaglinie drei bis vier Schritte entfernte Kachelfuge. Mindestens zwei Teilnehmer waren erforderlich. Nach oben bot der übliche Freundeskreis automatisch das Limit. Die erste Reihenfolge der Spieler wurde ausgelost. Die folgenden Spielrunden fanden in umgekehrter Reihenfolge statt. Der Sieger der Vorrunde hatte das letzte Startrecht. Man positionierte sich an der vereinbarten Fuge und schnippte den Zehner in Richtung Treppenstufe. Der Naheliegendste hatte gewonnen. Den ersten Teil des Titschens! Jetzt war die Geschicklichkeit gefragt! Der Zwischensieger sammelte alle Münzen ein, und musste sie zu einem Türmchen stapeln. Diesen lancierte er auf die Fläche des Ellenbogens auf der Unterseite des Unterarms. Dieser war waagerecht nach oben, etwa auf Schulterhöhe, angewinkelt. Die geöffnete Handfläche zeigte ebenfalls nach oben. Nun galt es seine Geschicklichkeit zu beweisen! Man musste den Ellenbogen rasant nach unten reißen. Für den Bruchteil einer Sekunde schwebte der Münzstapel schwerelos im Raum. Es galt jetzt, mit der zuvor in Stellung gebrachten offenen Handfläche, soviel Münzen wie möglich aus der Schwebe zu schnappen. Bevor der Rest – oder im ungeschicktesten Fall alle – scheppernd im Treppenhaus herumkullerten, da die Schwebephase lediglich von kurzer Dauer war. Jetzt hielt man seinen Gewinn zwar in der Hand, durfte ihn allerdings immer noch nicht für sich auf der Habenseite verbuchen. Eine zweite Geschicklichkeitsprüfung stand noch zwischen totalem Ruin und einer Lore Pommes rot/weiß. Erneut fand ein Stapel der verbliebenen Münzen einen stabilen Standort. Diesmal auf den flach ausgestreckten Rücken der Finger. Die optimale Position war unmittelbar mittig auf dem Fingernagel des Effenbergschen Stinkefingers. Es gab nun differierende Techniken, die sich die Teilnehmer in Monaten antrainiert hatten, und für sich als besonders gewinnbringend herauskristallisiert hatten. Sie waren allerdings durch keinerlei Statistiken bestätigt, bzw. durch Videoanalysen, die im Zeitraffer oder in Zeitlupe erkenntnisreich ausgewertet werden konnten. So konnte man zum Beispiel die vorderen zwei Glieder der Finger einfach abklappen, um mit Überschallgeschwindigkeit nach dem Stapel zu schnappen, der der Schwerkraft gehorchend auf dem Fliesenboden mit ohrenbetäubendem Geschepper aufzuschlagen trachtete. Oder ihn geschmeidig einige Millimeter in die Höhe zu schleudern und die Hand blitzartig mit der Handfläche nach oben wendend, um, wie dereinst bei Sterntaler, den Geldregen aufzufangen. Ohne Zuhilfenahme des Hemdchens natürlich! Auch eine rasante Wende in horizontaler Richtung wurde akzeptiert. Dies war allerdings die gefühlt erfolgloseste Variante. Der Gewinner nebst Gewinn war final ermittelt!

Mit den restlichen Münzen durfte sich der Zweitplatzierte auseinandersetzen, gegebenenfalls der Dritte usw., usf.. Der aufmerksame Leser wird nun erkennen, dass ein Spiel im Freien den herumwirbelnden Münzen ein freies Flugfeld in die Landschaft bot. So konnte es zu höchst überflüssiger Zeitverschwendung durch breit angelegte Suchaktionen kommen.

Waren die Abstände des Spielgerätes zur Zielstufe mehrerer Teamkollegen mit dem geschulten, bloßen Auge nicht stressfrei festzulegen, entschied ein Stechen die Reihenfolge der Aspiranten.

Titschen konnte solange gespielt werden, bis die Mehrzahl der Aktiven pleite war, oder sich die Mieter über den Radau im Treppenhaus massiv beschwerten, oder die Horde der Heranwachsenden zum Abendessen gerufen wurden. Per Sozialmedia war es damals noch nicht möglich. Der Mutter Stimme rief nur einmal, aber bestimmt. In der Regel blieb dann wenig Zeit seine Gewinne zu verifizieren – abends, heimlich bei Taschenlampenlicht, unter der Bettdecke. Die Pommes rot/weiß oder der Eisbecher mussten warten. Was blieb war die Vorfreude!

Heute sieht man keine Kids mehr titschen. Sei es aus Mangel an Zehnpfennig Münzen, aus Zeitmangel durch Lesen höchst überflüssiger digitaler Mitteilungen, oder durch Überfluss an Taschengeld, oder durch zielloses Herumirren in virtuell kryptischen Tunneln. Oder so.

 

 

 

In Westen nichts Neues!

Wer jetzt den Zeigefinger hebt, und berechtigt verbessert: Es heißt „Im Westen nichts Neues“, der hat Recht. Und auch wieder nicht! Denn wenn ich schon einmal so eine Formulierung verwende, steckt sicher ein Hintergedanken dahinter. So ist es!

Also, noch einmal von vorn: „In Westen nichts Neues!“ Gemeint ist bei Leibe nicht der geographische Westen, sondern schlicht und anziehend die Weste als Ober-bekleidung. Anzüglich sind logisch auch die folgenden Beobachtungen. Zunächst die Frage: Wo liegt die Altersgrenze für Westenträger? Spontan würde ich vermuten, unmittelbar beim Eintritt in die Rente. Die Vermutung, dass mit dem Erhalt des Rentner-Ausweises automatisch eine Weste ausgegeben wird hat sich zerschlagen. Wer könnte das besser beurteilen als ich? Noch größer war allerdings meine Verwunderung, dass die einschlägigen Oberbekleidungshäuser keine Angebote verschickt haben: Zwei Westen kaufen – nur eine zahlen. Hier befinden sich die Marketingstrategen noch in einer Art Tiefschlaf, denn schließlich gehören die Best Ager zu einer ausgemacht finanzstarken Zielgruppe. Jedenfalls für Westen.

Die Modedesigner hingegen haben es unglaublich einfach. Bei den Rennern dominieren die beigen, respektive khakifarbenen Modelle! Gefolgt von den Tönen schwarz und mit einem beruhigenden Abstand halbschwarz. Die Farbe Khaki harmoniert nahezu mit den Kargo-Westen, die ausschließlich bei den o.g. Käuferschichten ihre Berechtigung haben. Ursprünglich waren die diversen aufgenähten Täschchen für das sichere und griffbereite Aufbewahren von Kompass, Munition für Großwild, sowie Schweizer Taschenmesser konzipiert. Heutzutage dienen sie zur Aufbewahrung von Asthma-Spray, Herztropfen und Messgeräten für den Blutzucker. Auch ein Smartphone mit überdimensionalen Tasten finden ein bequemes Täschchen – man kann jedoch vor der Platzierung in der Nähe der Herzschrittmacher nur ausdrücklich warnen!

Neben den schlichten Farben drängt sich bei den Materialien die Baumwolle geradezu auf. Optik und Haptik in schier atemberaubender Harmonie. Für die Übergangszeit empfiehlt sich Leder oder Wildleder oder gar Loden, mit bzw. ohne Inlett aus kuscheligem, wärmendem Fell. Wer ein paar Euro mehr investieren will, wählt die Variante mit Inlett zum Ein- / Ausknöpfen oder mit Reißverschluss. Sowohl Innen wie Außen ist durchaus auch eine Leder- bzw. Fellimitation tragbar. Es versteht sich von selbst, dass die Westen generell ohne Kragen zu tragen sind, maximal ein kleiner Stehkragen ist akzeptabel.

Keine Weste ohne Ausnahme. Deshalb vollziehen wir jetzt eine doppelte 180° Merkelwende und wenden uns dem absoluten, alters- und alternativlosen Mode-Accessoire zu. Und weil es gerade so schön in die Semantik passt, den Wendewesten, beidseitig tragbar. Kein beige oder khaki – knallbunt, wenn es denn sein muss auch in schwarz. Kein Leder, keine Baumwolle, kein Loden – nein, ausschließlich atmungsaktive Hightech-Materialien! Unverzichtbar, die nicht zu übersehenden Logos der Hersteller, die aus einer ganz normalen Weste eine Haute Couture Weste schneidern. Sie prangen an prominenter Stelle, direkt über dem Herzschrittmacher. Was bei den Kargo-Westen die vielen Täschchen sind, sind bei den Westen die Steppvarianten und Reißverschlüsse. Waagerecht, diagonal oder rautenförmig lockern sie die eigentlich schlichte Struktur der Oberfläche auf. Personen mit unvorteilhaften Proportionen sollten darauf achten, dass sie nicht zu einem Zwillingsbruder des Michelin-Männchens mutieren. Ok, der Preis ist nicht allein vom Logo des Herstellers abhängig. Das Futter spielt eine wichtige Rolle. Daunen sind selbstverständlich kostspieliger als Plastikfüllungen. Da man diese allerdings nicht für jeden ersichtlich zur Schau stellen kann…. Aber gut.

Ganz ehrlich: Entgegen dem Titel ergibt sich in Westen doch einiges Neues! Hätte ich gar nicht gedacht.

Auslöser der Gedanken waren gestern, Mitte Juli 2017, bei 30°C, zwei Klassiker, die vor mir auf der Tennisanlage saßen. Einmal Khaki / Kargo, einmal Leder / schwarz.

Die zarteste Versuchung

Zugegeben, es ist jetzt nicht gerade das Brüller-Thema am Frühstückstisch. Hier behalten doch die Ereignisse der Weltpolitik die Oberhand. Und sollten noch keine Arbeiten das Rentnerdasein voll in Anspruch nehmen, steht natürlich die Gestaltung des Tages im Vordergrund. Dennoch beschäftigt mich täglich aufs Neue eine Frage, deren Antwort ausschliesslich auf dem sogenannten stillen Örtchen zu finden ist. Nebenbei: Warum das stille Örtchen „stilles Örtchen“ genannt wird, ist mir manchmal recht unklar. Wie auch immer.

Als ausgesprochen bequemer Vorteil erweist sich die Planung unseres Hauses mit vier solcher stillen Örtchen. So ist es jedem Familienmitglied vergönnt seine Geschäfte in Ruhe abzuwickeln. Nebenbei Teil 2: „…in Ruhe…“ Eventuell deshalb stilles Örtchen? Wie auch immer.

Nun, die Frage ist nicht: Warum vier stille Örtchen bei lediglich drei Familien -mitgliedern? Das wäre zu simpel. Die Frage ist sogar wesentlich profaner. Gewinnt allerdings an Bedeutung, da ich sie mir nahezu täglich stelle. Es ist der Isolation auf dem stillen Örtchen geschuldet, dass ich nie ernsthaft nach der Lösung geforscht habe. Warum auch immer.

Jetzt, so denke ich, ist ausreichend Spannung aufgebaut, um die berühmte Katze aus dem Sack zu lassen. In großen Lettern lacht mich die folgende Zahlenkombination seit Jahren an: 4 / 10 / 160. Im Klartext: 4-lagig, 10-rollig, 160-blättrig. Die 4-Lagigkeit konnte ich problemlos überprüfen, und kann es als absolut korrekt bezeichnen. Die 10-Rolligkeit ist bereits beim Kauf offensichtlich. Bleibt die Frage nach der 160-Blättrigkeit. Und hier quälen mich täglich die Zweifel nach der Richtigkeit. Ohne ins Detail zu gehen, ich verwende konsequent generell jeweils zwei Blatt. Ergo müssten 80 Verwendungen möglich sein. Das habe ich bisher nicht in Frage gestellt. Aber: Warum bleibt dann bei jeder Rolle immer ein einzelnes Blatt übrig? Ist es eins zu viel? Oder eins zu wenig? Oder gar bei einer Rolle mehr, und bei der nächsten weniger? Und würde ich in der Haushaltswaren-Abteilung des Verbrauchermarktes den Griff zum Angebot mit dem Aufdruck 161-blättrig oder 159-blättrig greifen? Wenn ich mir doch genau um die Differenz eines einzelnen Blattes bewusst bin! Wie auch immer.

Da sich die Recherchen über Tage hinziehen würden, und sich repräsentativ über mehrere Rollen erstrecken müsste, sowie zahllose Daten statistisch erfasst werden müssten, erscheint mir der Aufwand doch ein wenig überbewertet. Also verschiebe ich die weiteren Überlegungen auf die nächste Sitzung. Morgen nach dem Frühstück. Warum auch immer.

Gedacht an einem regnerischen Mittwoch, mitten im Juli 2017.

Die Geometrie des Wurstbrotes

Warnung: Vor dem geistigen Verzehr dieses Artikels wird eindringlich gewarnt. Gefährdet sind besonders folgende Personengruppen: Der gemeine Esser und Mitesser, sowie Vegetarier, Veganer und Streichwurstlegastheniker. Aus- und Nebenwirkungen sind akute Schädigungen des vegetativen Nervensystems bis hin zur selbstzerstörerischen Zerfleischung.

Während o.g. Verweigerern des traditionellen Wurstbrotes jede Sensibilität für die urbane Schnitten-Essthetik abhandengekommen ist, werden die praktizierenden, bekennenden Wurstbrot-Geometriker jede Zeile dieses Berichtes gierig verzehren. Grundsätzlich sei bemerkt, dass die Nahrungsaufnahme nicht ausschließlich dazu dient, den banalen Hunger zu stillen, respektive schlechthin zu Überleben. Wurstbrot-Geometriker genießen mit allen Sinnen – das Auge isst bekanntlich mit!

Das unbestrichene Wurstbrot ist im Urzustand bar jeder essbaren Geometrie. Erst durch die Zuwendung des Geometrikers reift es zunächst in der Fantasie zu einem Meisterwerk der Essthetik. Kein gestaltetes Wurstbrot ohne einen gesunden Belegungsplan. Bereits beim Ansatz des Brotmessers an den Laib gilt es die finale Form vor Augen zu haben. Da grobschlächtige Metzger generell die Scheiben ohne Rücksicht auf den späteren Genuss elektromechanisch herunterschneiden, bleibt es der Kreativität des Lebensmittel-Gestalters überlassen, Form und Funktion in einen harmonischen Einklang zu bringen. Nichts ist unappetitlicher, wenn unförmige Wurstscheiben das Brot an schief geschnittenen Rändern überlappen, oder zum Rand der Schnitte unbelegte Butterfelder sichtbar bleiben.

Die unnatürlichen Formen der Wurst und des Brotes werden leider allzu häufig zu Gunsten von höheren Margen technisch optimierten Herstellungsprozessen geopfert. Dabei stimmen sich die Handwerker – selbst in unmittelbarer regionaler Nähe – selten untereinander ab. So kommt es immer wieder zu Kollisionen zwischen rund und eckig. Die Wahl des Handwerkers seines Vertrauens ist hier von vorentscheidender Bedeutung!

In den südlichen Regionen Europas sind die Hersteller der Grundnahrungsmittel bereits seit Generation schlauer. Denken wir an die Italiener, deren guter Geschmack sich nicht nur bei den Lebensmitteln dokumentiert, sondern auch bei Schuhen, Handtäschchen, Kleidung allgemein und: Natürlich den Autos! Wer sich die Pane und Salamis genauer betrachtet wird zwangsläufig in Verzückung geraten, da die Formen, bestens aufeinander abgestimmt, bereits im Regal und in der Theke eine optimale Belegung erahnen lassen. Kleinere Salamischeiben können mit leichten aber schicken Überlappungen im Kreis auf eine formal größere Panescheibe drapiert werden. Hier treibt die Vorfreude schon lange vor dem Zubiss die Geschmacksfäden in die Mundhöhle. Dabei spielen die Verfeinerungen der Wurst keine ausschlag-gebende Rolle. Fenchel, Knoblauch oder Pfeffer runden den Genuss wohltuend ab. Man darf sich nicht dem Trugschluss hingeben, dass Streichwürste einfacher zu servieren sind. Die Gleichmäßigkeit der Auftragsstärke, ohne sonderliche Wellenstrukturen, sowie komplette Bedeckung bis in die letzten Ecken erfordern Konzentration und Hingabe. Bei raschen, oberflächlichen Streichungen kann es zu fettigen Seitenrändern kommen. Wie häufig ist dem Hungrigen dabei schon das ersehnte Wurstbrot entglitten, und der Physik folgend auf dem sogenannten Gesicht zum Liegen gekommen. Man möge uns davor bewahren!

Zum guten Schluss noch ein paar hilfreiche Anmerkungen. Das oben aufgeführte Prozedere ist im Grunde auch für Käse zu adaptieren – auch wenn hier der Begriff „Wurstbrot“ fehl am Platze ist. In diesem Fall verweise ich speziell auf die Sorte Velveta Käseecken „Vollfett mit Salami“, die sich bereits seit Generationen als besonders appetitlich und streichfähig bewährt hat. Die Geschmacksvariante mit Salami erlaubt hier sicher eine akzeptable Ausnahme.

Verfasst zum Ende des Ramadan in Juni 2017

 

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