scharfsinnig - unsinnig - kurzweilig

Monat: Juni 2018

Reformhaus

Bitte verfallt nicht der Illusion, das Reformhaus befände sich im Bundestag, respektive im Reichstag! Da regiert in diesem Sinne eher ein Armutstag. Dem Grunde nach wären Reformen wünschenswert. Aber die Realität belehrt uns eines Besseren. Re-Förmchen statt Re-Formen – wenn überhaupt, eher ein gegenseitiges in die Förmchen pinkeln.

Offensichtlich nimmt man die Bezeichnung allzu wörtlich: „Re- (Präfix) drückt in Bildung mit Verben aus, dass etwas wieder rückgängig gemacht, in den Ausgangszustand zurückgeführt wird.“ Und so re-giert man dann auch vor sich hin. Also re-giert. Man giert nach seinen alten Privilegien, nach Macht, nach Diäten, nach Wasweissdennich. Und entsprechend wird auch agiert, wenn man überhaupt schon mal re-agiert. Viele der ordentlich gewählten Bundestaglerinnen und Bundestagler und selbst Ministerinnen und Minister überleben eine Legislatur-Periode auch nur, wenn man sie gelegentlich re-animiert. Nicht zu verwechseln mit einer sinnlichen Animation. Selbstverständlich! Aber das nur nebenbei.

Dagegen sind Reformhäuser im richtigen Leben Häuser, besser Geschäfte, in denen man seine Form re-aktivieren kann. Die Angebote umfassen u.a. gesunde Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel, rezeptfreie Naturarzneimittel, Vitamine, Mineralien und Aminosäuren, sowie Artikel zur Körperpflege und Naturkosmetik. Also absolut unverzichtbare Dinge für ein vitales Vegetieren. Allerlei Allergiker mit und ohne modischen Unverträglichkeiten vergeistigen sich im Repertoire der Angebote. Diverse Pülverchen, Körner, Samen und Beeren entschlacken Leib und Seele bis alle Gifte aus dem Körper entfleucht sind oder das Geld aus der Börse.

Wie die Tide versickert auch die Smoothiewelle langsam im seichten Gestade der anonymen Hypochonder. Der aktuelle Trend ist Superfood. Wer Superfood isst, ist super! Vitamine und Spurenelemente von Ah bis Zett gleichen all die beworbenen Mangelerscheinungen aus, die eine unausgewogene, mangelhafte Ernährung vermissen lässt. Fragen sie ihren Arzt oder Apotheker! Alles was gut und vor allem teuer ist, ist natürlich auch gut für das leibliche Wohl.

Darüber hinaus bietet es auch tagesaktuellen, üppigen Gesprächsstoff in akut empfänglichen Kreisen über die allgemeine Wetterlage und über das neue Smart-Phone hinaus. Man entdeckt pseudogesunde Welten, deren Existenz bisher im Verborgenen ein kränkelndes Dasein fristeten und nur durch das Superfood sich quasi selbst re-animieren konnten. Nebenbei re-aktiviert es das Hirn, da die Varianten der neuen Vokabeln die Synapsen bis aufs Äußerste fordern. Chlorella, Spirulina, Maca, Hanfproteine, Moringa, Kübiskernmehl, Inulin, Flohsamen, Erbsenproteine, um nur ein paar Highfligher zu nennen. Natürlich alles Bio, genderneutral, fair gehandelt und ökonomisch sowie ökologisch und ökumenisch vertretbar aus den hintersten Winkeln der Welt ins Reformhaus seines Vertrauens per E-Mobil geliefert. Regelmäßiger Verzehr garantiert ein vitales Leben bis zum Ableben. Strotzend vor Gesundheit. Getreu dem Motto: Sie säen nicht, sie ernten nicht, der Herr gibt`s den Seinen im Schlaf. Na dann gute Nacht!

Seniorenteller

Es handelt sich tatsächlich um die ganz zentrale Frage der Menschheit: Wann ist man Senior? Und im Nachgang, wann kann oder muss man einen Seniorenteller bestellen? Oder noch schlimmer, wann lehnt eine Servicekraft die Bestellung eines Steaks ab, und verweist mit mildem aber bestimmtem Nachdruck auf die in der Karte angepriesenen Seniorengerichte? In diesem Zusammenhang ergibt sich auch die ungeklärte Frage, wann beginnt die Klassifizierung bei: Für unsere kleinen Gäste? Ab einer bestimmten Körpergröße? Und wie werden kleine und ältere Menschen eingestuft? Aber dieses Thema möchte ich hier und heute ausklammern, um mich ganz dem Seniorenteller zu widmen. Schon aus eigenem Interesse.

Bei Teenagern oder Twennies ist die Sache ordentlich geregelt. Aber bei den Senioren existieren doch einige verwirrende Begrifflichkeiten und damit Unklarheit. Wie und ab wann differenziert man zwischen Erfahrenen, Oldies, Best Agern, Rentnern oder Mumien? Erinnern wir uns an Georg Dabbeljuh Bush. Hier gibt es die Ausführung als Senior und Junior. Völlig altersunabhängig! Und wenn der Junior dann zum Senior gereift ist und der Senior noch quicklebendig dahinvegetiert – was dann? Wird der Seniortitel dann praktischerweise durchnummeriert?

Bei den Damen tun sich weitere Hemmnisse auf. Gerne feiern die Ladies z.B. ihren 39ten Geburtstag mehrere Male. Hier ist eine altersbezogene Klassifizierung nahezu undenkbar. Und nach reinem Aussehen, da sehe ich ebenfalls schwarz. Ich sage nur Liften und Botox!

Bleiben doch nur die harten Fakten: Der Rentenausweis. Doch es gibt keine hinreichenden Erfahrungswerte, ob man mit einem Rentenausweis auch aus der normalen Karte bestellen kann. Oder ob gar ein frühreifer, spätpubertierender Rentner ein ganz ordinäres Dreigang-Menü ordern kann? Oder ob ein Mensch zwischen Twen und Rentner einen Seniorenteller …..? Oder ein erfahrener Mitesser mit Gardemaß von 1,90m einen Räuber Hotzenplotz-Teller aus der Karte „Für unsere kleinen Gäste“? Es ist gar nicht so einfach! Hier sind doch die ordentlich gewählten Bürokraten in Brüssel und Straßburg in Verzug!

Des Weiteren bin ich bei dem einen oder anderen Selbstversuch wahrlich enttäuscht worden. Zum Beispiel servierte man mir doch aus der Seniorenteller-Karte ein Schnitzel Wiener Art mit frischem Marktgemüse und Pommes / Salat: Erstens: Ohne Rot/Weiß, zweitens: Nicht püriert und passiert in der Schnabeltasse und drittens nicht geschmacklos fad wie eine alte Schuhsohle! Also hätte es für einen unbefangenen Beobachter auch durchaus aus der Karte für unsere kleinen Gäste stammen können. Wenn nicht Rot/Weiß gefehlt hätte! Leider habe ich versäumt es gegen Aufpreis nachzuordern. So ich es denn überhaupt offeriert bekommen hätte.

So, bitte! Es ist angerichtet! Oder was habe ich mit meinen Fragen angerichtet?

 

Das Schöne am Altwerden ist doch die Tatsache, dass man immer öfter tatsächlich recht hat. Und zwar rechter, als man noch mit, sagen wir mal mit Mitte zwanzig, gedacht hätte. Man ist in der einmaligen Lage nicht nur zu wissen, sondern auch zu können. In diesem Sinne: Fräulein, bitte noch ein gestauchtes Pilsken!