Exakt 100 Tage vor Silvester haben es die beiden Rentner tatsächlich geschafft, die zweite Radtour 2017 zu starten. Und wie es der Zufall wollte, am: „Internationalen autofreien Tag“! Aber beginnen wir von vorn.
Der Wettergott und Katja Horneffer persönlich hatten es prognostiziert: Freitag, den 22.September 2017 Sonnenschein pur! Nichts hielt uns mehr in der guten Stube. Treffpunkt: Nach Auflösung des Nebels, um 10:30 Uhr in Eckartsweier. Schorschi hat hoch und heilig versprochen, keines seiner Navis mitzunehmen – obwohl er für die Wahl der Strecke verantwortlich zeichnete.
Nachdem ich mich durch den Dauerstau auf der A5 gekämpft hatte, traf ich in einem akzeptablen Zeitfenster ein. Nur noch rasch das Velo zusammenbauen, und los konnte es gehen. Vorderrad eingesetzt, Radwelle eingeführt, mit Radmuttern fest angezogen, jetzt nur noch den linken Bremsklotz fixieren – fertig. Denkste! So einfach sollte es nun doch wieder nicht klappen. Dieses Mal traf es mich, respektive mein Rad. Der Spannhebel des Bremsklotzes ließ sich nicht spannen. Als international erfahrener Spannhebel-Spanner analysierte der Vergötterte sofort den Fehler: Der Exzenter, der den linken Bremsbacken auf dem felsenfest montierten Bremsbacken-Haltegestänge fixieren sollte, war verschoben. Kein Spannen, kein Halt, keine Bremse, keine Vorderzähne. Was tun, da das multifunktionale Werkzeug-Set ausgerechnet den dringend benötigten Achter nicht parat hatte? Kurzum, wir mussten den Umweg von ca. drei Kilometer nach Marlen auf uns nehmen, um einen ortsansässigen Fachbetrieb in der dritten Generation zu konsultieren. Und natürlich zurück! Das ausgebildete Personal des zertifizierten Meisterbetriebes bestätigte die fachkundige Analyse des Spannhebel-Spanners zu seiner Genugtuung. Mit einem Griff war der Achter zur Hand, das Bremsbacken-Haltegestänge in seine angestammte Position gebracht – Start frei!
Zurück nach Eckartsweier, und ohne weiteren Zwischenstopp ging die rasante Fahrt über Willstätt in Richtung Urloffen, Renchen, etc. Entlang der Schutter, durch Wiesen und Wälder – durch Gottes schöne Natur. Das Auenland hätte nicht prachtvoller ersonnen werden können. Aus gegebenem Anlass möchte ich an dieser Stelle ganz herzliche Geburtstagsgrüße an die Hobbit-Gebrüder Bibo und Frodo Beutlin übermitteln! In einem Waldstück führte uns der Radweg bis an eine Brücke, die uns trockenen Fußes über einen Entlastungskanal bringen sollte. Sollte, weil ein Baufahrzeug der Straßenbau-Meisterei uns den Weg versperrte. Auf dem Fahrersitz döste bierselig ein Bediensteter in Warnweste, hinten, zwischen allerlei Werkzeugen und Absperrgittern, saß ein erkennbar nicht Einheimischer, ebenfalls bewarnwestet, und tippte nervös auf seinem Smart-Phone. Ohne uns zu beachten. Unter großen Sicherheitsmaßnahmen, und der extremen Gefahr ins Auge schauend, in die sich Schorschi begab, sprach er den Dösenden an. Es war Mittagspause. Die neu betonierte Brücke durfte nicht passiert werden! Ohne Geländer zu beiden Seiten der Brücke war die Gefahr einfach zu groß. Genüsslich wies uns der Bedienstete die Umleitung: 900 Meter, zwei Mal links, und eine weitere, allerdings begeländerte Brücke sollte uns sicheres Geleit über den ausgetrockneten Entlastungkanal bieten. Gesagt getan – obwohl uns, ganz ehrlich gesagt, das Verständnis für diese Notwendigkeit absolut fehlte! Aber in solchen Situationen haben Bedienstete einfach die besseren Argumente.
Die Zeit war schon fortgeschritten, als wir in Appenweier vor den Entscheidung standen: Eisbude jetzt, oder gleich durchfahren nach Ulm zum Bauhöfer. Und auf der Rückfahrt Eisbude. Die Qualität des Eises riet uns für sowohl als auch. Jedoch die magere Aussicht auf die, ab 14:00Uhr, reduzierte Speisekarte bei Bauhöfers ließ uns dann, allen Gelüsten widerstehend, die direkte Fahrt in den Biergarten wählen. An unserem Tisch hatte sich bereits ein älteres Paar breit gemacht, die durch ihre kanarienvogelgelbenTrikots weithin leuchteten. Uns blieb nur ein Schattenplatz. Die Bedienung war von den schnellen Art. A-Schorle und Frikadellen mit Kartoffelsalat standen im Nu vor uns. Schorschi ging mit dem Gedanken schwanger, uns von seiner Angebeteten abholen zu lassen, und auf die Rückfahrt zu verzichten – nicht allerdings auf eine ordentliche Portion Eis.
Schorschi hat noch nicht gewählt. Wen auch? Diese Gedanken teilt er mit Millionen anderer Bundesbürger. Hingegen habe ich mich vom Wahl-Oh-Mat überzeugen lassen, dass ich seinen Rat nicht befolge. Wie dem auch sei. Uns ist aufgefallen, dass die Wahl-Strategen der Parteien die Radwege noch nicht für ihre aufgehübschten Gesichter auf Plakaten genutzt haben. Obwohl die stetig wachsende Zahl der radelnden Rentner durchaus eine stimmbringende Zielgruppe darstellt. Dabei fallen mir gleich ein paar passende Slogans ein, die die volle Aufmerksamkeit der E-mobilen Bürger auf sich ziehen könnten:
- SPD = Hätte, hätte – Fahrradkette!
- CDU = Wir haben die besten Radfahrer im Büro!
- CSU = Maut für jedes Radler!
- Grüne = E-Bikes statt Diesel-Jeans!
- FDP = FDP, und es läuft wie geschmiert!
- AFD = Deutsche stramm-peln rechts!
- Linke = Vorne bremst man mit links!
Weitere ernstgemeinte Vorschläge können politisch aktive Leserinnen und Leser bei mir umsonst abfragen. Auch kostenlos!
Die Fahrt zurück begann mit einer kurzen Abfahrt und einem folgenden steilen Anstieg, der nach den Frikadellen mit Kartoffelsalat eine echte Herausforderung darstellte. Die Aussicht auf das baldige Erreichen der Eisbude ließ jedoch alle Leiden verdrängen. Es folgte der Spruch des Tages. Nein, der Woche, wenn nicht sogar des Jahres. Mindestens! Schorschi musste sich seiner A-Schorle entledigen, während ich das Eis orderte und bezahlte. Auf meine Frage an Schorschi: „Wieviel Bollen willst Du? Zwei oder drei?“ Aus der Antwort sprach das blanke Entsetzen: „Ich fahr doch keine 60 Kilometer für 3 drei Bollen Eis!“ Und das am Tag des „Internationalen Tages der weißen Schokoladen“.
Jetzt musste ich doch noch eine frische Seite beginnen. Viel bleibt mir zum Schluss eines strahlend schönen Tages gar nicht mehr zu berichten. Natur und Sonne, und Schorschi haben alles gegeben. Wir hatten milden, seitlichen Rückenwind von vorn, und berauscht von der Fahrt beklagten wir, dass es uns beiden Rentnern nicht möglich gewesen ist, dieses Jahr eine mehrtägige Tour auf die Reihe bekommen zu haben. Nächstes Jahr ist ja auch noch ein Jahr! Zurück in Eckartsweier trachtete Schorschi nach schnellem Wechsel seiner Sportkleidung. Er wollte noch joggen, und vor Einbruch der Dunkelheit wieder Daheim sein. Ich hingegen zerlegte mein Velo. Bremsklotz raus, ebenso das Vorderrad, rein in den Kofferraum und ab durch den Dauerstau auf der A5 an dem internationalen autofreien Tag.
Zum statistischen Teil: 57,5 Km, bei einer reinen Fahrzeit von 3,4 Std. / durchschnittliche Geschwindigkeit 17 Km/Std. Besondere Vorkommnisse: Loses Bremsklotzgestänge, eine Umleitung, kein Verfahren trotz ohne Navi!
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