scharfsinnig - unsinnig - kurzweilig

Monat: März 2017 (Seite 3 von 5)

Le Tour de France

Le Tour de France: 12.05.2015

Geplante Abfahrt wie immer – 09:30 Uhr Start mit dem Auto. Die Vorfreude währte nicht lange: Vollsperrung der A5 zwischen Appenweier und Achern – der Stau allerdings machte sich bereits kurz nach Offenburg breit. Er bremste auch die Euphorie. Prompt hatte ich auch schon Schorschi am Ohr. Aufgeregt wie immer. Meine voraussichtliche Ankunftszeit sorgt nicht zwingend für Entspannung. Da ich mich jedoch auch im Auto auf eine überdurchschnittliche fahrerische Qualität verlassen kann, erreichte ich Schorschi rascher, als vom Navi prophezeit. Man kann sich eben auf nichts mehr verlassen. Außer natürlich auf mich selbst. Von Schorschi sah ich zunächst nur den Po aus der Garage ragen. Der Kopf war tief in einem Regal verschwunden, unterhalb der Polinie. Was er suchte bleibt nach wie vor im Verborgenen. Für diesen Bericht aber auch in keinster Weise relevant.

Nach der Besichtigung und Bewunderung seiner neuen Errungenschaft stürmten wir elanvoll los. Der Tag versprach schwül und heiß zu werden. Mit einer gehörigen Portion Rückenwind ging es flugs an die Eroberung des sogenannten befreundeten Nachbarstaates.

Kaum hatten wir Vater Rhein zur Hälfte überquert, änderte sich schlagartig alles. Aus dem Fahrrad wurde Velo, wohl, weil es sich aus den Wortfetzen Ve-Ventile sowie Lo- von Losfahren zusammensetzt. Wer mag sich in die Gedanken dieser Gallier versetzen? Außerdem wird aus Weckle = Baguette, aus Ortenaux = Bordeaux, und aus Schorschi = Djorsch, respektive Charlie. Die Betonung liegt auf dem „I“. Aber ich komme vom Thema ab.

Die erste Baustelle zwang uns bereits zu ersten undurchsichtigen Zickzackkursen. Mitten durchs Gebiet der Damen, die nicht nur fehlerfrei französisch zu sprechen vermögen. Mich quälte der Gedanke, warum man ausgerechnet von horizontalem Gewerbe spricht, da sie doch zunächst ihre Dienste vertikal, also aufrecht stehend offerieren. Wie dem auch sei, mit ein paar freundlichen Worten und der Vertröstung auf das nahende Wochenende radelten wir unvollrichtet weiter in Richtung La Wanzenau.

Teilweise machte sich größte Bewunderung über die gnadenlose Ortskenntnis von Schorschi in mir breit, wie warmer Glühwein an einem frostigen Winterabend. Da sich die Temperaturen allerdings anschickten die 30°C Marke locker zu nehmen, kam die Abkühlung schneller, als ersehnt. Erste ratlose Blicke schweiften über Flora und Fauna der Hoheitsgebiete unserer Erbfeinde. Meine vorsichtige Frage nach seinem Falk wurde mit dem Hinweis auf die fehlende europäische Software nur abweichend beantwortet. Was das Vertrauen in das geographische Wissen des Planers leicht erschütterte. Sicher wollte er mich mit dem Hinweis auf das natürlich mitgeführte analoge Kartenmaterial in Sicherheit wiegen. Zweifel blieben. Mit Recht, Schuld waren keinesfalls die fehlenden europäischen Seiten, sondern ausschließlich die bekannte Vergesslichkeit Schorschis. Da mir jedoch klar war, dass auf der einen Seite nur Vater Rhein unserer Tour eine natürliche Begrenzung bilden konnte, und auf der gegenüberliegenden Seite die Vogesen, nach vorn Paris und entgegengesetzt Basel, kehrte ein wenig Sicherheit zurück bei der Wahl der möglichen Varianten der Route.

Die Blütenpracht in den Auwäldern spendeten zwar allerlei Schatten, ermunterten jedoch die Nasenschleimhäute zu Juckreizen und Ausflüssen. Landauf, landab werden ganze Bevölkerungsschichten von allergischen Reaktionen geplagt. Unabhängig von Geschlecht und gesellschaftlichem Stand. Es gibt hier doch eine Gerechtigkeit, auch wenn Besagte ihre Nasen darüber rümpfen. Müssen. Mit abnehmender Distanz zum Stadtzentrum sorgte der Wechsel von Pollen zu Bollen für weitere allergische Erektionen. Eine erneute Geisel unserer, von kurzen, aber heftigen Irrfahrten, geschundenen Körper. Wir lechzten nach geistiger und körperlicher Reanimation. Die Wahl der vielversprechendsten Herberge viel auf einen schattigen Innenhof, in denen einer gewissen Beinfreiheit zum Entree zu gehören schien. Was, neben der kühlen Azoischere den nachhaltigen Erfolg unserer ersehnten Reanimation garantierte.

Nur ungern brachen wir wieder auf. Die Zeit lief uns davon – ich hatte Gattin, geliebter, versprochen, beim Packen der Koffer bei Zeiten zur Hand zu gehen. Die Gedanken hingen noch lange an dem schattig lauschigen Plätzchen der Kurzweil, als wir uns den Weg kurzatmig durch die heißen, schwülen Häuserschluchten bahnten. Ohne unser Ziel aus den Augen zu verlieren kämpften wir uns wieder auf deutschen Mutterboden zurück. Die Sonne stand im Zenit, der aufbrausende Wind brachte weder die ersehnte Kühlung noch sorgte er für den erhofften Schub. Ganz im Gegenteil – der Wind blies uns föhnig kräftig ins Gesicht! Wie gesagt, es war alles andere als ein kühlender kalter Wind von vorn! Warum wir auf all unseren Touren ausgerechnet auf dem Rückweg generell gegen den Wind von vorn abstrampeln müssen bleibt ein Geheimnis der Natur und Meteorologen. Ob Kachelmann hier zu nachvollziehbarer Aufklärung hätte beitragen können, weiß nur er selbst – höchstens noch die gnadenlose Alice Schwätzer, die hinter jedem männlich benannten Tief einen potentiellen Macho vermutet. Mögen uns die wirren Verschwörungstheorien der Steuerhinterzieherin verschonen, und der Patron der Radler beim nächsten Mal gesonnen sein. Man dürfte uns dann ruhig Veloioten nennen. Oder so ähnlich. Bon soir!

 

Thor-Tour / ProLog

Thor-Tour / Pro Log 21. April 2015

Die Kontertour erfolgte bereits eine Woche drauf. Schorschi stand in der Pflicht alles für die Fahrt ins Gallierland zu planen. Abfahrt Eckartsweier, gleiche Zeit, eben nur ohne einen unerwarteten Werstattaufenthalt. Ich war auf alle denkbaren und undenkbaren Ereignisse mental vorbereitet. Schorschi hüpfte bereits auf der Straße vor dem Haus aufgeregt herum. „Wir müssen uns beeilen, der Zug fährt um 11:00 Uhr ab. In Appenweier. Wir fahren nicht ins Gallierland!“ Auch gut, dachte ich.

Schorschi fröstelte noch ein wenig. Jacke an, und kräftig in die Pedale getreten, der Zug ins Renchtal wartete nicht auf uns. Natürlich hatten wir Gegenwind. Aber erfahren, wie wir bei unserer zweiten Tour nun schon mal waren, schafften wir es locker! Eine ganze Viertelstunden vor Abfahrt. Das war auch dringend erforderlich, denn Schorschi übernahm das Kommando am Fahrkartenautomaten. Gruppentiket mit Fahrrad oder Rentnerermässigung, alles Felder, die die Bahn nicht vorgesehen hatte. Ebenfalls die mögliche Variante, das Schorschi als Behinderter und ich als Betreuungsperson kostenlos mitreisen dürfte. Hinter uns wurde die Schlange länger und ungeduldiger. Nach ein paar gut gemeinten Ratschlägen nervös werdender Passagiere, ließ sich unser Teamleader überzeugen, die beiden Tickets einzeln zu erwerben. Geld war nicht zu sparen, aber Zeit, was in diesem Fall die sicherste Lösung zu sein schien. Nach wenigen Sekunden waren wir stolze Besitzer der Billetts nach Oppenau, und entspannten dadurch zusehens die ernste Lage unter den kartenlosen, potentiellen Mitreisenden.

Ein zwei waggongiger Triebwagen, ohne Speisewagen, fuhr überraschend pünktlich ein. Die Räder waren behänd verstaut. Ein platzsuchender Blick in das Innere des Triebwagenabteils ließ uns realisieren: Wir waren nicht allein. Lauter Rentner mit offensichtlich ähnlichen Zielen. Stockenten, Stockerpel, und auch zwei Radler. Angeber, ausgestattet mit rot / schwarzen Satteltaschen von Ortlieb. Aber Ih-Bike! Da waren wir doch sofort als die wahren Helden der schieren Muskelkraft auszumachen. Entsprechende Körpersprache dokumentierte unsere sportliche Überlegenheit eindrucksvoll.

Lässig ließen wir uns auf den nächsten freien Plätzen nieder. Die Räder, wie von bewunderungswürdigen Profis erwartet, sicher im Vorraum verstaut. Sicher? Ja, bis zum ersten Halt. Der Triebwagenkutscher fuhr aber auch wie ein Arsch! Unsere Überlegenheit bekam erste kleine Kratzer. Wir überspielten sie lässig, selbstbewusst.

Zu unserer Überraschung hielt der Triebwagenkutscher nahezu an jeder Milchkanne. Und nahezu an jeder Milchkanne, wankten unsere, mit reiner Muskelkraft betriebenen Räder, aufs neue. Wir blieben dann zu ihrer Absicherung in ihrer Nähe. Was auch Sinn machte, nicht nur zur Beruhigung der restlichen Fahrgäste. Nach unzähligen Milchkannen erreichten wir Oppenau. Die Angeber fuhren noch ein paar Stationen weiter. Typisch. Aber Ih-Bike! Lächerlich!

Ganz im Ernst, die Tour war wesentlich einfacher zu planen, als meine. Es ging einfach nur das enge Tal runter. Wobei ich mir recht bald die Frage stellte, wieviel Bergauf Passagen gibt es eigentlich auf einer Bergabstrecke? Ich machte mir ernsthaft Sorgen um die Kondition des Freundes, der allerdings in den hurtigen Abfahrten rasch wieder zu Atem kam. Es ist eben doch ein Unterschied zwischen nur elegantem Fahrstil und besonders ästhetischer und gleichzeitig routinierter Steuerhoheit und perfekter Beherrschung der Pedale.

Nach gut einer Stunde hatten wir alle Milchkannen in entgegengesetzter Richtung wieder hinter uns gelassen, und fuhren unter dem tosenden Beifall der Einheimischen und etlicher von Nah und Fern angereister Schaulustiger und Touristen in Oberkirch ein. Die Eisdiele mit Sonnenplätzen lud uns zum Verweilen ein. Die Bedienung, offensichtlich keine Eingeborene, maßregelte mich, da ich unvorsichtiger Weise meine 3 Kugeln Eis, Málaga, Joghurt-Kirsch und Nuss, in der Tüte bestellen wollte. „Tüte nur to go!“ Draußen nur Kännchen! Es war ein wunderschöner Tag, blauer Himmel, die vielen Deppen, die in den Besprechungszimmern sitzen und um Konditionen feilschen, und wir gesund und glücklich in Oberkirch in der Eisbude. Eine Diskussion über den unübertroffenen Vorteil von Eis in Tüten kam mir nicht in die Tüte. Ich ignorierte diese schwachmatige Regel, von der, da war ich überzeugte, der Herr der kühlen Köstlichkeiten, womöglich keinen blassen Schimmer hatte. Sei’s drum.

Wir nahmen rasant wieder Fahrt auf, allerdings nur bis zur nächsten Steige, deren noch etliche folgen sollten. Das Profil der Route war unserer Qualifikation durchaus würdig. Schorschi musste sich fortan und wiederholt auf seinen Falk verlassen. Ich möchte an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, das es an Ortskenntnis hier und da ein wenig mangelte. Dennoch erreichten wir unser nächstes Etappenziel.

Mit sorgenvoller Miene und leerem Magen bogen wir in den Hinterhof zum Bauhöfer in Ulm ein. Jeder Blinde, mit mehr als ein, zwei schwarzen Punkten auf gelber Armbinde konnte erkennen, wie sich leibhaftige Verwunderung in die Gesichtszüge von überdurchschnittlich intelligenten Mitteleuropäern meißeln kann. An einem ganz ordinären Dienstag tummelten sich rudelartig Veloisten aus allen Herren Ländern vor Starkbierhumpen im traditionellen Biergarten. Dass wir dennoch auf Abhieb einen halbschattigen Platz fanden, war meiner Übersicht und Reaktionsschnelligkeit zu verdanken. Wenn man nach der Bedienung auf die Karte hätte schließen müssen, wären die Knödel besonders empfehlenswert gewesen. Schorschi lobte den Erdäpfelsalat, für den wir uns dann auch spontan entschlossen, und diesen im Dialog mit einem Pärle Wienerle. Die Enttäuschung war groß, der ausgelobte Erdäpfelsalat ließ jede Würze vermissen. Aber auch jede. Die Wienerle schmeckten ordentlich und mit neidischen Blicken auf die Knödel verfeinerten wir mit ordentlich Salz, Pfeffer und Senf den Unwürzigen – ohne jedoch schmeckenswerte Hochgenüsse erzielt zu haben.

Zum Entsetzen der unschuldigen Überbringerin des Unwürzigen, bestellten wir noch drei Grillvögelchen aus der Volliere. Aber nur von den gelben Sittichen. Der Scherz wurde alsbald entlarvt und wir zahlten unter Kopfschütteln der Trinkgelderwartenden. Trotz allem. Die Sondermengen Salz, Pfeffer und Senf blieben unberechnet.

Wohl genährt wurden die verbleibenden zwanzig Kilometer unter die Pneus genommen. Nach einigem Hin und Her, mehreren konzentrierten Blicken auf den Falk, und einer Ehrenrunde um ein frühsommerlich zart erblühtes Erdbeerfeld beendeten wir wohlbehalten den Pro Log. Unter dem Strich viel der Vergleich zur ThorTour bemerkenswert ausgeglichen aus. Knapp unter 60 Kilometer, Stundenmittel knapp über 18, keine besonderen Vorkommnisse. Teil 3 kann kommen. Wenn jemand bereit ist, dann wir!

 

 

 

 

 

Thor-Tour

Thor-Tour 1 / 15. April 2015

Als das Telefon um 09:30 Uhr seine nervige Melodie abspielte, schoss mir spontan durch den Kopf: Aha, pünktlich!

Die Großwetterlage war nur geil, wolkenlos bis 27* C am Oberrhein waren avisiert. Perfekt, um die ersten Kilometer in Angriff zu nehmen. Mit Schorschi hatte ich zwei Tage zuvor besprochen, dass er sich meldet, wenn er Zuhause startet. Doch es kam ganz anders. Er war bereits unterwegs, allerdings zu einem ungeplanten Zwischenziel.

Schon seit Monaten drohen wir uns gegenseitig diese ThorTour an. Der Ruhrradwanderweg war auserkoren – die positive Entscheidung dafür ist heute nicht mehr rationell und logisch nachvollziehbar. Spielt auch für den eigentlichen Verlauf des Tages lediglich eine untergeordnete Rolle. Fakt ist, wir wollten eine gemeinsame Pre Tour auf uns nehmen, um in Sachen Tempolimits, aktuelle Gesprächsthemen, unvermeidliche Eisdielenstopps, Harmonisierung der Gänge, Reifendrücke, Klingeltöne und der Luxzahl der Vorder- und Rückleuchten abzustimmen. By the way sollten parallel die offenen Fragen geklärt werden, wann startet die Tour, wie kommen wir zum Start, wie zum Ziel und wie wieder wohlbehalten in den Schoß der Lieben zurück. Leider unverzichtbare Nebensächlichkeiten, wie Übernachtungen schlechthin, Beginn der Nachtruhe und tolerierbare Ausnahmen, christliche Zeiten fürs Morgengebet, realistische, überschaubare Tagespensen, Pausenzyklen, die halbwegs im Verhältnis zur erforderlichen Fahrradfahrzeit stehen, Anzahl der Eiskugeln in den jeweiligen Etappen, Gepäcktransportservice kontra Satteltaschen, Promillegrenzen, generell und unter besonderer Berücksichtigung edler ungarischer Tropfen, die Verwendung der von der Deutschen Doping Agentur zugelassenen Gesässsalbenmarken, das Für und Wider von Klappreisezahnbürsten, die Einnahme von Bergsteigermüsli auch in der Ebene, der ordentliche Umgang mit den fanatischen Bewunderen, ins besondere der begeisterten weiblichen, während der rasanten Fahrt, in den Rastpausen, beziehungsweise in den Quatieren etc. konnten noch nicht hinreichend, zur Zufriedenheit beider Parteien geklärt werden.

Um exakt 09:31 Uhr waren zunächst alle guten und sinnvollen Vorhaben es Tages bereits Makulatur. „Ich muss erst in die Werkstatt, es wird später. Ich berichte dann exklusiv und detailliert.“

Wirklich unerwartet kam diese Botschaft nun wirklich nicht. Die jahrzehntelange Erfahrung der Zweisamkeit lehrte mich geduldig diesen Katastrophen zu stellen. Ich verzichte hier und heute näher auf all die prägenden Erlebnisse einzugehen, noch nicht einmal auf einige Highlights.

So erwartet wie die Verschiebung der Startzeit kam, so unerwartet rauschte Schorschi unter hektischem Gehuppe auf den Hof. Gerade einmal 30 Minuten später stand das leibhaftige Chaos zur Abfahrt bereit. Ich müsste Lügen, wenn die folgenden Stunden nicht recht ereignislos verliefen. Kaffeepausen, zahlreiche Eisdielenbesuche und eine insgesamt pannenlose Tour ließen uns den strahlenden Tag harmonisch genießen. Bis auf, ja bis auf die Mächte der Natur. Auf den letzten Kilometern, das traute Heim bereits vor Augen, frischte der böige Wind zur Orkanstärke auf. Die ersten Dachziegel lösten dich von den Dächern, leichte und löse Gegenstände flogen umher, Mensch und Tier hat sich in die sicheren Behausungen zurückgezogen. Aber für diese Naturgewalten war Schorschi nun wirklich nicht verantwortlich zu machen. Letztendlich erreichten wir, auch, wenn wir die letzten Kräfte mobilisieren mussten das schützende Zuhause. Weib und Kind waren die Erleichterung über die glückliche schadlose Heimkehr der Probanten deutlich anzusehen. Seinen eleganten Fahrstil konnte Schorschi natürlich nicht über die gesamte Distanz beibehalten, der Stolz der allgegenwärtigen Gefahr und des aufbrausenden Sturms getrotzt zu haben ließ uns dieses Manko schnell in Vergessenheit geraten. Als Nachtrag sei erwähnt, dass Schorschi allerdings das Windschattenfahren schamlos ausnutze, und als billige Entschuldigung meine geographisch herausragende Ortskenntnis vorschob. Aber ich werde Gelegenheit bekommen mich zu revanchieren. Beim nächsten Hoch in der Wanzenau zum Beispiel.

 

Au Weih-Nachtsmarkt

Wenn sich die letzten Vogelscharen nach Süden verzogen haben, fallen die Weihnachtsmärkte ein, wie eine biblische Plage über Städte, Gemeinden und Dörfer. Vergleichbar mit den Heuschrecken, die die ägyptischen Hirsefelder regelmäßig heimsuchen. An hoffnungslos zugeparkten Straßen und Gassen erkennt man: Hier findet ein Weihnachtsmarkt statt. Und endlich macht sich auch der SUV bezahlt, da es sich nicht vermeiden lässt, auch einmal auf einem unbefestigten Seitenstreifen parken zu müssen.

Bunte LED-Lichterketten künden schon von Ferne das nahe Inferno an. Unsere lieben Kleinen werden zu unserer Beruhigung umgehend mit einem Laserschwert bewaffnet, mit dem sie ununterbrochen in der Menge herumfuchteln. Zwischen all den Beinpaaren werden auch Vierbeiner ohne Rücksicht auf Verluste herumgezerrt. Die verängstigten Tiere wissen gar nicht in welche Wade sie zuerst Beißen sollen. Selbst ein freundschaftliches Schnüffeln am Hinterteil eines Leidgenossen fällt dem hektischen Treiben zum Opfer.

„Hallo, seid ihr auch auf dem Weihnachtsmarkt?“ Grüßen nach ein paar Metern die ersten Bekannten. Die Antworten sind ebenso genial: „Nein, wir gehen erst morgen“, oder, wahrheitsgemäß „Wir sind gerade erst gekommen“. Wie Krimis im Fernsehen, so wiederholt sich dieses Ritual mit jedem weiterem Vordringen – ohne irgendwelche Nuancen bei den Gesprächsthemen.

Das Schöne an Weihnachtsmärkten sind ohne Zweifel die Düfte. Von Anis bis Zimt sind sie allerdings ausschließlich in Form von Duftkerzen zu erschnüffeln, welche die fantasievollen Bezeichnungen tragen, wie: Adventszauber oder Weihnachtstraum oder X-Mas-Taste. Traditionsbewusste Duftkerzenanbieter tendieren gelegentlich auch zu Bratapfel oder Lebkuchen oder so. Diese Köstlichkeiten selbst wurden jedoch auf dem Altar des schlechten Geschmacks geopfert. Döner und Pizza animieren mit Knoblauch und allerlei exotischen Röststoffen zum Verzehr. Rostbratwürste konnten sich erstaunlicher Weise nach wie vor behaupten – vegetarisches Tofugullasch und vegane Labberlinge bereichern das Niveau des Speisenangebotes leider abschreckend. Wer glaubt, der klassische Weihnachtspunsch sei das kulinarische Highlight, der irrt gewaltig. Roter und Weißer Glühwein, verfeinert mit den Resten aus der Café-Freiluftsaison wie Amaretto, Cointreau oder mit einem Hauch von Orange bringen die Wangen zum Glühen. Und für unsere Hardcoretussen wird selbstverständlich Grüner Tee, Ingwertee und Kompositionen von Bachblüten aufgebrüht. Oh du Fröhliche!

Bei den Sortimenten des Schreckens rangieren die selbstgestrickten Socken ganz oben in den Weihnachtsmarkt-Charts. Und zwar deutlich vor den Namensschildern und Hausnummern aus Salzteig! Und wer einmal das Leuchten in den Augen von Müttern, Schwiegermüttern und Omas gesehen hat, der erkennt auch den Grund für diese Pole Position. In unzähligen Farbvarianten, ob uni, genderneutral, meliert, gestreift oder kunterbunt – Hauptsache sie trotzen Väterchen Frost. Vorbei sind die Zeiten der kratzenden Wollen, die Generationen von Kindern an den Rand des Wahnsinns getrieben haben. Und vorbei sind die Zeiten, in denen alte Pullover aufgezogen wurden und einen neuen Sinn in einem Paar Socken gefunden haben. Der Fußschweiß sorgte für rasches Verfilzen, was ihre isolierende Wirkung jäh reduzierte. Doch das Repertoire Wollwohlfühlartikel beschränkt sich keinesfalls auf Socken. Schals, mit und ohne Enden, Mützen und Kappen, Handschuhe, mit und ohne Finger, Eierwärmer und allerlei weiteres Unnützes zeigen den ganzen Ideenreichtum der Strick Liesels. Begeistert haben mich auch die Shorts mit ihren lustigen Weihnachtsmotiven. Nikoläuse, Tannenbäume, Christbaumkugeln, Knecht Ruprechts mit Sack und Rute verzieren das Darunter mit und ohne Eingriff. Ihr Kinderlein kommet!

Sobald besorgte Helikoptereltern ihren Nachwuchs in Richtung SUV zerren, erscheinen die ersten Singles. Man erkennt sie sofort an ihrem weihnachtlichen Outfit. Nikolausmützen, Mützen mit Blinklichtern anstelle der althergebrachten Bommel oder Alpakakappen mit Elchgeweih zieren ihre Häupter. Ungeachtet aller Köstlichkeiten und erwärmendem Strickwerk steuern sie zielstrebig den Glühweinständen zu, von dem sie sich im Laufe des Abends nur kurz zum ToiToi verabschieden. Der Andrang auf die heißen Köstlichkeiten führt nicht selten zu Verwirrungen des ungeschulten Personals. Die Ausgabe von Pfandmarken bei größeren Bestellungen, der Tausch der Gläser und Tassen „alt gegen gefüllt neu“ und fehlendes Wechselgeld lassen leichte Panik aufkommen und die hektischen Flecken im Gesicht sind keinesfalls auf den Genuss des Pansches zurückzuführen. Bedeutend ruhiger und entspannter geht es bei der Bewirtung in Einwegbechern zu. Platzsparend ineinander gestapelt gibt nur der Verbrauch des schwindenden fossilen Rohstoffes Anlass zur Sorge. Für die Entsorgung ist vorausschauend gesorgt. Alle Jahre wieder!

Adventliche Stimmung beschert uns auch die Beschallung aus Aktivboxen unter Einbeziehung von Blue Tooth. Aus jeder Bude plärren wechselweise Kinderchöre, gemischte Kirchenchöre und Flötenspiel im Einzelvortag oder Gruppen. Gelegentlich hört man auch ein zartes Glockenspiel. Die engelsgleichen Weisen gehen leider im all-gemeinen Singsang unter. Ich stelle mir ernsthaft die Frage, ob nicht doch Helene Fischer, Xavier Naidoo oder Peter Maffei eine wohltuende akustische Abwechslung wären. Ich verwerfe den Gedanken dann aber doch recht bald wieder zu Gunsten eines weiteren Glühweins (weiß) ohne Schuss. Schluss!

Frohe Weihnacht!

Abgefahren

Wer beim Kauf eines neuen Automobils die kostenlose Sonderausstattung „Entfall des Typenschriftzuges“ wählt, trägt sich vorausschauend mit dem Gedanken Platz zu schaffen. Platz für allerlei Aufkleber, die dem folgenden Fahrer wichtige Hinweise geben, ohne die ein Fahren auf unseren Straßen zwar erforderlich aber eigentlich sinnlos ist. Auch ohne Typenschild kann man somit schlüssig auf den Typ Fahrer, bzw. Besitzer schließen. Quasi wird das Innere der Kraftfahrzeugsteuerzahler außen auf die Karosserie gekrempelt. Exakter: Aufs Heck. Vorne sind die begehrten Plätze bereits reserviert für Umweltplakette, Beleuchtungstest, Schweizer Vignette, österreichisches Pickerl, Kerbtiere und Steinschlag. Urlaubsfreudige Rentner sind stolz auf ihre Sammlung kompletter Jahrgänge von Schweiz Passagen.

Während die Frontscheiben-Beklebungen zum Großteil nationalen und internationalen Straßenverkehrs-Verordnungen folgen, dienen die Rückscheiben- und Heckklappen-Beklebungen eigentlich niemandem. Sieht man von einer Bereicherung der Aufkleber produzierenden Industrie einmal ab. Selbst eine optische Verzierung der Vehikel trifft höchstens für die Rostlauben von Studenten und ewigen Altsechzigern zu. Hier beherrschen „Atomkraft nein Danke!“, „Make peace not war“ oder „Morgens einen Joint, und der Tag ist dein Freund“ die verblassten Farbflächen der Oldtimer. Die Anbringung der Pläppser lässt in der Regel eine gewisse Gradlinigkeit und Ordnung arg vermissen.

Im krassen Gegensatz dazu sind die liebevoll aufgebrachten Verzierungen auf vorzugsweise Vans. Perfekt, auf den Punkt genau, weisen die Kleberle auf die Reproduktionen der Plakatierer hin. Neutrale Hinweise wie: „Baby on Board“ sind eher enttäuschend. Sie mögen entschuldigt sein, wenn die auserkorenen Namen der Sprösslinge für Normalos kaum nachvollziehbar sind, und deshalb von der Industrie tunlichst gemieden werden. Man möchte schließlich nicht auf Dakota-Blue oder so sitzen bleiben. Die korrekten Bezeichnungen auf die Nachkommen sind in jedem Fall zu empfehlen. Der oder die Erstgeborene wird auf die linken Seite geklebt, es folgen rechts die Zweit- und ggf. Drittkinder. Bei Empfängern höherer Kindergelder sieht man auch schon mal Anordnungen übereinander. Bei ungeraden Zahlen ergibt es allerdings ein unsymmetrisches Bild. Ob hier ein späterer Ausgleich in Planung ist, bleibt unerwähnt.

Äußerst beliebt sind auch alle Arten von Bekenntnissen zu Zielen im Urlaub, Mitgliedschafften in Vereinen oder Teilnahme an Aktionen. Beispielhaft seien nur diese Renner genannt: „Feuerwehr Brandeck“, „Lauf in den Mai“, „I like Sylt“, „Ich bremse auch für Bremsen“, „Stoppt Tierversuche, nehmt Opel-Fahrer!“ Für Hinweise weiterer Exemplare bin ich äußerst dankbar. Also: Augen auf im Verkehr!

12.Mai 2016

Alle Jahre wieder.

Wenn sich die November Depression zu ihrem Höhepunkt kumuliert, ist die Adventszeit nicht mehr fern. Und damit das heilsamste Mittel gegen den Trübsinn. Jedenfalls für den einen Teil der Menschheit. Diese Zeitgenossinnen verfallen in einen hektischen Dekorausch und vertreiben Nebel, Niesel und den moderigen Geruch welker Blätter. Auf Schritt und Tritt stolpert Mann über Kugeln, Kerzen, Lichter, Räucherstäbchen und co. Kränze aus den abenteuerlichsten Materialien, Gestecke und Mistelzweige säumen Flure, Tische, Sideboards, Türen, Fensterläden, Terrassen und Freiflächen aller Art. Kein Platz ist vor ihnen sicher! IKEA meldet Jahr für Jahr neue Umsatzrekorde mit Teelichtern, die es inzwischen in zwei praktischen Größen zu erwerben gibt. Übrigens ist es eine Mär, dass Teelichter ausschließlich bei IKEA angeboten werden. Vom Ein-Euro-Shop über XXL bis in jeden Tante Emma Laden – Dekoartikel stehen in allen Gängen, toten Ecken und versperren den freien Weg in die Kassenzonen. Selbst vor Tankstellen macht das Repertoire nicht halt, und man wird neben einem Kaffee to go und dem Kratzer „Scheibenfrei“ zum Kauf von Lichterketten, Lametta, Engeln und Nikoläusen angehalten.

Während die ersten Lebkuchenherzen bereits Anfang Oktober vernascht wurden, findet der obligatorische Kuss unter dem Mistelzweig aus Zeitmangel kaum noch statt. Und wenn, dann nur flüchtig und lieblos hingehaucht. Sollte es in der Rechtsprechung bei Scheidung noch die Schuldfrage geben, die Dekorateurinnen hätten schlechte Karten. Natürlich nur die verheirateten.

Pünktlich zum ersten Advent öffnen auch die Weihnachtsmärkte. Und ich bin mir sicher, dass der Glühwein zur Besänftigung der Duldsamen erfunden wurde. Wie sonst könnte Mann die besinnlichen Tage überstehen?

Wer glaubt, dass in Kellern, Garagen und auf Dachböden jetzt gähnende Leere herrschen würde, weil Engelchen und Kollegen das traute Heim in Gänze erobert haben, der irrt. Täglich erweitern neue Wesen das üppige Sortiment. Und ganz ehrlich: Wer kann dem Liebreiz der Figürchen schon widerstehen, die in unser Leben unversehens wieder Einzug gehalten haben? Um fürs neue Jahr Platz im Hobbyraum für sinnvolles handwerkliches Tun zu schaffen, sollte Mann sich bei Zeiten um das Anmieten einer vakanten Lagerhalle bemühen. Für die ersten Jahre wäre sicher eine Partnerschaft mit Gleichgesinnten erstrebenswert, sofern man sich über eine unverwechselbare Kennzeichnung des Eigentums verständigen kann. Deko-Sharing ist unter den Aktivistinnen leider verpönt. Man will jährlich neue, eigene Reizpunkte setzen. So bleibt der ganzen Herrlichkeit nichts anders übrig, als reichlich Glühwein zu konsumieren und geduldig auf den Dreikönigstag zu warten, wenn die Rumstehchen wieder sorgsam verpackt im Sommerlager verstaut werden.

Annexion des Westens

Mal ganz ehrlich, im Grunde ist für die Krim der Weg zurück in den Schoß der Russen ein nachvollziehbarer Schritt. Und der gebildete Mitteleuropäer verkraftet ihn sicher locker, wenn auch unter runzeliger Stirn, da sie sich weder als bevorzugtes Reiseziel, noch als auserkorener Lieferant erlesener, edler Tropfen eine nachhaltige Marktposition erworben hat. Auch, wenn der Begriff des „Krim-Sektes“ in aller Munde ist, so beprickelt und bespasst er seltenst die Gaumen renommierter Trinker. Also im doppelten Sinne kein wirklicher wirtschaftlicher Verlust.

Weitaus nachdenklicher sollte uns der Weg der östlichen Eingeborenen durch die westlichen Instanzen stimmen. Hier hat doch nicht nur eine heimliche Annexion des Westens bereits stattgefunden, sondern bereits eine unheimliche.

Betrachten wir unsere Region einmal intensiver. Ein untrüglicher Beweis für die friedliche Übernahme kann an Werktagen ab 08:00 Uhr beim Amt zum An-, Ab- und Ummelden von Kraftfahrzeugen bestaunt werden. Invasionsmässig erstürmen Horden von Putins Vasallen diese Behörde. Gönnen Sie sich eine Atempause und inhalieren sie die Ausdunstungen bolschewickischer Duftfassetten. Ein harmonischer Mix aus blutdrucksenkendem Knoblauch, gepaart mit Nuancen von hochprozentigem Vodka, umhüllt von einer Note badischer Tabake und abgerundet von betörenden, maskulinen, moschusähnlichen Uraromen machen jede Sekunde der Wartezeit zu einem unvergessenen Erlebnis.

Unter den fiskalischen Gesichtspunkten gewinnt eher die Region um Baden Baden. Während sich hier eine beträchtliche Kaufkraft aus langer Tradition angesammelt hat, dominiert in Lahr eher die Sauf- und Raufkraft jüngst rübergemachter Generationen. So ist eine strukturierte Gliederung der Gesellschaftsschichten in sauber definierten Zonen zu erkennen.

Die Herren Hug und Langen würden sich in Weier bzw. im Winkel umdrehen, wenn sie sehen würden, wie sich ihre Gemeinden entwickelt haben. Ganze Siedlungen wurden sich von den Mündern abgespart. Was sich in dem Index der Bodymasse allerdings absolut nicht bestätigt.

Wer gebürtig welcher Landsmannschaft zuzuordnen ist, ist relativ rasch und fehlerfrei zu erkennen. Während sich die Weibchen nach zwanzig bis längstens dreißig Jahren aus schmetteringsgleichen Cocons entpuppen, und zur vollen Blüte mutieren, lässt sich die Herkunft bei den Männchen schon in frühesten Kindheitstagen nicht verleugnen. Bei diesen Geschlechtsgenossen findet keine weitere Metamorphose mehr statt. Normalerweise bestechen in der Natur doch die Männchen durch Farbenpracht und geschmeidige, feengleiche Körper. Warum hier die Evolution der Natur ein solches Schnippchen geschlagen hat, ist bis in die heutige Zeit unerforscht geblieben.

Wie fortgeschritten die Annexion in der bitteren Realität angekommen ist? Bilden Sie sich ein eigenes Urteil an gleichnamigem Platz! In diesem strategisch bedeutendem Sektor patrouillieren im Viertelstundentakt Boliden, die ausreichend Raum für Hub und Körper bieten. Da die Scheiben dem ahnungslosen Flaneur den neugierigen Blick ins Innere der Karossen verwehrt, sind die Scheiben auf Höhe der vorderen Insassen, vorzugsweise bei meteorologischen Hochs, herabgelassen. Der ungetönte Blick auf gebräunte, von allerlei Hormonen, Eiweißen und Hanteln deformierte Körper verfügt über ausreichend Abschreckungspotential, um ggf. auf die unerlaubte Benutzung moderner Kommunikationsmittel hinzuweisen. Recht und Ordnung machen diesem Platz keine zufriedenstellende Ehre.

Neben den an Hub und Raum voluminösen Mobilen schwäbischer Herkunft mit getönten Scheiben, prägen sich dem erfahrenen Eisdielenbesucher weitere typische Merkmale ein, die zur raschen Identifikation der Freischärler führen. An LR-Kennzeichen (Lahrer Russen), festgeschraubt auf Trägerplatten aus hochwertigem Chromnickelstahl, und, nach der Parade, von Achtern, an diversen Abgas- und Lärm-Röhren – ebenso aus V2A.

Diese körperlichen, bzw. geistig einfach strukturierten, Eliten, sind unmissverständlich einer paramilitärischer Organisation zuzuordnen. Fashion und Konfektionsgröße, Frisur und Geschmeide lassen auf einen zentralen Ausstatter schließen. Gestik und Gehabe auf einen zentralen Ausbilder mit handfestem Drill. Betonte Lässigkeit soll uniforme Kleidung, und lückenhaftes Wissen kaschieren. Es gelingt nicht immer wirklich.

Um ihren Lebensgewohnheiten näher kennen zu lernen, empfiehlt sich eine Reise ins Kaufland. Es gilt überraschender Weise der Euro, die Amtssprache ist allerdings durch ihr rollendes „R“ unzweifelhaft zu identifizieren. Auch mit anderen zivilisierten, westlichen Sprachen tun sich rasant unüberwindbare Grenzen auf. Auch hier spiegelt sich ein Laune der Natur wider. Stammen doch aus dem östlichen Riesenreiche etliche viel und hoch gepriesene Dichter, Komponisten und Visionäre. Die Lahrer Kameraden halten dies geschickt verborgen.

Neben den geistigen Größen dürfen wir die Unzahl siegreicher Sportasse nicht ignorieren. An dieser Stelle sei nur die unvergessene Anna Bolika genannt.

Last but not least, die Lahrer Shoppingmeile bietet vielfältigste Angebote. Die Ein-Euro-Shops, Kiks, NKDs, und wie sie alle heißen, unterbieten sich mit unwiderstehlichen Angeboten. Der Ausverkauf des guten Geschmacks ist allgegenwärtig.

Zum Schluss das Letzte. Von der Immobilie in der Gemeinde bis zum Mandat in den polemischen Gremien, der Weg durch die Instanzen ist geebnet. Die Annexion des Westens hat nicht erst begonnen, sie steht vor dem Abschluss. Aus Mutti wird Madga, aus Flädlesupp wird Borretsch. Und wir, wir müssen die Suppe auslöffeln. Na Prost!

 

 

 

Lebensmittelbeschaffung

Eine der wohl nachhaltigsten Entscheidungen meines Rentnerdaseins war der Wechsel des Lebensmittelbeschaffungstages von Freitag auf Donnerstag. Den Lebensmitteln selbst ist es wurscht, ob sie freitags oder donnerstags gekauft werden. Eine ordentliche Versorgung im Haushalt vorausgesetzt, gibt es keine signifikanten Verluste an Qualität, Vitaminen und anderen Nährstoffen.

Der wöchentliche Kampf in den Regalreihen des Verbrauchermarktes richtet sich schwerwiegend gegen gleiche Artgenossen. Sie treten in den Vormittagsstunden paarweise in ganzen Rudeln auf. Nur selten streunen einzelne graue Wölfe zwischen Obst- und Gemüseauslagen, Käsetheke und Kühltruhen umher. Manche schauen sich hilfesuchend nach kundigem Personal um, andere sind bereits in Begleitung ihres Betreuers unterwegs, blicken teilnahmslos drein und schieben eher widerwillig den Einkaufswagen vor sich her, der sich langsam mit dem Notwendigsten füllt.

Ohne eine exakte strategische Planung ist der unerfahrene Rentner, gerne auch Frührentner, den Schnäppchenjägern und Vordränglern hoffnungslos unterlegen. Es sei jedem wärmstens ans Herz gelegt, dass diese Planung bereits am Samstag bzw. Sonntag erfolgen sollte. Zum einen verfügt man über die dazu notwendige Ruhe des Wochenendes, zum anderen füllen an diesen Tagen die Angebotsflyer der Märkte unsere Briefkästen. Ihr Studium ist eine gesunde Basis für die Menüs der bevorstehenden Woche. Die Pamphlete von Roller, Obi, Dehner, Dänisches Bettenlager und ATUs sollten zunächst aussortiert werden und bei akutem Bedarf für die Nonfood-Liste bereitgehalten werden.

Inhaltlich haben die Must-Haves Priorität. Sinnvoll ergänzt durch die individuellen persönlichen Wünsche der Lebensgemeinschaft. Zunächst erfasst man alle Waren in einer unstrukturierten Liste, die man, nach Vervollständigung, in die Laufroute-Liste überträgt. Sie beginnt, logisch und durch jahrelange Erfahrungen geprägt, beim Eingang mit Obst und Gemüse, über Kaffee zu den Nudeln, rechtsschwenk zur Käsetheke, anschließend die Milchprodukte und über Fisch sowie Fleisch und Wurstwaren noch zu Salz und Gewürzen. Von den Haushaltswaren geht es zu den Kühltheken und ab zur Kasse. Doch bevor man hier seine Membercard und den Bonuscoupon über den Scanner ziehen kann, ist es ein langer, schwerer Weg mit allerlei Hindernissen. Ein optimal strukturierter Einkaufszettel ist noch lange kein Garant für fehlerfreien, staufreien Einkauf. Dazu gibt es zu viele Imponderabilien zwischen den Regalen. Es kommt immer wieder zu Behinderungen durch wahllos agierende Paare. Auch Geisterschieber begegnen einem auf Schritt und Tritt, nur weil einem plötzlich einfällt, doch im vorhergehenden Themenbereich etwas vergessen zu haben.

Die wahren Dramen ereignen sich allerdings schon viel früher! Bereits die Anfahrt zum Parkplatz erweist sich als Martyrium. Die Linksabbieger-Ampel reicht, bei zügigem Start in die Grünphase, für 3 – 4 Kraftfahrzeuge. Demzufolge liegt man hier mit einer Kalkulation von 2- 3 Rotphasen gut im Schnitt. Hat man es dann bei feuerwehrgrün gerade noch geschafft breitet sich vor einem das Chaos schlechthin aus. Die Parkplatzsuche. Jeder möchte in der ersten Reihe stehen, die Türen für Fahrer und Beifahrerin sollte möglichst in ihrem vollen Ausschlag, im rechten Winkel zum Fahrzeug, zu öffnen sein. Die Kapazität des Parkplatzes würde sich dramatisch vermehren, wenn man spezielle Reihen für Käuferschichten ab 65 anlegen würde, die, wie auf Autobahnraststätten für LKWs, mit großen Leuchtziffern die freien Plätze signalisieren würden. Oder durch JPS gesteuerte automatische Einparkschneisen. Hat man diese Tortour ohne größere Blechschäden und Nervenzusammenbrüche überstanden, sollte man eiligst das unvermeidliche Shop-ABC passieren. Apotheke, Blumen, Café. Auch, wenn der Trolley ein wenig quietscht, es erweist sich allemal als die effektivere Lösung, als noch einmal zurück zum Eingang zu gehen, um in dem überdachten Wartehäuschen noch einen leichtgängigeren Karren zu ergattern.

An den SB-Waagen lauern die nächsten Überraschungen. Obst und Gemüse kegeln aus den unverschlossenen Plastiktüten, die Waren-Nr. wurde vergessen und ein Kontrollgang zurück zur Salatsteige wird erforderlich, wo man dann verwundert feststellt, dass man sich offensichtlich für Stückgut entschieden hat. Fälle, die genau anders herum verlaufen, dokumentieren sich später an der Kasse, wo sich vermeintliches Stückgut als gewichtsabhägige Ware entpuppt, und die Kassiererin den notwendigen Vorgang des Abwiegens und Etikettierens zeitraubend nachholen muss. Nach dem sorgsamen Verstauen der Waren vom Fließband, dem Scannen der Membercards und Bonuscoupons wird aufgeregt in der Börse geforscht, ob sich in einem verborgenen Winkel nicht doch noch Cent Stück erspähen lässt, um die Rechnung, im Part nach dem Komma, möglichst exakt begleichen zu können. Gerne sind allerlei Münzen bereits auf dem Fließband ausgebreitet, bis man feststellt, dass es wohl doch nicht ganz ausreicht, und man in den hinteren Fächern das Weichgeld zücken muss. Es sei der Vollständigkeit halber festgestellt, dass die Kartenbezahler die Staus an der Kasse nicht wesentlich verkürzen. Bis der Lesestreifen in der erforderten Position eingeführt wurde, das Passwort eingetippt, storniert, nochmal eingetippt, nun das richtige, sind die Kleingelddompteure an Kasse 2 auch im Endstadium des Zahlvorganges.

Bis zum Ausparken läuft soweit alles glatt. Unter Hupen, Rumfuchteln und Verwünschungen gelingt es die Parklücke für den nächsten Kandidaten frei zu machen, der am liebsten schon vor dem Ausparken hin gehuscht wäre, und so dicht aufgefahren ist, dass ein Ausparken ohne mehrmaliges Zurücksetzen kaum zu schaffen ist. Auch für geschickte Chauffeure mit jahrelangen unfallfreier Fahrpraxis. Hinter dem Anwärter auf die Parklücke hat sich mittlerweile eine ansehnliche Schlange gebildet, die in der Parkreihe kein Vor und Zurück mehr zulässt. Nach einer weiteren gefühlten Ewigkeit kam der Einparkvorgang schließlich zu einem glücklichen Ende. Jetzt noch die Ampel, und das Wochenende kann kommen.

Auslegware

Es begab sich abermals, da war ganz Deutschland bedeckt mit Auslegware. Sie bot Pilzen, Bakterien und Milben ein gemütliches Zuhause. Und die Vorwerke dieser Welt vermochten ihnen nicht Herr zu werden. Allergien machten sich breit und die geplagten Hausfrauen klagten über raue Hände. Alsbald hielt eine saubere Erlösung Einzug in die gutbürgerlichen Stuben – das Laminat war erfunden. Und die Hersteller der Auslegware haderten mit dem Verlust ihrer Einkommens-Quelle. Da ersann ein findiges Menschlein eine List. Es erfand die Awards! Und auf wundersame Weise stieg die Nachfrage nach altherkömmlicher Auslegware exorbitant. Die Fokussierung auf rote Meterware brachte, durch wöchentlichen Bedarf, bei jeder Witterung und in allen Metropolen dieses Laminats dominierten Welt das ersehnte Klingeln in die Kasse.

Mit den Awards erwachte auch das Leben auf der roten Meterware. Nicht Pilze, Bakterien und Milben nisteten sich ein, sondern international erfahrene Mitesser und hoch ansteckende Bazillen.

Die Weibchen, putzen sich heraus, als gebe es kein Morgen mehr. Es gilt die Faustregel: Mit der Zunahme des Alters nimmt die Tiefe des Ausschnittes ab. Wobei die Ausschnitte sich nicht trivial ausschließlich auf den Klassiker, das Dekolleté beschränken. Rückseitig bis zum oberen Ansatz der fünf Buchstaben. Auf der entgegengesetzten Partie, auf der Frontseite der Garderobe, fast bis hinauf zum Dekolleté. Aber nur fast, weil ansonsten der mechanische Halt wider der Erdanziehungskraft versagen würde. Und schließlich in den Seitenansichten von der Achsel, bzw. im niedrigsten Fall einer Handbreite über dem Knie, bis zum  Beckenknochen. Gerne sieht man bei den geifernden Betrachtern auch transparente Applikationen, die das Wesentliche zur Einsicht freigeben. Gesponsert von plastischen Chirurgen, den Herstellern von Implantaten und den Lieferanten von Häuchen von Nichts.

Die Männchen kommen dagegen einfach und schlicht daher, maßgeschneidert zum Gemüt. Sie brüsten sich mit den Silikon-Oberweiten ihrer Begleiterinnen, die, wie gesagt, mit Häuchen von Nichts erahnen lassen, wie der kosmetisch-medizinische Eingriff plastisch der Natur und Physik unter die Arme gegriffen hat. Nicht zu übersehen sind auch die Anstrengungen, aus Lippen Schlauchboote zu formen. Faltenbügelautomaten von Bauknecht (Bauknecht weiß, was Frauen wünschen!) sind der Renner. Sie sind neben der roten Auslegware die heimlichen Gewinner. Auf Rang zwei des Must have rangieren Akkuepilierer, die sowohl für die Beine, als auch für die Region oberhalb der Schlauchbootlippen geeignet sind. Ob sie des Weiteren im gebleichten oralen Bereich eine zweckmäßige Anwendung finden können, ist nicht überliefert. Gerüchten zufolge allerdings ja.

Perfekt einstudiert stellen sich auch die Posen dar. Die zur Schau gestellten Schokoladen-Seiten gewähren den fotogensten Einblick auf die Resultate kosmetisch chemischer Eingriffe. Die Ellenbogen in der Hüfte, leicht nach vor gedreht, den Kopf lasziv zur Seite geneigt, das Bein zum Stolpern neckisch nach vorne / bzw. seitwärts auswärts ausgefahren. Ein dämliches Dauergrinsen a la Uschi von der Leyen – und das leblose Gebilde ist perfekt. Nach der Verunstaltung müssen sich einige Probanden Not-Operationen unterziehen, um einen halbwegs menschliches Antlitz wieder zu erlagen.

Parallel zu den roten Meilen der Eitelkeit verlaufen stabile Gatter. Wer hier vor wem geschützt werden soll ist auf Nachfrage der Ordnungshüter strittig. In Zoos z.B. ist die Rollenverteilung weitgehend geklärt. In diesem speziellen Fall tendiere ich zu einem nachvollziehbaren Urteil: Auf Grund der Artenvielfalt zwischen den Gattern werden sicher die Zuschauer vor den Lackaffen, den Bordsteinschwalben und Pfauen, den Partymäuschen und Stinktieren geschützt. Stellvertretend seien die unvermeidlichen Till Schweiger, Veronika Verres, Uschi Glas, Udo Walz geprangert. Eine umfängliche Liste würde absolut jeden Rahmen sprengen.

Andererseits sei die Frage gestattet: Was um Himmels Willen veranlasst mündige Bürger sich hinter diesen Gattern zu versammeln, kreischend, geifernd, einem Kollaps nahe, sich zu gebärden wie pubertierende Zahnspangenträger? Oder eine Rotte Brüllaffen vor der Fütterung ihres Wärters? An dieser Stelle enthalte ich mich dezent.

Der Vollständigkeit halber sei ergänzt, dass der Begriff des „Auslegens“ neben Teppichen und Laminaten auch bodenständige Bedeutung haben können.

  • Man kann einer vertrauenswürdigen Person in einer Notlage ein paar Euro auslegen, um ihnen aus einer misslichen Lage zu helfen.
  • Man kann Waren in die Auslage bringen. Beispiel modische Kleidung an Menschen ähnliche Figuren zu hängen. Oder Kohlköpfe in Holzkisten auf dem Markt. Wobei die Differenzierung nach Bio Wurst ist.
  • Man kann Begriffe auslegen. Wie zum Beispiel den Begriff: Auslegen.

Bei die Döspaddels

Zusammengefasst kann man sagen: Jou näh. So oder ähnlich überschwänglich, blumig würde der geborene Nordfriese seinen wunderschönen Urlaub beschreiben. Aber werfen wir einen Blick auf die bemerkenswerten Details: Eine Woche St. Peter Ording (SPO).

Ausufernde Begeisterung – der Strand. Schier ohne Ende, selbst der Horizont reichte nicht aus, um zu sehen, wohin das Wasser denn eigentlich läuft. Respektive woher bei Flut die Flut kommt. Platz genug haben sie ja. Woraufhin sich mir, trotz besseren Wissens, die Frage stellte, ob die Erde nicht doch eine Scheibe sei. Besonders bei Ebbe. Leider reichte die Zeit nicht, um die Frage verbindlich zu klären.

Den Plänen, ein paar Tage in SPO zu genießen, habe ich bedingungslos zugestimmt, weil ich mich insgeheim rächen wollte. Rächen an der Kirche. Ein Atheist in St. Peter. Späte Rache für seit über 40 Jahren gezahlte Kirchensteuer, obwohl ich mich bereits Ende der 60er aus diesem Club verabschiedet hatte. Es war eine Rache, die weder von den Eingeborenen noch von der Schar der Touristen beachtet, noch mit frenetischem Beifall bedacht wurde. Daraufhin habe ich den Ort konsequent in Hans-Peter Ording umgetauft. Um mein Gewissen zu beruhigen. Ich wollte schließlich einen erholsamen Urlaub verbringen und nicht ständig an die unfreiwilligen, äußerst großzügigen Spenden erinnert werden, die ich den Kuttenträgern unfreiwillig in die prallen Säckel abtreten musste.

Hans-Peter Ording bestand aus 3 Ortsteilen Hans, Peter und Ording. Hätte man denken können. Weit gefehlt. Da haben wir nämlich den Intellekt der Nordfriesen deutlich unterschätzt. Der Pate der Gemeinde bestand schlicht auf: Dorf, Bad und Ording. Von Süd nach Nord, für den geographisch minderbemittelten: von Holland nach Dänemark. Außer den Namen unterscheiden sich die Ortsteile dramatisch. Das Dorf macht seinem Namen alle Ehre! Wunderschön, enge Gassen, kleine reetgedeckte Häuschen, schnuckelige Restaurants. Las man eine Speisenkarte, kannte man alle. Matjes, Krabben, Heringe namens Bismarck, Scholle und Kabeljau, zu denen es grundsätzlich Bratkartoffeln gab. Selbst die Preise bewegten sich in einer Spanne, differierten maximal in den Stellen hinter dem Komma Punkt. So hat es der Touristen Verband den Besuchern leicht gemacht sich für einen bestimmten gastronomischen Betrieb zu entscheiden. Man konnte sich voll auf den Kampf um die besten Plätze konzentrieren, oder um die Erziehung der ungeduldigen Kinder, oder um weitere vergebene Liebesmühe zur Abrichtung der Betatiere.

Bad hieß wohl deshalb Bad, weil das Baden im Meer besonderen Anlass zur Freude gab. Die Weite des Strandes, die Feinkörnigkeit des Sandes, die hundefreien Zonen, und die Sicherheit in diesen unruhigen Zeiten. Der Deutsche tat sich seit jeher hervor, wenn es um die Erbauung von Wehranlagen und Burgen ging. Was in Bad Väter, Großväter und Heranwachsende erschufen lässt die Architekten des Westwalls oder der Maschino-Linie im Grabe rotieren. Ihre Ausrichtung nach UK war seit dem Brexit von elementarer Bedeutung. Unberechenbarkeit wurde nur vom Blanken Hans erwartet. Den Mächten der Natur, mit ihren unzähmbaren Gewalten überstanden selbst die monumentalsten Bollwerke lediglich ein paar Zyklen der brausenden See. Puh, ist das nicht heroisch?

Ach ja, Bad. Im krassen Gegensatz zum Dorf brandeten hier die Gesehenwerdenwollenden durch die Einkaufsmeile, die ebenso in jedem beliebigen anderen Kaff hätte rumstehen können. Geschäfte mit Angeboten, so überflüssig wie die Ideen von Thomas de Misere bzw. Ursula von der Leyden. Ich frage mich immer wieder: Wer kauft den ganzen Müll eigentlich? Und wer entwirft, produziert, vertreibt und verkauft diese Abnormitäten an Kitsch? Obwohl – eine gewisse Affinität mit den Hunderassen ließ sich nicht verleugnen. Sogar die Gesichter der Halter spiegelten sich auf wundersame Weise in denen der Rumgezerrten wider. Oder umgekehrt? Ich werde mich zu gegebenem Anlass wissenschaftlich mit diesem Thema auseinander setzten. Also, eine Kreuzung aus Bad und Dorf wäre das perfekte Idyll.

Sollte irgendjemand an dem Ortsteil Ording interessiert sein? Nein? Auch gut, denn den kann man getrost ignorieren. Ein paar nette Häuschen. Zugegeben ordentlich und adrett aber die Bürgersteige werden nach intensiven Recherchen erst gar nicht nach unten geklappt, um sich das Personal zu ersparen. Ein-Euro-Jobber und bestens integrierte Migranten stürzten sich frustriert bereits nach wenigen Stunden von den Dünen ins offene Meer, um der Tristesse ein jähes Ende zu setzen.

Der Altersdurchschnitt entpuppte sich als durchschnittlich. Rüstige Rentner und junge Familien hielten sich die Waage und so pegelte sich der Durchschnitt eben zwischen 40 und 50 Jahren ein. Zur besseren Unterscheidung erkannte man die Unterdurchschnittlichen an den Golden Retrievers oder Labradoren, die Rüstigen eher an undefinierbar getunten Ratten, wie Malti-Poos, Skih Tzus oder Yorkis. Ganz offensichtlich durften diese eine maximale Körperhöhe von 20 cm nicht überschreiten. Das Geläuf derart kurz, dass die Beine nur in Ausnahmefällen bis auf die Erde reichten. Meine Bewunderung errangen sie sich dadurch, dass sie, trotz ihrer körperlichen Defizite, ein so lang anhaltendes Gekläffe verkraftet haben. Wer mit wem Gassi ging, bleibt nebulös. Gezerrt wurde an beiden Enden der Leine –meist behielten die Zweibeiner die Oberhand.

Das Geplärr der Reproduktionen und das Gekläffe der vierbeinigen Mode-Accessoires hielten sich die Waage. Meist übertönte beides zeitlich parallel das Rauschen des Meeres. Über Verbote und Leinenzwang (nicht für die Halter! Leider!) setzte man sich elegant hinweg. Deshalb  plärrten auch noch die Lautsprechen gegen Brandung, Geplärr und Gekläffe über den Strand ohne Ufer. Bezeichnender Weise stand unser Strandkorb unmittelbar neben einem Schicht mit rotem Rand und durchgestrichenem Hund unbekannter Rasse. Ich konnte mich entspannt in der 314 zurücklehnen.

In der Straße der Eitelkeiten, genannt Fußgänger Meile, an der sich alle Restaurants und Cafés breit machten, standen die Stühle nicht nach dem Stand der Sonne ausgerichtet, sondern nach der Methode bestens Sehen und optimales Gesehen werden. Mit der Faustregel: Je übersichtlicher das Treiben zu beobachten war, desto höher die Getränkepreise. Zwischen Paaren mit Steuerklasse 1, Großeltern mit Enkeln oder Pinschern und Jüngere mit Ansa Taifun oder Amely Luyanda oder Brokleyn oder wie immer die Bedauernswerten heute benannt werden, und Golden Retrievers oder Labradoren, radelten dann auch noch die Hund- und kinderlosen mit ihren Leihrädern. Ein munteres Geklingel schreckt die Passanten aus den seligsten Urlausträumen. Zusammenstöße endeten in der Regel mit verbalen Attacken. Es mangelte neben Einsicht auch an ausreichendem Platz bzw. Alternativen, um die Bedarfe rechtskräftig voneinander zu trennen. In der ganzen Hilflosigkeit der regionalen Amts- und Würdenträger hat man die einzige Parallelstraße zur Küste als Einbahnstraße ausgeschildert. Jedoch nur für die Autos. Alle anderen Verkehrsteilnehmer streunten munter in alle Richtungen durch den Ort Bad, was zu manch skurrilen Szenen führte. Ordnungshüter wurden generell nur auf den kostenpflichtigen Parkplätzen gesichtet, um Unholde mit Knöllchen verkehrszuerziehen. Wenigstens ein Anfang.

Läge nicht der Gosch in absoluter 1A-Lage, wäre unsere Urlaubskasse deutlich entlasteter geblieben. Fisch und anderes Meeresgetier zu passablen Konditionen. Dafür beste Qualität und frisch aus den Fluten. Bei den Erfrischungen ragte die Schere beim Preis-Erfrischungs-Verhältnis recht weit auseinander. Was uns generell nicht hinderte ein begonnenes Gespräch mit den Tischnachbarn jäh zu beenden. Diese führte dazu, dass wir an der SB-Theke immer wieder freudigst begrüßt wurden mit der für den Döspaddel eigenen Art: „Da bis du ja wieder“. Die Thematiken des Klönschnacks hatten wir in kürzester Zeit intus. Wetter, Strand, Verweildauer, Herkunft. Bei längeren Verbrüderungen kam auch schon mal der Brexit, Doping, Steuergeschenke vor der kommenden Wahl, Staus bei der Anreise am Elbtunnel, Beruf und / oder Hobbies zur Sprache. Bei neuen Tischnachbarn begann nach kurzem Abtasten der Dialog von vorn.

Alles in Allem ein gelungener, herrlicher Urlaub: Jou näh!

 

« Ältere Beiträge Neuere Beiträge »