Le Tour de France: 12.05.2015

Geplante Abfahrt wie immer – 09:30 Uhr Start mit dem Auto. Die Vorfreude währte nicht lange: Vollsperrung der A5 zwischen Appenweier und Achern – der Stau allerdings machte sich bereits kurz nach Offenburg breit. Er bremste auch die Euphorie. Prompt hatte ich auch schon Schorschi am Ohr. Aufgeregt wie immer. Meine voraussichtliche Ankunftszeit sorgt nicht zwingend für Entspannung. Da ich mich jedoch auch im Auto auf eine überdurchschnittliche fahrerische Qualität verlassen kann, erreichte ich Schorschi rascher, als vom Navi prophezeit. Man kann sich eben auf nichts mehr verlassen. Außer natürlich auf mich selbst. Von Schorschi sah ich zunächst nur den Po aus der Garage ragen. Der Kopf war tief in einem Regal verschwunden, unterhalb der Polinie. Was er suchte bleibt nach wie vor im Verborgenen. Für diesen Bericht aber auch in keinster Weise relevant.

Nach der Besichtigung und Bewunderung seiner neuen Errungenschaft stürmten wir elanvoll los. Der Tag versprach schwül und heiß zu werden. Mit einer gehörigen Portion Rückenwind ging es flugs an die Eroberung des sogenannten befreundeten Nachbarstaates.

Kaum hatten wir Vater Rhein zur Hälfte überquert, änderte sich schlagartig alles. Aus dem Fahrrad wurde Velo, wohl, weil es sich aus den Wortfetzen Ve-Ventile sowie Lo- von Losfahren zusammensetzt. Wer mag sich in die Gedanken dieser Gallier versetzen? Außerdem wird aus Weckle = Baguette, aus Ortenaux = Bordeaux, und aus Schorschi = Djorsch, respektive Charlie. Die Betonung liegt auf dem „I“. Aber ich komme vom Thema ab.

Die erste Baustelle zwang uns bereits zu ersten undurchsichtigen Zickzackkursen. Mitten durchs Gebiet der Damen, die nicht nur fehlerfrei französisch zu sprechen vermögen. Mich quälte der Gedanke, warum man ausgerechnet von horizontalem Gewerbe spricht, da sie doch zunächst ihre Dienste vertikal, also aufrecht stehend offerieren. Wie dem auch sei, mit ein paar freundlichen Worten und der Vertröstung auf das nahende Wochenende radelten wir unvollrichtet weiter in Richtung La Wanzenau.

Teilweise machte sich größte Bewunderung über die gnadenlose Ortskenntnis von Schorschi in mir breit, wie warmer Glühwein an einem frostigen Winterabend. Da sich die Temperaturen allerdings anschickten die 30°C Marke locker zu nehmen, kam die Abkühlung schneller, als ersehnt. Erste ratlose Blicke schweiften über Flora und Fauna der Hoheitsgebiete unserer Erbfeinde. Meine vorsichtige Frage nach seinem Falk wurde mit dem Hinweis auf die fehlende europäische Software nur abweichend beantwortet. Was das Vertrauen in das geographische Wissen des Planers leicht erschütterte. Sicher wollte er mich mit dem Hinweis auf das natürlich mitgeführte analoge Kartenmaterial in Sicherheit wiegen. Zweifel blieben. Mit Recht, Schuld waren keinesfalls die fehlenden europäischen Seiten, sondern ausschließlich die bekannte Vergesslichkeit Schorschis. Da mir jedoch klar war, dass auf der einen Seite nur Vater Rhein unserer Tour eine natürliche Begrenzung bilden konnte, und auf der gegenüberliegenden Seite die Vogesen, nach vorn Paris und entgegengesetzt Basel, kehrte ein wenig Sicherheit zurück bei der Wahl der möglichen Varianten der Route.

Die Blütenpracht in den Auwäldern spendeten zwar allerlei Schatten, ermunterten jedoch die Nasenschleimhäute zu Juckreizen und Ausflüssen. Landauf, landab werden ganze Bevölkerungsschichten von allergischen Reaktionen geplagt. Unabhängig von Geschlecht und gesellschaftlichem Stand. Es gibt hier doch eine Gerechtigkeit, auch wenn Besagte ihre Nasen darüber rümpfen. Müssen. Mit abnehmender Distanz zum Stadtzentrum sorgte der Wechsel von Pollen zu Bollen für weitere allergische Erektionen. Eine erneute Geisel unserer, von kurzen, aber heftigen Irrfahrten, geschundenen Körper. Wir lechzten nach geistiger und körperlicher Reanimation. Die Wahl der vielversprechendsten Herberge viel auf einen schattigen Innenhof, in denen einer gewissen Beinfreiheit zum Entree zu gehören schien. Was, neben der kühlen Azoischere den nachhaltigen Erfolg unserer ersehnten Reanimation garantierte.

Nur ungern brachen wir wieder auf. Die Zeit lief uns davon – ich hatte Gattin, geliebter, versprochen, beim Packen der Koffer bei Zeiten zur Hand zu gehen. Die Gedanken hingen noch lange an dem schattig lauschigen Plätzchen der Kurzweil, als wir uns den Weg kurzatmig durch die heißen, schwülen Häuserschluchten bahnten. Ohne unser Ziel aus den Augen zu verlieren kämpften wir uns wieder auf deutschen Mutterboden zurück. Die Sonne stand im Zenit, der aufbrausende Wind brachte weder die ersehnte Kühlung noch sorgte er für den erhofften Schub. Ganz im Gegenteil – der Wind blies uns föhnig kräftig ins Gesicht! Wie gesagt, es war alles andere als ein kühlender kalter Wind von vorn! Warum wir auf all unseren Touren ausgerechnet auf dem Rückweg generell gegen den Wind von vorn abstrampeln müssen bleibt ein Geheimnis der Natur und Meteorologen. Ob Kachelmann hier zu nachvollziehbarer Aufklärung hätte beitragen können, weiß nur er selbst – höchstens noch die gnadenlose Alice Schwätzer, die hinter jedem männlich benannten Tief einen potentiellen Macho vermutet. Mögen uns die wirren Verschwörungstheorien der Steuerhinterzieherin verschonen, und der Patron der Radler beim nächsten Mal gesonnen sein. Man dürfte uns dann ruhig Veloioten nennen. Oder so ähnlich. Bon soir!