Am Anfang stand der Adventskranz. Mit vier Kerzen bestückt, entflammt am ersten Advent, meist nur sonntags. Die lieben Kinderchen bekamen einen Klaps auf die Finger, wenn sie das Schmokeln mit den Tannennadeln nicht lassen konnten. Heimlich wurde in den Kleiderschränken der Eltern nach den Geschenken recherchiert. An den Weihnachtsmann oder das Christkind glaubten auch damals nur noch die Gepamperten. Überall duftete es nach Gebäck, heute nach Duftkerzen von Ikea. Es wurde viel getuschelt.
Früher war die Zukunft auch noch besser! Heute, heute ist die vorweihnachtliche, beschauliche Zeit voll durchdigitalisiert. Jingle Bells als Klingelton für eine neue Nachricht in den sozialen Hetzwerken. Auf den Adventskränzen züngeln elektrische Kerzen, die in der Dämmerung automatisch aufflammen. Der Weihnachtsbaum wird wie ein Schirm aufgespannt. Inclusive Lametta, mit Schnee aus der Sprühdose, Kugeln in Form von Pilzen, Bulldoggen im Weihnachtsmannmantel, Eulen, die noch dämlicher glotzen als die Bulldoggen, gefüllte Stiefel, zügellose Pferde, verwunschene Prinzen im Körper von Fröschen, Schneemänner, Teddys, Eisbären, Problembären und Erdbeeren, sowie unendlich weiterer Unsinn. Dabei fällt mir ein, dass ich meine Kugeln mit BVB-Logo leider nicht aufhängen darf. Das große Geläut schallt aus dem digitalen Radio. Auf Wusch vom Kölner Dom oder Ulmer Münster. Die Bescherung via YouTube, die Freude wird über WhatsApp verbreitet, Hosianna und Jauchzen per Twitter und ihr Kinderlein kommet mittels parship. Das Gebäck steht bereits seit Oktober in den Supermärkten als Sperre in den Gängen zur Kasse. – – – – – Eilmeldung: Soeben wurde eine allein einkaufende Person halbtot zwischen den Leb-Kuchen Barrieren gefunden. Sie hat den Ausgang nicht mehr gefunden. – – Und die Spendenmaffia verbreitet wieder Fotos von armen Kindern. Geschenke werden per Alexa geordert. Vom Sofa aus. Hermes der Götterbote rast durch die Städte und bringt die Bescherung auch noch am H-eiligabend bis 18:00Uhr. Kostenlose Rücksendung sowieso. Weihnachten, Tag der Freude, jedes Haus ein Freudenhaus. Seit letztem Jahr haben wir einem Räuchermännchen Asyl gewährt. Handgeschnitzt und –bemalt aus dem Erzgebirge, mit Räucherkerzen in den Duftnoten Advent und Weihnachten. Die Varianz muss ich allerdings erst noch erschnüffeln. Riechen beide nach abgefackelten Zweigen von denen man vergessen hat das Lametta zu entsorgen. Und die Bulldoggen.
Solange sich die Beschallung und Beleuchtung Indoor abspielt, ist es jedem sein persönlicher Geschmack. Wenn aber die optischen Terroraktionen Outdoor stattfinden, dann, liebe Freunde, dann wird aus dem Fest der Freude ganz schnell ein Fest der Apokalypse.
Büsche und Bäume die mit Weihnachten nichts zu tun haben, und unbelaubt ihren Winterschlaf halten, werden mit Lichterketten bestückt. Türen, Tore, Fenster, Dachrinnen, Treppengeländer – alles was draußen rumsteht wird erbarmungslos mit LEDs geknechtet. Einfach gräulich vor sich hin leuchtend oder mit einem hektischen Stakkato der Nachbarschaft auf den Hilda-Keks geht.
Übergroße Weihnachtsmänner in knallbunten, kitschigen Neonfarben sind vom Rentierschlitten auf ein Motorrad umgestiegen. Andere krallen sich lebensgroß an Balkonbrüstungen oder Hauswände. Hirsche und Rentiere tragen schwer an den leuchtenden Paketen. Bis zum Erbrechen gestaltete Weihnachtsbäume aus rostigem Eisen oder Plastiktannen verunstalten Gärten, Terrassen und Hauseingänge. Und zu allem Übel bombardieren Laser-Kanonen Hauswände mit Sternen und anderen wirren Symbolen. Jede Sekunde changierend in alle Regenbogenfarben. Manch einer installiert wahre Flutlichtanlagen, die jedem Bundesligisten zur Ehre gereichen würden. Warum gibt es keine Geschmacks-Polizei, die die Attentate auf Geist und Körper Unschuldiger ahndet? Mit drakonischen Knöllchen bei Zuwiderhandeln. Wer bietet dieser Umweltverschmutzung Einhalt? Ich kann mich einfach nicht um alles kümmern! Na dann: Besinnliche Weihnachten!
Ach, manchmal hilft Alkohol. Kann`s allerdings auch verschlimmern. Prost Neujahr!
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