Thor-Tour 1 / 15. April 2015

Als das Telefon um 09:30 Uhr seine nervige Melodie abspielte, schoss mir spontan durch den Kopf: Aha, pünktlich!

Die Großwetterlage war nur geil, wolkenlos bis 27* C am Oberrhein waren avisiert. Perfekt, um die ersten Kilometer in Angriff zu nehmen. Mit Schorschi hatte ich zwei Tage zuvor besprochen, dass er sich meldet, wenn er Zuhause startet. Doch es kam ganz anders. Er war bereits unterwegs, allerdings zu einem ungeplanten Zwischenziel.

Schon seit Monaten drohen wir uns gegenseitig diese ThorTour an. Der Ruhrradwanderweg war auserkoren – die positive Entscheidung dafür ist heute nicht mehr rationell und logisch nachvollziehbar. Spielt auch für den eigentlichen Verlauf des Tages lediglich eine untergeordnete Rolle. Fakt ist, wir wollten eine gemeinsame Pre Tour auf uns nehmen, um in Sachen Tempolimits, aktuelle Gesprächsthemen, unvermeidliche Eisdielenstopps, Harmonisierung der Gänge, Reifendrücke, Klingeltöne und der Luxzahl der Vorder- und Rückleuchten abzustimmen. By the way sollten parallel die offenen Fragen geklärt werden, wann startet die Tour, wie kommen wir zum Start, wie zum Ziel und wie wieder wohlbehalten in den Schoß der Lieben zurück. Leider unverzichtbare Nebensächlichkeiten, wie Übernachtungen schlechthin, Beginn der Nachtruhe und tolerierbare Ausnahmen, christliche Zeiten fürs Morgengebet, realistische, überschaubare Tagespensen, Pausenzyklen, die halbwegs im Verhältnis zur erforderlichen Fahrradfahrzeit stehen, Anzahl der Eiskugeln in den jeweiligen Etappen, Gepäcktransportservice kontra Satteltaschen, Promillegrenzen, generell und unter besonderer Berücksichtigung edler ungarischer Tropfen, die Verwendung der von der Deutschen Doping Agentur zugelassenen Gesässsalbenmarken, das Für und Wider von Klappreisezahnbürsten, die Einnahme von Bergsteigermüsli auch in der Ebene, der ordentliche Umgang mit den fanatischen Bewunderen, ins besondere der begeisterten weiblichen, während der rasanten Fahrt, in den Rastpausen, beziehungsweise in den Quatieren etc. konnten noch nicht hinreichend, zur Zufriedenheit beider Parteien geklärt werden.

Um exakt 09:31 Uhr waren zunächst alle guten und sinnvollen Vorhaben es Tages bereits Makulatur. „Ich muss erst in die Werkstatt, es wird später. Ich berichte dann exklusiv und detailliert.“

Wirklich unerwartet kam diese Botschaft nun wirklich nicht. Die jahrzehntelange Erfahrung der Zweisamkeit lehrte mich geduldig diesen Katastrophen zu stellen. Ich verzichte hier und heute näher auf all die prägenden Erlebnisse einzugehen, noch nicht einmal auf einige Highlights.

So erwartet wie die Verschiebung der Startzeit kam, so unerwartet rauschte Schorschi unter hektischem Gehuppe auf den Hof. Gerade einmal 30 Minuten später stand das leibhaftige Chaos zur Abfahrt bereit. Ich müsste Lügen, wenn die folgenden Stunden nicht recht ereignislos verliefen. Kaffeepausen, zahlreiche Eisdielenbesuche und eine insgesamt pannenlose Tour ließen uns den strahlenden Tag harmonisch genießen. Bis auf, ja bis auf die Mächte der Natur. Auf den letzten Kilometern, das traute Heim bereits vor Augen, frischte der böige Wind zur Orkanstärke auf. Die ersten Dachziegel lösten dich von den Dächern, leichte und löse Gegenstände flogen umher, Mensch und Tier hat sich in die sicheren Behausungen zurückgezogen. Aber für diese Naturgewalten war Schorschi nun wirklich nicht verantwortlich zu machen. Letztendlich erreichten wir, auch, wenn wir die letzten Kräfte mobilisieren mussten das schützende Zuhause. Weib und Kind waren die Erleichterung über die glückliche schadlose Heimkehr der Probanten deutlich anzusehen. Seinen eleganten Fahrstil konnte Schorschi natürlich nicht über die gesamte Distanz beibehalten, der Stolz der allgegenwärtigen Gefahr und des aufbrausenden Sturms getrotzt zu haben ließ uns dieses Manko schnell in Vergessenheit geraten. Als Nachtrag sei erwähnt, dass Schorschi allerdings das Windschattenfahren schamlos ausnutze, und als billige Entschuldigung meine geographisch herausragende Ortskenntnis vorschob. Aber ich werde Gelegenheit bekommen mich zu revanchieren. Beim nächsten Hoch in der Wanzenau zum Beispiel.