scharfsinnig - unsinnig - kurzweilig

Monat: Oktober 2017

Feiertage für alle!

Man kommt ja gar nicht mehr nach, mit dem Nach-richten! Die Absurditäten erreichen Höchstwerte auf der nach oben offenen Richtens-Skala. Ein begnadeter Noch-Regierungs-Bankdrücker, Thomas de Misere, hatte eine Erleuchtung, und erklärte, man könne doch einen muslemischen Feiertag einführen. Als bekennender Atheist fordere ich jetzt – gleiches Recht für alle – auch einen Feiertag! Im Grundgesetz ist mir nämlich die Religions- respektive Glaubensfreiheit garantiert.

Gestreng nach dem Wortlaut bedeutet Religions- respektive Glaubensfreiheit doch: Frei von Religionen respektive Glauben. Gut, dass Glauben logischerweise Wissen ausschließt, das habe ich schon an anderer Stelle ausführlich behandelt. Und Freiheit von Religionen respektive Glauben ist demzufolge = Atheismus. Und somit fordere ich Gleichberechtigung in Form eines Feiertages zur Befreiung von der Tyrannei von Religionen! So!

Man führe sich einmal vor Augen, was der Menschheit im Laufe der Jahrtausende alles erspart geblieben wäre, wenn es keine Religionen gäbe. Kriege, Unterdrückung, Leid und Elend hätten weniger Nährboden. Ein einziger Blick in die Nachrichten beweist, dass sich diese These bis heute bewahrheitet. Leider! Und man stelle sich vor, welch paradiesisches Leben die unzähligen Jungfrauen führen könnten, wenn sie sich nicht um die zu Hack zerbombten Märtyrer kümmern müssten.

Hungersnöte in der Welt, besonders in der Dritten Welt, wären unbekannt, wenn die Religionsvereine an Stelle „Brot für die Welt“ lieber Lümmeltüten und andere Verhütungsmittel sammeln würden. Dann wäre Brotsammeln überflüssig!

Und man richte, bzw. rechne einmal nach, wieviel wir den Bedürftigen zur Verfügung stellen könnten, wenn die Religionsvereine nicht ihre enormen Einnahmen über Briefkastenfirmen in Steueroasen schleusen würden. Dann gäbe es keine Schleuser, die die ärmsten der Armen und Kriegsopfer sogar im doppelten Sinne, sehenden Auges in den Tod schleusen. Ohne jede Aussicht auf nur eine einzige Jungfrau. Und die Religionsvereine werden zum Dank dafür noch mit hunderten von Millionen vom Staat belohnt. Also von unseren Steuergeldern, die wir brav zahlen.

Apropos Jungfrauen und Jungmänner: Wie vielen Kindern und Jugendlichen beiderlei Geschlechtes wäre seelisches und körperliches Leid erspart geblieben? Was hier noch unter dem Deckmäntelchen (welch unglaublich treffender Begriff!) im Verborgenen schlummert möchte ich lieber nicht wissen. Oder gerade doch. Ich plädiere: Hoch die Kutten!

Und diese ganzen Missetaten sollen wir auch noch gebührend feiern? Nimmt man einmal eine Religion heraus, die unser Leben seit Generationen ausbeutet, die Christen, dann offenbaren sich nun wirklich genug verurteilenswerte Übeltäter statt Wohltäter.

Eine weitere Forderung von mir wäre: Andechser statt Andacht. Freibier für alle. Besonders für Atheisten. Sie sind doch sicher keine Minderheit mehr und fordern Gleichberechtigung. Quotenatheisten in der CDU / CSU. Das wär’s doch! Gerade schießt mir durch den Kopf, es gibt doch auch Satanisten. Wie ich ausgerechnet jetzt, bei dem Thema CSU darauf komme kann ich nicht nachvollziehbar erklären. Es gibt eben Dinge zwischen Himmel und Erde, die sollten wir so hinnehmen, wie sie sind. Punkt, Komma, Amen.

P.S.: Der Liebe Gott, oder Allah, oder Buddha, oder wer auch immer möge mir verzeihen. Aber es wird so viel Schindluder in seinem Namen getrieben, dass es auf keine Kuhhaut mehr passt. Sei sie auch noch so heilig.

Rund um den Kaiserstuhl.

Dreihundertundvierundsechzig Meter hoch ist der aus roten Ziegeln gemauerte Schornstein eines Kohlekraftwerkes in Slowenien! Warum sage ich euch das? Ganz einfach, ich musste mir es auch anhören. Geteiltes Leid ist nun mal halbes Leid! Doch lasst mich von vorn beginnen.

Es war alles gerichtet für die erste gemeinsame Radtour als Rentner-Ehepaar. Zwei Tage Kaiserstuhl: Zum, Drumherum und zurück. Ordentlich wie ich nun mal bin, stand ein letzter technischer Check auf der To Do Liste. Die Satteltaschen waren gepackt, Kartenmaterial griffbereit, vollgetankt und Kette geölt, Lichtlein leuchten lassen (Obwohl keine Nachtetappe geplant war. Aber man weiß ja nie!), Probeklingeln und Luft aufpumpen. Das Schicksal nahm seinen Lauf, als das Ventil am Damenrad vorn die Luft nicht mehr halten konnte. Unter Ausstoßen von Verwünschungen, die nicht kinderzimmertauglich waren und auf eine nachlässige Erziehung schließen ließen, schob ich das Rad zum ortsansässigen Fahrradladen. In der Hoffnung passendes Schlauchwerk erwerben zu können. Der Besitzer, ein ausgewiesener Zweiradgeselle, eine Seele von Mensch, aber eben auch der Erfinder der Slowmotion. Da hätte ich aber großes Glück, dass ich ihn anträfe, er sei gestern erst aus Slowenien zurückgekommen. Und eigentlich physisch und psychisch noch nicht in der Verfassung seinem Handwerk nachzugehen. Als quasi Nachbar, und durch die Kenntnis unseres Reiseplanes bot er augenblicklich seine handwerklichen Fähigkeiten an. Das Damenrad und ich arbeiteten uns schon mal in die Werkstatt vor. Ein schier unglaubliches Arsenal an Schrauben und Muttern, Bremszügen und Lampen, verrosteten Pedalen und Gepäckträgern, Felgen mit Achtern und Ketten, Ketten, Ketten und noch einmal Ketten. Ich fasste sofort großes Vertrauen in den Zweiradgesellen meiner Wahl. Nach Sichtung des Malheurs begann er mit einem ausführlichen Reisebericht aus Slowenien. Wohin, warum, wie lange, Fahrtzeit, Freundlichkeit der Eingeborenen, Höhen von Schornsteinen eines Kohlekraftwerkes etc.. Nur ein flüchtiger Blick auf die Uhr spornte ihn an, sich im Laden, der eine Ewigkeit von der Werkstatt entfernt, vorne an der Hauptstraße lag, um sich nach einem passenden Schlauch mit intaktem Ventil umzuschauen. Nach der glücklichen Rückkehr genehmigte er sich erst einmal eine wohlverdiente Beruhigungszigarette, eher er sich intensiv dem Vorderrad widmete. Flugs war der Reifen von der Felge, der defekte Schlauch entfernt, des Übels Kern ausführlich begutachtet und unter Kopfschütteln in eine Kiste geworfen, in der haufenweise defekte Schläuche ein schlauchunwürdiges Dasein fristeten. Staub wirbelte auf. Nachdem die Sicht wieder frei war, folgte der fachgerechte Einbau des neuen Reifens. In wenigen Minuten war auch der Kompressor hochgefahren. Unter Schnaufen und Stöhnen, aber mit dem erforderlichen Druck wurde der Pneu unerwartet schnell in Fahrbereitschaft versetzt. Irgendwie hielt das Ergebnis dem prüfenden Blick des munteren Gesellen jedoch nicht stand. Bis zu drei Mal wiederholte sich die Prozedur, so dass ich allein vom Zuschauen eine Zweirad-Gesellenprüfung mit Summa Cum Laude hätte abschließen können.

Mit Entsetzen nahm der Reparateur die porösen Stellen des Mantels wahr. Seine Ehre als erfahrener Handwerker ließ es nicht zu, uns mit einem porösen Mantel zur Kaiserstuhlumrundung zu entlassen. Es war Gottes Fügung, dass er ein passendes Exemplar im Laden aus einem Regal aus der Jahrhundertwende kramte. Nach einer obligatorischen Beruhigungszigarette waren der poröse Mantel entsorgt, der neue montiert, die Luft eingeschnauft und der Prüfblick abgeschlossen. Mir blieb verborgen, was ihn zu einem erneuten Anlauf des gesamten Montagevorganges bewegte. Auch dann noch, als sich der Vorgang mehrere Male wiederholte. Ich beschloss nicht nach dem Grund zu fragen, da die gutgemeinten Erklärungen das jähe Ende unseres Planes bedeutet hätten. Irgendwie und irgendwann war das Werk vollbracht. Nur noch rasch das Vorderrad noch einmal ausbauen, die Profilrichtung entsprach nicht der Fahrtrichtung. Oder so. Als absoluter Fachmann für Zweiradtechnik und gemauerten Ziegelschornsteinen von slowenischen Kohlekraftwerken trat ich schließlich den Heimweg an. Ich wäre mittlerweile um eine ganze Schachtel Beruhigungszigaretten froh gewesen. Der Nichtraucher in mir siegte allerdings.

Meine Radelpartnerin und Ehefrau erwartete mich sehnsüchtig, abfahrbereit auf dem Hof. Die Satteltaschen waren im Handumdrehen angebracht. Es konnte losgehen. Es ist müßig zu erwähnen, dass mir die Rolle als Sherpa zufiel. Entgegen der Fliessrichtung des Rheins radelten wir, bei strahlendem Sonnenschein gen Kaiserstuhl. Ich hatte ausreichend Zeit von dem Werkstattaufenthalt zu berichten und die Höhe des gemauerten Ziegelschornsteins eines slowenischen Kohlekraftwerkes exakt verbal zu beschreiben.

Nach ein paar unwesentlichen Umwegen steuerten wir schließlich unser erstes Etappenziel an: Die Eisbude in Königschaffhausen. Die Köstlichkeiten der geadelten Eismanufaktur versüßten uns den warmen Herbsttag zusätzlich. Unweit der Eisbude begaben wir uns auf den Kaiserstuhlradrundweg. Obwohl es ein normaler Werktag war, nutzten offensichtlich diverse Artgenossen den goldenen Herbsttag, um ebenfalls diese Tour zu genießen. Wie Albert Einstein dereinst die Formel (e=mc²) entwickelte, kann ich die Rechte für das folgende Forschungs-Ergebnis anmelden (>60=e+). Mit unseren durch pure Muskelkraft angetriebenen Velos bildeten wir eine geduldete Minderheit. Quasi Relikte aus einer vorgeschichtlichen, akkulosen Ära. Im Schatten eines knorrigen Apfelbaumes genehmigten wir uns ein paar liebevoll gerichtete Schnittchen. Zweites Etappenziel war Breisach. Mit dem Glück des Tüchtigen ergatterten wir im Nu einen freien Platz im Café Ihringer. Die beiden jungen Mädchen störten uns nicht. Sie hatten wichtige Probleme zu klären, etwa welche Schuhe zu dem neuen Kleidchen passen würden. Die sauer gespritzten Biere zischten erquicklich und die Sonne hatte bereits an Strahlkraft eingebüßt, neigte sich langsam in Richtung Horizont. Ohne Eile genossen wir die letzten Strahlen, bevor wir uns aufmachten die letzten sechs Kilometer zum Hotel in Angriff zu nehmen.

Frisch geduscht und mit der Rückkehr des Tatendranges eroberten wir die City von Ihringen. Die Suche nach einem guten Lokal entpuppte sich als nicht ganz so leicht. Montage wurden auch am Kaiserstuhl gerne als Ruhetage genutzt. Wir landeten schließlich in einem Weinlokal (welch Zufall in Ihringen!). Mit einem knackigen Salat, Hechtklößchen, Zander auf der Haut gebraten und auf Weinsauerkraut gebettet, dazu ein ordentlicher Riesling versöhnte uns mit den Erinnerungen an gemauerte Ziegelschornsteine von slowenischen Kohlekraftwerke. Der hochwohlverdiente Erholungsschlaf war nur von kurzer Dauer. Unser Zimmer lag zur Straßenseite. Es erinnerte uns leidvoll daran, dass es ja auch noch eine arbeitende Schicht der Bevölkerung gibt. Das Frühstücksbuffett war im Internet korrekt beschrieben: Reichhaltig.

Der zweite Teil der Route war eindeutig der schönere. Und so radelten wir zufrieden und gemütlich gen Riegel, und von da wieder in Richtung gelobtes Land. Ohne besondere Vorkommnisse erreichten wir wieder Haus und Hof. Nun stand uns nur noch ein Opfergang bevor: Die Reparatur des Damenrades musste noch beglichen werden, da ich ohne Geldbeutel die Tatkraft und den Schlauch mit intaktem Ventil des Zweiradgesellen heimsuchte. An eine derartige Erweiterung der Dienstleistung hatte ich in meinen kühnsten Visionen nicht träumen wollen. Besagter vertraute auf unsere Redlichkeit und stundete uns den Betrag bis zu unserer Rückkehr. Da ich die Geschichten um den gemauerten Ziegelschornstein eines slowenischen Kohlekraftwerkes schon live erlebt hatte, ließ ich gönnend und ganz Kavalier alter Schule meiner Frau den Vortritt, um die offene Rechnung zu begleichen. Leider fand sich offensichtlich keine Zeit für einen ausführlichen Erlebnisbericht. Sonst waren es zwei wundervolle Tage. Eine Neuauflage zur Kirsch- bzw. Apfelblüte wurde schon mal angedacht. Kommt Zeit, kommt Rad.

Ja Maika

Die Fleischtöpfe zum Greifen nah, da kann man schon mal die Pinsel klar machen, um die roten Linien zu übertünchen. Zuerst ganz großes Gezeter, brutalst mögliche Verhandlungen und spätestens wenn die Pöstchen paritätisch bzw. nach Proporz verteilt sind, ist alles Friede, Freude, Eierkuchen. Jeder, ich wiederhole: Jeder hat selbstverständlich seine Positionen in den Koalitionsvertrag eingebracht, dabei die roten Linien höchstens tangiert, aber keinesfalls übersprungen! Vielleicht ein wenig verschoben. Na gut, aus politischer Verantwortung. Zum Wohle des Volkes. Wie wahre Samariter zu unserem Wohl. Na dann Prost.

Warum heißen die „roten Linien“ eigentlich „rote Linie“? Sind doch die allseits bekannten, begrenzenden Linien generell in strahlendem Weiß! Auf unseren Straßen, auf Tennis- und Fußballplätzen, selbst auf Spiegeln oder Silbertabletts, bereit von gierigen Näschen aufgesogen zu werden. Aber in rot? Noch nicht einmal die Schamesröte treibt es den Partizipanten ins Antlitz!

Auch der Glanz früherer Abgeordneter ist verblasst. Was tummeln sich heute doch für Charaktere in den Gremien? Aus Jamaika wird das ganze Spektrum eines Regenbogens! Rollstuhlfahrer müssen wahrscheinlich Bankrotteuren weichen, Fremdväter schwören auf die heilige Bibel und sogar Volksvertreter mit frisch gepflanztem Fremdhaar bedienen sich am Kabinettstisch. Wenn man doch auch Hirn verpflanzen könnte! Ganz nebenbei: Und um noch einmal auf Jamaika zurückzukommen, die weißen Linien, die fürs Näschen, sind mir als allererstes eingefallen. Und dann Dreadlocks! Aber nein – das Kopfkino schalte ich jetzt mal schnell wieder aus. Stellt euch mal Mutti mit Dreadlocks vor. Oder Vollhorst. Oder Flintenuschi mit einem gehäkelten Mützchen in Koalitionsfarben über dem blonden Schutzhelm. Oder Kauder mit einem Tütchen im Mundwinkel. Alpträume werden mich verfolgen! Hoffentlich nicht die ganze Legislaturperiode. Bei dem einen oder anderen Mandatsträger könnte man ja schon meinen, dass Joints den Verstand vernebelt hätten. Als ob Jamaika schon vor den Verhandlungen zur Realität geworden wäre. Da schweben einige durch Raum und Zeit und haben jeden festen Boden unter den Füssen verloren. Peter Michael Tauber zum Beispiel. Und Toni Hofreiter hat sich schon beizeiten auf diese Koalition angepasst. Frisurmäßig jedenfalls. Sofern man hier von Frisur sprechen kann! Da ist mein besonderer Freund B.Scheuert schon perfekter zurechtgegelt. Glattes Haar passend zu aalglattem Auftreten.

Ich hör jetzt auf. Zu schreiben. Die Bilder im Kopf überschlagen sich nämlich. Man sieht sich.

 

 

Auf dem Hohlweg!

In einer bisher nie dagewesenen Besetzung haben wir uns auf den Hohlweg begeben. Es war Sonntag, nach dem Kirchgang, wenn den Gesangbüchern langsam Henkel wachsen, als das Motto hieß: „Auf die Plätze, fertig, Löss!“ Wenn jetzt ein Raunen durch die Leserschaft geht, dann mit Recht! Ich möchte die Unwissenden aber nicht länger auf die Folter spannen. Was will uns das obige Motto sagen? Ganz simpel, es handelt sich um die legendären Lösshohlrundwanderwege! Wer schon gemutmaßt hatte, bei der Überschrift handelt es sich um einen Schreibfehler, und es sollte „Holzweg“ heißen, der begab sich umgehend auf denselben! Löss ist ein ockergelbes, samtweiches und flaumleichtes Gestein, aus dem der Kaiserstuhl zum Großteil besteht. Dolomitenstaub, sagt man soll es sein. Sagt man. Wie auch immer, in diesen Gesteins-Formationen haben Wind und Wetter Hohlwege gefräst, die inmitten der Weinberge einfach so herumschluchten.

Durch eben diese Lösshohlrundwanderwege wandert man so dahin, bestaunt die Bewohner des samtweichen und flaumleichten Materials, und liest die Täfelchen am Rande, um zu wissen, was ihr jetzt auch wisst. Da die Lösshohlwege stetig ansteigen liest derjenige laut vor, der noch über ausreichend Puste verfügt, oder seine Lesebrille nicht vergessen hat. So wie ich. Dafür trug ich mein neues Schuhwerk! E-Wanderschuhe, die mich hermesgleich noch oben tragen. Die biodynamische Federung nutzt dabei die Energie des Drucks der Fusssohlen auf die stoß-absorbierenden Einlagen, um sie augenblicklich wieder dem Auftrieb zuzuführen. Oder so. Ähnlich einem Perpetuum Mobile, wobei optional noch der Fussschweiß über Wärmetauscher für Frischluft im Goretex-Geläuf sorgen soll. Bei mir muss die App für diese Funktion allerdings noch nicht aktiviert worden sein. Wie auch immer.

Auf jeden Fall startet man an der WG in Bickensohl, weil sich der Ortsname am besten auf Hohl reimt. Wenn man zur Linken auf die Gartenwirtschaft schaut sollte man keine allzu großen Erwartungen und Gelüste an die Rast nach der Rückkehr setzen. Wer nach einem kühlen, erfrischenden Bierchen schmachtet, gerne auch mit einem Schuss Mineralwasser versetzt, der mögen seine Erwartungen nicht allzu hoch hängen. Die schöne Gartenwirtschaft ist kein Biergarten, sondern ein Weingarten! Es war zum Weinen, denn unbefriedigter Durst kann die Laune schon ganz schön in die Knie zwingen. Gegenüber, auf der Terrasse des Rebstocks, gab es zwar Bierchen in allen Größen und Verdünnungsvarianten, allerdings war der Koch krank, und die Karte auf ein paar Hungerstiller reduziert, die das verbleibende Personal ohne zertifizierte Ausbildung zuzubereiten im Stande war. Die Atmosphäre der Terrasse glich dem Bahnhofsvorplatz in Castrop-Rauxel.

Etliche Informationsschilder weiter verließen wir die Hohlwege, die man jetzt hätte auch Höhenwege taufen können, und erhielt freie Blicke auf die bunte herbstliche Terrassen-Reblandschaft. Die freien Blicke auf die Terrassen-Reblandschaft wurde bei jeder, ich wiederhole: Jeder, Gelegenheit schamlos ausgenutzt. Mir zwang sich der Eindruck auf, dass es mehr freie Blicke als gewanderte Schritte sein mussten. Und jedes Mal brach die Wandergruppe in schieres Entzücken aus. Dabei änderte sich das Panorama nur in Nuancen, die Bewunderung aber blieb konstant auf dem hohen Level. Ich musste meine neuen E-Wanderschuhe bremsen, um nicht ohne mich davon zu stürmen. Bereits auf der Hälfte der Strecke wurden wir mit der Ausblickbewunderungs-Medaille in Silber ausgezeichnet. Jeder erhielt eine Plakette, die in Wanderstabform gebogen war, incl. zwei Mininägelchen aus Messing. Das Hämmerchen zur Befestigung der Plakette muss hauseigen gestellt werden.

Das Bergfest fand hingegen meine vollste Bewunderung! In den Rucksäcken der Wandergruppe verbargen sich wahre Köstlichkeiten: Camembert, zum Dahinfließen, ein Stück Hartkäse, verschiedene frische Weckle, Salami in Miniformat und mit Pfefferkörnern in mundgerechten Scheiben, und: Eine Flasche französischer Rotwein, der sich alsbald als wahrer Gaumenschmeichler entpuppte. Aus den Tiefen der Rucksäcke zauberten die durstigen und hungrigen Seelen dann auch noch Weingläser aus Glas, mit Stil. Hat das nicht Stil? Mit jedem Schluck waren die Strapazen der Erklimmungen vergessen, aber der Glanz in den Augen bei den nachfolgenden freien Blicken auf die herbstliche Landschaft der Weinterrassen gewann weiter, durch die Wirkung des Rotweines, an Euphorie.

Wider alle Berauschungen an herbstlichen Farben, Gerüchen und freien Blicken fanden wir zu guter Letzt noch freie Plätze für Speis und Trank. Muse, um all die herbstlichen Eindrücke noch einmal Revue passieren zu lassen. Gesättigt und rundherum zufrieden ging es wieder gen Heimat. Die Frage nach dem obligatorischen Absacker wurde ohne lange Bedenkzeit dankend angenommen. Und so klang der schöne Tag mit Koalitionsverhandlungen und Aufarbeitung der Wahlergebnisse, mit den abnormalen Leistungen des Ironman und den unwiderlegbaren Vorteilen des Daseins als Bestager harmonisch aus. Morgen fahren Gattin, geliebte, und ich mit dem Fahrrad zum Kaiserstuhl, um den Kaiserstuhl herum, und wieder zurück. Na dann viel Spaß!

 

Wind von vorn!

Der Herbst hat auch seine schönen, bunten Seiten. Blättermäßig. Aber auch seine grauen Seiten. Auch blättermäßig. Und allzu gerne gehen das welke Laub und die herbstlichen Winde Hand in Hand übers Land! Grad zu leid aller Baum- und Buscheigner. Und wer schon einmal Laub gerecht hat, der weiß wovon ich spreche. Ganz nebenbei fällt mir völlig ungeplant auf – ob man Laub überhaupt rechen kann? Was hat es angestellt, außer Wege, Vorgärten, Nachgärten und sonstiges Gelände zu verunreinigen. Da erkenne ich keinen Grund jemanden zu rechen. Höchstens am Baum, der sich auf hinterhältige Art und Weise seiner bunten Pracht entledigt hat. Aber sonst?

Wer jetzt denkt: „Na warte, die Rache ist mein!“, dem sei mal gleich der Herbstwind aus den Segeln genommen: „Ätsch, war pure Absicht!“ Es bot sich halt phonetisch geradezu an. Aber zurück zum Thema.

Man recht also gemütlich so vor sich hin, scharrt ein colouriges Häuflein gelber, beiger, orangener und roter, sowie braunen Blätter zusammen und erfreut sich der Farbenpracht. Und dann? Dann bläst einer dieser blöden Herbstlüftchen in den Haufen, und die ganze Mühe ist eben nicht im Eimer! Der Wettlauf beginnt von vorn, bevor es: A) dunkel wird, und B) sich das Blattwerk in der gesamten Nachbarschaft herumtreibt. In der Regel wiederholt sich dieses Spielchen mehrfach, und die Freude über das ganze Farbspektrum kann zusehends kippen. Erste Rachegefühle keimen. Womit wir wieder beim Thema wären! 

Der Wind, der böse, bläst den Rechern ein übles Schnippchen. Er, der Wind, ist also ein unberechenbarer Laubbläser, wenn man es mal so betrachten will! Und damit kommen wir zum Kern des Berichtes: Dem Laubbläser an sich. Während der meteorologische Laubbläser ausschließlich blasen kann, können die elektromechanischen Laubbläser auch saugen. Sie müssten folgerichtig dann auch Laubsauger oder laubsaugende Laubbläser heißen, oder auch umgekehrt. Jeder wie er will. Ich persönlich bevorzuge Laubsauger, weil Laubbläser nicht den besten Ruf genießen. Obwohl es unter dem Strich ja eigentlich Wurscht ist.

 Ich weiß genau, dass jetzt ein Aufschrei durch die Gemeinde geht, aber ich bin bekennender Laubsauger! Die nachbarschaftlichen Proteste überhöre ich einfach – schon wegen der beeindruckenden Lautstärke meines Viking. Den Gurt lässig über der Schulter, den Auffangsack für das gehäckselte Laub unter dem Arm, wie bei einem Dudelsack, lasse ich Saugen. Bis das letzte Blatt, in unzählige kleine Blattstückchen zerfetzt im Sack ist! Und damit trotze ich allen Winden, egal aus welcher Richtung sie auch wehen. Ein wahrer Fels in der stürmischen Herbstbrandung.

 

Sommersockenwende

Das Wetter ist auch nicht mehr das, was es mal war. Anfang Oktober und die selbstgestrickten Socken werden schon vorgekramt. Die zum Erbarmen, selbstgestrickten von Mutti. Genau die, die von der Mutti mit den Rautenmustern. Blau-weiße Rauten wird sie sicher stricken müssen, unsere Mutti. Es gab ja mal Zeiten, da waren rote Socken absolut en vogue. Heute sind es eher triste, von alten Hüten aufgearbeitete, verfilzte Ladenhüter. Zwei Schritte rechts, zwei links und einer fallen gelassen, das scheint die neue Masche zu sein. Sie sollen eben allen passen. Den großen wie den kleinen Tretern, Unisex, für Stiefel und Budapester. Für Ballerinas und die groben grauen für Sandaletten mit Fussbett und Klettverschluss. Und kratzen, kratzen dürfen sie auf gar keinen Fall! Geschmeidig müssen sie sein, und als Sparstrumpf zu nutzen, in die man ggf. ein paar Steuergeschenke versprechen kann. Zins- und geruchsfrei sowieso. Also ganz ohne Geschmäckle! Streifenmuster ist gut. Schwarze, grüne und gelbe Streifen mit blau-weißen Rauten. Wenn die Wolle dick genug ist, dann friert es einem auch nicht. Jedenfalls nicht gleich. Vielleicht später, wenn sie aufgerieben, und untragbar verfilzt sind. Und sie nachhaltig entsorgt werden müssen. Sondermüll. Kostet extra! Und aus dehnbarem Stretchmaterial, dass man sie kräftig nach rechts ausdehnen kann, um ein paar extreme Zehen auch zu erwärmen. Ein paar Fäden Lurex wären sinnvoll, damit könnte man wenigstens einen Hauch Glanz einfädeln.

Natürlich ist Bio Pflicht! Aus nachfilzenden Rohstoffen. Fair verhandelt. Mit unausgegorener CO2-Billanz: Ökologisch, ökonomisch, ökumenisch, politisch geh-recht geformt. Was will man mehr? Der nächste Winter kommt bestimmt!

 

Block „B“

Die Anreise zum Treffpunkt verlief ohne Zwischenfälle oder Staus. Doch beim Anblick des Buses schwante mir Ungemach: Busunternehmer Schnurr hatte sein vor Jahren ausgemustertes Modell an den Start gebracht. Längst gelöschte Paradigmen erwachten und lösten ein spektakuläres Kopfkino aus. Zu Zeiten harter körperlicher und geistiger Arbeit, charterte mein Ex-Arbeitgeber gerne dieses Ungetüm, um seine tragenden Säulen zu einem teambildenden Wochenende zu chauffieren. Im technischen Museum haben sie die kostenlose Ausstellung des prähistorischen Busses abgelehnt, weil Objekte aus der Jungsteinzeit  nicht ins Portfolio passen. Ob zum Beispiel die Gardinen noch zu wärmenden Strickstrümpfen reanimiert werden können wird die Zukunft zeigen.

Wider aller Befürchtungen brachte uns der Herr über das Doppelschaltgetriebe sicher durch alle Verkehrshindernisse in sensationeller Zeit ans Ziel. Auf dem Busparkplatz angekommen, drängelten die Sportbegeisterten flugs aus dem Gefährt, um sich mit einem atemberaubenden Nikotinschub für die nächste Trockenperiode in der Arena zu dopen. Dort selbst warteten die obligatorische Stadionwurst und ein halb abgestandenes Bier im Plastikbecher auf die zusammengewürfelte Reisegruppe. Das Entgelt für Ticket und Busgenuss wurde bereits im Bus eingezogen. Die fälschungssicheren Tickets, Dank kreativer Hologramme, verhießen uns Block „B“, Reihe 6 und die Plätze11 und 12. Auf dem Weg zum reservierten Sitzplatz mussten wir mehrere Personenkontrollen über uns ergehen lassen. Leider streng aufgeteilt nach Männlein und Weiblein. Mit einem beruhigenden, sicheren Gefühl betraten wir die Sportstätte, wo bereits gedämpfte Aufgeregtheit herrschte.

Die verbliebene Wartezeit bis zum Anpfiff vertrieben wir uns mit fachkundigen Gesprächen und einer Kategorisierung der unterschiedlichsten Fantypen aus Nah und Fern. Die Meisten waren äußerlich kaum zu unterscheiden – lediglich die Farbe der Trikots respektive Schals gab uns Aufklärung über deren Herkunft. Aus der Arena klangen schon lange vor dem Anpfiff dumpfe Trommelrhythmen. Man groovte sich ein für die bedingungslose Unterstützung der geliebten Mannschaft. Schon vor dem ersten taktischen Angriff machte sich unser Tinnitus bemerkbar. Es sollte allerdings erst die Piano-Version sein, die uns für den Rest der Spielzeit erwartete! Block „B“ ist in den meisten Stadien und Arenen der Block, der den heimischen Fans vorbehalten ist. Das Schwenken von Fahnen, und Abrollen von überdimensionalen Bettlaken, bedruckt in den Farben des Vereins, mit Schmähtexten oder heroischen Versen, brach über uns herein. Eine Steigerung der Phonzahl schien geradezu unmöglich – wir sollten eines Besseren belehrt werden. Die Vorstellung der einzelnen Helden artete zur wahren Hysterie aus, und beim Absingen des Badner Liedes glaubte ich vereinzelt ein paar Tränchen bei den augenscheinlich beinharten Trommlern, Fahnenschwenkern und Betttuchabrollern zu erspähen.

Anpfiff! Wieder brandete ohrenbetäubender Lärm auf, der keinen Ausweg aus der geschlossenen Halle fand und deshalb von Tribüne zu Tribüne echote. Kaum hatte der Gegner das Objekt der Begierde, herrscht Totenstille im Oval. Vereinzelt jubelten ein paar weitgereiste Muschelschubser, was wie Balsam in unseren Ohren wirkte. Jedes erzielte Tor ließ den Sportdom erneut in seinen Grundfesten erschüttern. Zeitstrafen der Gegner wurden von Häme begleitet, und in den Auszeiten wurden flugs die überdimensionalen Betttücher wieder über alle Köpfe von Block „B“ gezogen. Was sollte man auch sonst machen? Es gab nichts zu bejubeln oder zu beschweigen. Der Trainer rief seine Sieben zur Disziplin und ordnete nächste, erfolgversprechendere Spielzüge an. Stakkatomäßig begannen die Trommler wieder die Phonzahl auf den erforderlichen Pegel zu bringen. So ging das Spielchen hin und her, bis es letztendlich 30 : 28 stand, und die Schiedsrichter mit einem besonders langen Pfiff das Gipfeltreffen beendete. Die Helden hopsten im Kreis, lagen sich in den Armen und die Trommler und Fahnenschwenker holten noch einmal alles aus sich heraus. Zu meiner großen Überraschung wurde das überdimensionale Betttuch nicht mehr über die erregten Köpfe gerollt.

Bevor ich über die Heimreise in unserem historischen Gefährt berichte, möchte ich noch auf eine äußerst angenehme Sitte am Rande des Spielfeldes zu sprechen kommen: Über die WM! Genauer gesagt über die Wisch-Mädels. Ausgestattet mit Wischmop und einer reklamationsfreien Figur lauerte je eine in den vier Ecken, bis ihnen die Schiris das Zeichen zum raschen Aufwischen der achtlos fallengelassenen Schweißtropfen zwischen Wurfkreis und Neunmeter-Linie gaben. Geschickt (in doppeltem Sinne!) kamen sie ihrer Aufgabe nach, was so manche erfahrene Hausfrau vor Neid erblassen ließ, denn ihnen ist eher selten eine derartige Anteilnahme und rauschender Applaus gewiss.

Die Raucher waren wieder die Ersten im Freien. Im Bus entschied man(n) sich den Bierbestand bis zum totalen Aus zu reduzieren. Aus diesem Grund gelang es auch den Geräuschpegel auf der Heimreise annähernd auf dem Niveau wie im Stadion zu halten. Leider flachte im Gegenzug aber auch das Niveau der Gespräche umgekehrt proportional ab. Sei´s drum. Der Sieg war unser.