Wer jetzt den Zeigefinger hebt, und berechtigt verbessert: Es heißt „Im Westen nichts Neues“, der hat Recht. Und auch wieder nicht! Denn wenn ich schon einmal so eine Formulierung verwende, steckt sicher ein Hintergedanken dahinter. So ist es!
Also, noch einmal von vorn: „In Westen nichts Neues!“ Gemeint ist bei Leibe nicht der geographische Westen, sondern schlicht und anziehend die Weste als Ober-bekleidung. Anzüglich sind logisch auch die folgenden Beobachtungen. Zunächst die Frage: Wo liegt die Altersgrenze für Westenträger? Spontan würde ich vermuten, unmittelbar beim Eintritt in die Rente. Die Vermutung, dass mit dem Erhalt des Rentner-Ausweises automatisch eine Weste ausgegeben wird hat sich zerschlagen. Wer könnte das besser beurteilen als ich? Noch größer war allerdings meine Verwunderung, dass die einschlägigen Oberbekleidungshäuser keine Angebote verschickt haben: Zwei Westen kaufen – nur eine zahlen. Hier befinden sich die Marketingstrategen noch in einer Art Tiefschlaf, denn schließlich gehören die Best Ager zu einer ausgemacht finanzstarken Zielgruppe. Jedenfalls für Westen.
Die Modedesigner hingegen haben es unglaublich einfach. Bei den Rennern dominieren die beigen, respektive khakifarbenen Modelle! Gefolgt von den Tönen schwarz und mit einem beruhigenden Abstand halbschwarz. Die Farbe Khaki harmoniert nahezu mit den Kargo-Westen, die ausschließlich bei den o.g. Käuferschichten ihre Berechtigung haben. Ursprünglich waren die diversen aufgenähten Täschchen für das sichere und griffbereite Aufbewahren von Kompass, Munition für Großwild, sowie Schweizer Taschenmesser konzipiert. Heutzutage dienen sie zur Aufbewahrung von Asthma-Spray, Herztropfen und Messgeräten für den Blutzucker. Auch ein Smartphone mit überdimensionalen Tasten finden ein bequemes Täschchen – man kann jedoch vor der Platzierung in der Nähe der Herzschrittmacher nur ausdrücklich warnen!
Neben den schlichten Farben drängt sich bei den Materialien die Baumwolle geradezu auf. Optik und Haptik in schier atemberaubender Harmonie. Für die Übergangszeit empfiehlt sich Leder oder Wildleder oder gar Loden, mit bzw. ohne Inlett aus kuscheligem, wärmendem Fell. Wer ein paar Euro mehr investieren will, wählt die Variante mit Inlett zum Ein- / Ausknöpfen oder mit Reißverschluss. Sowohl Innen wie Außen ist durchaus auch eine Leder- bzw. Fellimitation tragbar. Es versteht sich von selbst, dass die Westen generell ohne Kragen zu tragen sind, maximal ein kleiner Stehkragen ist akzeptabel.
Keine Weste ohne Ausnahme. Deshalb vollziehen wir jetzt eine doppelte 180° Merkelwende und wenden uns dem absoluten, alters- und alternativlosen Mode-Accessoire zu. Und weil es gerade so schön in die Semantik passt, den Wendewesten, beidseitig tragbar. Kein beige oder khaki – knallbunt, wenn es denn sein muss auch in schwarz. Kein Leder, keine Baumwolle, kein Loden – nein, ausschließlich atmungsaktive Hightech-Materialien! Unverzichtbar, die nicht zu übersehenden Logos der Hersteller, die aus einer ganz normalen Weste eine Haute Couture Weste schneidern. Sie prangen an prominenter Stelle, direkt über dem Herzschrittmacher. Was bei den Kargo-Westen die vielen Täschchen sind, sind bei den Westen die Steppvarianten und Reißverschlüsse. Waagerecht, diagonal oder rautenförmig lockern sie die eigentlich schlichte Struktur der Oberfläche auf. Personen mit unvorteilhaften Proportionen sollten darauf achten, dass sie nicht zu einem Zwillingsbruder des Michelin-Männchens mutieren. Ok, der Preis ist nicht allein vom Logo des Herstellers abhängig. Das Futter spielt eine wichtige Rolle. Daunen sind selbstverständlich kostspieliger als Plastikfüllungen. Da man diese allerdings nicht für jeden ersichtlich zur Schau stellen kann…. Aber gut.
Ganz ehrlich: Entgegen dem Titel ergibt sich in Westen doch einiges Neues! Hätte ich gar nicht gedacht.
Auslöser der Gedanken waren gestern, Mitte Juli 2017, bei 30°C, zwei Klassiker, die vor mir auf der Tennisanlage saßen. Einmal Khaki / Kargo, einmal Leder / schwarz.
Beim nächsten Westenkauf bist du als Berater dabei