Neue Woche, neues Glück! Eine weitere schöne Tour! Nach der alpinen Etappe ins Schuttertal letzte Woche, ging, genauer führte die gemeinsame Fahrt durch die Ebene. Nicht, wie man meinen könnte in Holland, vorbei an den drei Großen Ts: Tulpen, Tomaten, Tilsiter, nein, sondern durch die Alleen der Monokulturen der Maisfelder im Elsass. Es war ein perfekter Tag, am absoluten astronomischen Maximum der Sonnenstrahlung. Aber starten wir am Beginn.
Pünktlich auf die Minute, diesmal wieder mit Helm, eingenordetem Navi und perfekt gestylt, fuhr Schorschi auf den Hof. Von Kopf bis Fuß harmonisch und haarmodisch im Einklang mit dem strahlenden Weiß seines Campers. Weißes Rad, weiße Packtasche, blütenweißes, atmungsaktives T-Shirt, weiße (RAL 9010), climacoole Socken, mit gesticktem Monogramm, auf dem linken ein „L“, auf dem rechten ein „R“. Diese steckten in geländegängigen Sportsandalen. Als Krönung: schlohweißes Haar. Behände war auch mein Rad routiniert versorgt. Wir konnten starten, der Tag war noch relativ jungfräulich.
Ausgangsziel war Neu Breisach. Mitten auf dem Marktplatz, einem kostenfreier Parkplatz. Ein eifriger Gemeindekalfaktor blockierte die Zufahrt, um verdorrten Pflanzen die letzte Wässerung angedeihen zu lassen. Wir umrundeten den Markt-, Parkplatz noch einmal in einer Warteschleife und blockierten dann ungeduldig die Zufahrt zur Zufahrt, bis die Flutung der Blumentröge abgeschlossen war. Ein Hupkonzert der Eingeborenen veranlasste den Sprengmeister ein wenig schneller sein Tagwerk zu verrichten.
Ansonsten war Neu Breisach menschen- als auch touristenleer. Die historischen Wehranlagen hatten offensichtlich den Besucherströmen standgehalten. Es gab keinerlei Anzeichen von Brandschatzungen, Vergewaltigungen oder Parksündern. Drei Flics lümmelten gelangweilt im Schatten. Es war nicht zu erkennen, auf wen oder was sie harrten. Die Räder waren flugs entsorgt, Schorschi vergewisserte sich noch einmal gewissenhaft über die Funktionsfähigkeit des Navis, prüfte den Reifendruck, Bremsanlage und Beleuchtung, sowie den aktuellen Börsenkurs für Kettenöl auf „Kettenöl24“. Gerade als wir in Richtung Colmar aufbrechen wollten, sprach uns eine Frau mittlerer Altersklasse, aber höherer Gewichtklasse, an und erkundigte sich nach der Zufriedenheit mit dem Campers. Bereitwillig gab Schorschi Auskunft. Als Gegenleistung entlockten wir, der offensichtlich ortskundigen Fragenden, den besten Einstieg in die minutiös geplante Tour. Sie teilte uns darüber hinaus noch ungefragt mit, dass ihr E-Bike zur Inspektion sei. Womöglich hätte sie sich sonst uns noch anschließen wollen. Mann muss halt Glück haben!
Entgegen des Rates der radlosen Radlerin bestand unser Guide darauf dem Navi Folge zu leisten. Nachdem wir allerdings glücklich wieder auf dem Marktplatz zurück waren, stellte sich heraus, dass wahrscheinlich ein winziger Tippfehler uns innerhalb der Stadtmauern, entgegen dem Uhrzeigersinn und der erlaubten Fahrtrichtung, unbemerkt von den gelangweilten Flics, im Kreise kreisen ließ. Durch eine nadelöhrgrosse Bresche verließen wir die Feste gen Colmar. Wir durchquerten rasant Appenwihr, weder verwandt noch verschwägert mit unserem badischen Appenweier, nach Sundhoffen. Das Navi leitete uns kreuz und quer durch die Gemeinde. Stutzig machte mich, dass wir uns unversehens auf der „Rue de Appenwihr“ befanden. Ich intervenierte, doch Schorschi vertraute seinem Navi. Es war eindeutig ein Fehler! Gegen all meine Erfahrung als Westmann (Ost-Westfale!). Als wir etliche Kilometer später wieder Appenwihr in entgegengesetzter Richtung zum wiederholten Male durchquerten, erkannte Schorschi, dass sein Navi wohl wieder ein Eigenleben entwickelt hatte. Der Vorteil war, wir kannten jetzt die Strecke. Bis ins Zentrum nach Colmar mussten wir leider unseren Radweg mit diversen P- und LKWs teilen, sodass wir nur aufgereiht wie die Erpel dahinradeln konnten.
Mit Hunger und Durst im Gepäck, sowie mit Wissenshunger und -durst nach den Sehenswürdigkeiten der Altstadt, schauten wir uns nach einem sicheren Standplatz für unsere Velos um. Einige zum „U“ geformten Chromstahlrohre signalisierten, dass sie sowohl von Radlern, als auch von Hunden regelmäßig heimgesucht wurden. Nein, die Hunde nicht zum Abstellen ihrer Räder! Per Pedes gingen wir auf Entdeckungsreise, durch die Altstadt, durch die Markthalle bis ins „Kleine Venedig“. Irgendwo im Getümmel der Urlauber ergatterten wir ein schattiges Plätzchen mit allerbestem Blick auf die vorbeitrollende Menge. Das Panache war perfekt, der Flammkuchen war ebenso hauchdünn wie belegt. Wir hätten ihn zusammengerollt mit ein – zwei Bissen problem- und geräuschlos verschlingen können. Die Alternative wäre Schweinebauch, Würstchen und Sauerkraut gewesen. Na dann Prost, Mahlzeit!
Mit quasi leerem Bauch und Portemonnaie machten wir uns schließlich auf die Suche nach einer Eisbude. Der Franzose an sich, und der Elsässer im Speziellen, sind wohl eher ausgewiesene Eisverweigerer. Deshalb dauerte es diverse Gassen und Sträßchen, bis wir eine Eisbude unseres Vertrauens entdeckt hatten. Zwei € die Kugel, zwei Kugeln 3,90€. Wir haben nicht weiter recherchiert, bei welcher Anzahl von Kugeln wir den bundesdeutschen Kugelpreis erreicht hätten.
Obwohl ich für das Wiederauffinden unserer Räder im Vorfeld bereits ein bis zwei Stunden kalkuliert hatte, schafften wir es deutlich innerhalb kürzerer Zeit. Dabei muss ich gestehen, dass mir der direkte Weg doch ein wenig aus dem Kompass geraten war. Schließlich wusste sich Schorschi zu erinnern, dass eine zu Stein erstarrte, bis zur Unkenntlichkeit geschminkte Strassenkünstlerin uns den richtigen Weg zeigen würde. So sie denn nicht ihre Position signifikant, dank üppiger Spenden, geändert hätte. Ihr Hut war, Touristen sei Dank, noch spärlich bemünzt.
Die Rückfahrt, immer entlang am Rhein-Rhone-Kanal, verlief streckenweise im Schatten. Ohne P- und LKWs aber mit sehr entgegenkommenden Horden von radelnden Familien und anderen Aktivisten. Zurück auf dem kostenfreien Marktplatz zeigte sich, dass es sich gelohnt hatte, den Verlauf der Sonne voraus zu berechnen und in der Konsequenz, am Nachmittag, einen schattigen Parkplatz zu erhaschen. Den einzigen Schatten weit und breit warf jedoch unser Camper. Das astronomische Maximum hatte seine volle Wirkung entfaltet und wir suchten kühlende Zuflucht in einer Confiserie, für deren Gebäck sie weit über die Grenzen des kostenfreien Parkplatzes hinaus berühmt war. Mit einem Tässchen Kaffee und einem Stückchen Kuchen beendeten wir die Belle de Tour. Der Kuchen konnte übrigens mit seinem vorauseilenden Ruhm nicht schritthalten! Die mittelalterliche Frau vom Morgen ist wohl bei anderen Camper-Besitzern heimisch geworden. Und ob ihr E-Bike wieder flott war? Wir wissen es nicht!
Noch eine ganz kniffelige Quizfrage: Warum steigen nahezu alle Radfahrer generell von der linken Seite auf und ab? Richtig! Weil sich dort der Ständer befindet!
Résumé: 56,7 Km / 2,45 Std. schiere Fahrzeit / Durchschnitt 20,6 Km/Std. Voila!
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