Thor-Tour / Pro Log 21. April 2015

Die Kontertour erfolgte bereits eine Woche drauf. Schorschi stand in der Pflicht alles für die Fahrt ins Gallierland zu planen. Abfahrt Eckartsweier, gleiche Zeit, eben nur ohne einen unerwarteten Werstattaufenthalt. Ich war auf alle denkbaren und undenkbaren Ereignisse mental vorbereitet. Schorschi hüpfte bereits auf der Straße vor dem Haus aufgeregt herum. „Wir müssen uns beeilen, der Zug fährt um 11:00 Uhr ab. In Appenweier. Wir fahren nicht ins Gallierland!“ Auch gut, dachte ich.

Schorschi fröstelte noch ein wenig. Jacke an, und kräftig in die Pedale getreten, der Zug ins Renchtal wartete nicht auf uns. Natürlich hatten wir Gegenwind. Aber erfahren, wie wir bei unserer zweiten Tour nun schon mal waren, schafften wir es locker! Eine ganze Viertelstunden vor Abfahrt. Das war auch dringend erforderlich, denn Schorschi übernahm das Kommando am Fahrkartenautomaten. Gruppentiket mit Fahrrad oder Rentnerermässigung, alles Felder, die die Bahn nicht vorgesehen hatte. Ebenfalls die mögliche Variante, das Schorschi als Behinderter und ich als Betreuungsperson kostenlos mitreisen dürfte. Hinter uns wurde die Schlange länger und ungeduldiger. Nach ein paar gut gemeinten Ratschlägen nervös werdender Passagiere, ließ sich unser Teamleader überzeugen, die beiden Tickets einzeln zu erwerben. Geld war nicht zu sparen, aber Zeit, was in diesem Fall die sicherste Lösung zu sein schien. Nach wenigen Sekunden waren wir stolze Besitzer der Billetts nach Oppenau, und entspannten dadurch zusehens die ernste Lage unter den kartenlosen, potentiellen Mitreisenden.

Ein zwei waggongiger Triebwagen, ohne Speisewagen, fuhr überraschend pünktlich ein. Die Räder waren behänd verstaut. Ein platzsuchender Blick in das Innere des Triebwagenabteils ließ uns realisieren: Wir waren nicht allein. Lauter Rentner mit offensichtlich ähnlichen Zielen. Stockenten, Stockerpel, und auch zwei Radler. Angeber, ausgestattet mit rot / schwarzen Satteltaschen von Ortlieb. Aber Ih-Bike! Da waren wir doch sofort als die wahren Helden der schieren Muskelkraft auszumachen. Entsprechende Körpersprache dokumentierte unsere sportliche Überlegenheit eindrucksvoll.

Lässig ließen wir uns auf den nächsten freien Plätzen nieder. Die Räder, wie von bewunderungswürdigen Profis erwartet, sicher im Vorraum verstaut. Sicher? Ja, bis zum ersten Halt. Der Triebwagenkutscher fuhr aber auch wie ein Arsch! Unsere Überlegenheit bekam erste kleine Kratzer. Wir überspielten sie lässig, selbstbewusst.

Zu unserer Überraschung hielt der Triebwagenkutscher nahezu an jeder Milchkanne. Und nahezu an jeder Milchkanne, wankten unsere, mit reiner Muskelkraft betriebenen Räder, aufs neue. Wir blieben dann zu ihrer Absicherung in ihrer Nähe. Was auch Sinn machte, nicht nur zur Beruhigung der restlichen Fahrgäste. Nach unzähligen Milchkannen erreichten wir Oppenau. Die Angeber fuhren noch ein paar Stationen weiter. Typisch. Aber Ih-Bike! Lächerlich!

Ganz im Ernst, die Tour war wesentlich einfacher zu planen, als meine. Es ging einfach nur das enge Tal runter. Wobei ich mir recht bald die Frage stellte, wieviel Bergauf Passagen gibt es eigentlich auf einer Bergabstrecke? Ich machte mir ernsthaft Sorgen um die Kondition des Freundes, der allerdings in den hurtigen Abfahrten rasch wieder zu Atem kam. Es ist eben doch ein Unterschied zwischen nur elegantem Fahrstil und besonders ästhetischer und gleichzeitig routinierter Steuerhoheit und perfekter Beherrschung der Pedale.

Nach gut einer Stunde hatten wir alle Milchkannen in entgegengesetzter Richtung wieder hinter uns gelassen, und fuhren unter dem tosenden Beifall der Einheimischen und etlicher von Nah und Fern angereister Schaulustiger und Touristen in Oberkirch ein. Die Eisdiele mit Sonnenplätzen lud uns zum Verweilen ein. Die Bedienung, offensichtlich keine Eingeborene, maßregelte mich, da ich unvorsichtiger Weise meine 3 Kugeln Eis, Málaga, Joghurt-Kirsch und Nuss, in der Tüte bestellen wollte. „Tüte nur to go!“ Draußen nur Kännchen! Es war ein wunderschöner Tag, blauer Himmel, die vielen Deppen, die in den Besprechungszimmern sitzen und um Konditionen feilschen, und wir gesund und glücklich in Oberkirch in der Eisbude. Eine Diskussion über den unübertroffenen Vorteil von Eis in Tüten kam mir nicht in die Tüte. Ich ignorierte diese schwachmatige Regel, von der, da war ich überzeugte, der Herr der kühlen Köstlichkeiten, womöglich keinen blassen Schimmer hatte. Sei’s drum.

Wir nahmen rasant wieder Fahrt auf, allerdings nur bis zur nächsten Steige, deren noch etliche folgen sollten. Das Profil der Route war unserer Qualifikation durchaus würdig. Schorschi musste sich fortan und wiederholt auf seinen Falk verlassen. Ich möchte an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, das es an Ortskenntnis hier und da ein wenig mangelte. Dennoch erreichten wir unser nächstes Etappenziel.

Mit sorgenvoller Miene und leerem Magen bogen wir in den Hinterhof zum Bauhöfer in Ulm ein. Jeder Blinde, mit mehr als ein, zwei schwarzen Punkten auf gelber Armbinde konnte erkennen, wie sich leibhaftige Verwunderung in die Gesichtszüge von überdurchschnittlich intelligenten Mitteleuropäern meißeln kann. An einem ganz ordinären Dienstag tummelten sich rudelartig Veloisten aus allen Herren Ländern vor Starkbierhumpen im traditionellen Biergarten. Dass wir dennoch auf Abhieb einen halbschattigen Platz fanden, war meiner Übersicht und Reaktionsschnelligkeit zu verdanken. Wenn man nach der Bedienung auf die Karte hätte schließen müssen, wären die Knödel besonders empfehlenswert gewesen. Schorschi lobte den Erdäpfelsalat, für den wir uns dann auch spontan entschlossen, und diesen im Dialog mit einem Pärle Wienerle. Die Enttäuschung war groß, der ausgelobte Erdäpfelsalat ließ jede Würze vermissen. Aber auch jede. Die Wienerle schmeckten ordentlich und mit neidischen Blicken auf die Knödel verfeinerten wir mit ordentlich Salz, Pfeffer und Senf den Unwürzigen – ohne jedoch schmeckenswerte Hochgenüsse erzielt zu haben.

Zum Entsetzen der unschuldigen Überbringerin des Unwürzigen, bestellten wir noch drei Grillvögelchen aus der Volliere. Aber nur von den gelben Sittichen. Der Scherz wurde alsbald entlarvt und wir zahlten unter Kopfschütteln der Trinkgelderwartenden. Trotz allem. Die Sondermengen Salz, Pfeffer und Senf blieben unberechnet.

Wohl genährt wurden die verbleibenden zwanzig Kilometer unter die Pneus genommen. Nach einigem Hin und Her, mehreren konzentrierten Blicken auf den Falk, und einer Ehrenrunde um ein frühsommerlich zart erblühtes Erdbeerfeld beendeten wir wohlbehalten den Pro Log. Unter dem Strich viel der Vergleich zur ThorTour bemerkenswert ausgeglichen aus. Knapp unter 60 Kilometer, Stundenmittel knapp über 18, keine besonderen Vorkommnisse. Teil 3 kann kommen. Wenn jemand bereit ist, dann wir!