Die Sichtweise auf bestimmte Ereignisse liegt immer im Auge des Betrachters. Da es von mir nicht unbekannt ist, dass ich stets eine spezielle Interpretation bevorzuge, möchte ich auch hier und heute meine eigene Reflektion auf die Vernissage gestern zu Papier bringen.

Vorweg bemerkt: Es ist mir ein besonderes Bedürfnis ein paar persönliche Worte über den Schaffenden zu verlieren. Als Mensch, Freund und Künstler kenne und schätze ich Axel Bleyer überaus und bewundere seine Arbeit und seine Arbeiten. Die Artefakte seiner aktuellen Ausstellung sind absolut sehenswert. Ein lohnender Blick auf seine beeindruckenden Bilder war uns vergönnt. Kreativität gepaart mit perfektem handwerklichem Können und einem sicheren Gespür für den richtigen Zeitpunkt etwas Außergewöhnliches auszulösen.

Zurück zum eigentlichen Geschehen. Es war eine weise Entscheidung ein wenig eher die Galerie aufzusuchen, um in Ruhe die Werke betrachten zu können. Trotz TV-Primetime fanden sich bei Zeiten Familie, Freunde und eine große Schar kulturaffiner Bürger in der Städtischen Galerie ein. Der und die ein oder andere hatten sich prächtig herausgeputzt, einige wenige hätte wenigstens ihr Schuhwerk putzen können. Aber die Kunst ist für alle da. Auch für, die sehen und nicht nur gesehen werden wollen.

Zur Begrüßung hatte sich die Oberbürgermeisterin persönlich auf die Einladung setzen lassen. Ich war angenehm überrascht, welch` passende Worte sie gewählt, dem erwartungsvollen Publikum darbot. Jaja, die Sprache der Kunstaffinen ist beileibe keine geläufige. Es stellte sich jedoch alsbald heraus, dass die passenden Worte buchstabengetreu so in der Einladung zu finden waren. Wahrscheinlich von des Meisters Hand höchstpersönlich verfasst. Augenblicklich geisterte mir Karl-Theodor zu Guttenberg durch den Kopf, dem einstigen Haargel- und Hoffnungsträger der unchristlichen unsozialen Union. Der Adel war ohnehin im deutschen Parlament unterrepräsentiert. Mir fallen im Moment lediglich Alexander Sebastian Leonce, Freiherr von Wenge Graf Lambsdorff, kurz Graf Lambsdorff, Konstantin von Notz, Beatrix von Storch und M. von Würselen ein, und natürlich der Hochadel aus Niedersachsen: Flinten Uschi, Ursula von der Leyen. Die Herrin über ein Heer von Freiwilligen und dem größten militärischen Schrotthaufen aller Zeiten. Das Gerede fand trotz meiner gedanklichen Fremdgänge seine Fortsetzung und die Frau OB reichte das Wort sinnbildlich an Herrn Prof. Dr. Dingenskirchen weiter. Übrigens schneller als im weiten Rund befürchtet.

Dem Lehrkörper der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe widme ich zwei eigene Absätze. Als beredeter Laudator ließ er es sich nicht nehmen darauf hinzuweisen, dass er gerade an einem Buch arbeitete, welches sich überraschend mit dem Thema Kunst beschäftigte. In Karlsruhe bereitet er seine Studenten auf ein Leben als Künstler, Laudatoren oder Taxifahrer vor. Er ergriff sogleich beherzt das dargebotene Wort. Ohne großen Prolog kam er direkt zum Thema und auf die staunenden Besucher regnete ein Schatz von bisher ungehörten Worten nieder. Deren Münder wuchsen in Dimensionen, die einer Zahnbehandlung zur Ehre gereicht hätten. Andere zogen sich gekonnt in ihr inneres Ich zurück, was erfahrungsgemäß mit geschlossenen Augen nahezu perfekt gelang.

Normalerweise reicht dem erwachsenen Erdenbürger im Alltag ein Wortschatz von ca. 400 Wörtern. Der durchschnittlich gebildete Sprecher verfügt über ein Depot von 4.000 bis 10.000 Wörter und Johann Wolfgang von(!) Goethe gar von 80.000. Andererseits kommt ein amerikanischer Präsident spielend mit 280 Zeichen aus! Die Wortgewalt des Prof.Dr.Dingenskirchen hingegen übertraf alle Erwartungen. Mein zunächst gehegter Gedanke, die Unbekannten später zu googeln, scheiterte bereits zu Beginn des zweiten Absatzes mangels ausreichend Speicherkapazität. Ich ließ es einfach geschehen und fand mich mit der Schmach ab, als Unwissender unter der staunenden Menge mein jämmerliches Dasein zu fristen. Plötzlich und unerwartet für alle Anwesenden endete die Laudatio. Waren ihm die Worte ausgegangen? Oder zeigte er ein Einsehen mit den offensichtlich hoffnungslos überforderten Kleingeistern?

Wie dem auch sei. Jetzt schlug die Stunde der üblich verdächtigen Intellektuellen. Im Nu fand sich der Kreatör und Wortschöpfer umringt von Bewunderern (ich erspare mir die beiden verbleibenden, politisch korrekten Genderansprachen. Man möge es mir verzeihen!), die ihn umgehend mit intelligenten Fragen löcherten, um ihren schier unendlichen Wissensdurst zu löschen. Der Großteil der kunstaffinen Anwesenden löscht dagegen seinen Durst am Buffet(t) mit einem Gläschen Prosecco.

Zu guter Letzt: Möge dem kunstschaffenden Lichtbildner der kreative Blick erhalten bleiben, damit er uns noch viele bildschöne Artefakte präsentieren kann!