Eine der wohl nachhaltigsten Entscheidungen meines Rentnerdaseins war der Wechsel des Lebensmittelbeschaffungstages von Freitag auf Donnerstag. Den Lebensmitteln selbst ist es wurscht, ob sie freitags oder donnerstags gekauft werden. Eine ordentliche Versorgung im Haushalt vorausgesetzt, gibt es keine signifikanten Verluste an Qualität, Vitaminen und anderen Nährstoffen.

Der wöchentliche Kampf in den Regalreihen des Verbrauchermarktes richtet sich schwerwiegend gegen gleiche Artgenossen. Sie treten in den Vormittagsstunden paarweise in ganzen Rudeln auf. Nur selten streunen einzelne graue Wölfe zwischen Obst- und Gemüseauslagen, Käsetheke und Kühltruhen umher. Manche schauen sich hilfesuchend nach kundigem Personal um, andere sind bereits in Begleitung ihres Betreuers unterwegs, blicken teilnahmslos drein und schieben eher widerwillig den Einkaufswagen vor sich her, der sich langsam mit dem Notwendigsten füllt.

Ohne eine exakte strategische Planung ist der unerfahrene Rentner, gerne auch Frührentner, den Schnäppchenjägern und Vordränglern hoffnungslos unterlegen. Es sei jedem wärmstens ans Herz gelegt, dass diese Planung bereits am Samstag bzw. Sonntag erfolgen sollte. Zum einen verfügt man über die dazu notwendige Ruhe des Wochenendes, zum anderen füllen an diesen Tagen die Angebotsflyer der Märkte unsere Briefkästen. Ihr Studium ist eine gesunde Basis für die Menüs der bevorstehenden Woche. Die Pamphlete von Roller, Obi, Dehner, Dänisches Bettenlager und ATUs sollten zunächst aussortiert werden und bei akutem Bedarf für die Nonfood-Liste bereitgehalten werden.

Inhaltlich haben die Must-Haves Priorität. Sinnvoll ergänzt durch die individuellen persönlichen Wünsche der Lebensgemeinschaft. Zunächst erfasst man alle Waren in einer unstrukturierten Liste, die man, nach Vervollständigung, in die Laufroute-Liste überträgt. Sie beginnt, logisch und durch jahrelange Erfahrungen geprägt, beim Eingang mit Obst und Gemüse, über Kaffee zu den Nudeln, rechtsschwenk zur Käsetheke, anschließend die Milchprodukte und über Fisch sowie Fleisch und Wurstwaren noch zu Salz und Gewürzen. Von den Haushaltswaren geht es zu den Kühltheken und ab zur Kasse. Doch bevor man hier seine Membercard und den Bonuscoupon über den Scanner ziehen kann, ist es ein langer, schwerer Weg mit allerlei Hindernissen. Ein optimal strukturierter Einkaufszettel ist noch lange kein Garant für fehlerfreien, staufreien Einkauf. Dazu gibt es zu viele Imponderabilien zwischen den Regalen. Es kommt immer wieder zu Behinderungen durch wahllos agierende Paare. Auch Geisterschieber begegnen einem auf Schritt und Tritt, nur weil einem plötzlich einfällt, doch im vorhergehenden Themenbereich etwas vergessen zu haben.

Die wahren Dramen ereignen sich allerdings schon viel früher! Bereits die Anfahrt zum Parkplatz erweist sich als Martyrium. Die Linksabbieger-Ampel reicht, bei zügigem Start in die Grünphase, für 3 – 4 Kraftfahrzeuge. Demzufolge liegt man hier mit einer Kalkulation von 2- 3 Rotphasen gut im Schnitt. Hat man es dann bei feuerwehrgrün gerade noch geschafft breitet sich vor einem das Chaos schlechthin aus. Die Parkplatzsuche. Jeder möchte in der ersten Reihe stehen, die Türen für Fahrer und Beifahrerin sollte möglichst in ihrem vollen Ausschlag, im rechten Winkel zum Fahrzeug, zu öffnen sein. Die Kapazität des Parkplatzes würde sich dramatisch vermehren, wenn man spezielle Reihen für Käuferschichten ab 65 anlegen würde, die, wie auf Autobahnraststätten für LKWs, mit großen Leuchtziffern die freien Plätze signalisieren würden. Oder durch JPS gesteuerte automatische Einparkschneisen. Hat man diese Tortour ohne größere Blechschäden und Nervenzusammenbrüche überstanden, sollte man eiligst das unvermeidliche Shop-ABC passieren. Apotheke, Blumen, Café. Auch, wenn der Trolley ein wenig quietscht, es erweist sich allemal als die effektivere Lösung, als noch einmal zurück zum Eingang zu gehen, um in dem überdachten Wartehäuschen noch einen leichtgängigeren Karren zu ergattern.

An den SB-Waagen lauern die nächsten Überraschungen. Obst und Gemüse kegeln aus den unverschlossenen Plastiktüten, die Waren-Nr. wurde vergessen und ein Kontrollgang zurück zur Salatsteige wird erforderlich, wo man dann verwundert feststellt, dass man sich offensichtlich für Stückgut entschieden hat. Fälle, die genau anders herum verlaufen, dokumentieren sich später an der Kasse, wo sich vermeintliches Stückgut als gewichtsabhägige Ware entpuppt, und die Kassiererin den notwendigen Vorgang des Abwiegens und Etikettierens zeitraubend nachholen muss. Nach dem sorgsamen Verstauen der Waren vom Fließband, dem Scannen der Membercards und Bonuscoupons wird aufgeregt in der Börse geforscht, ob sich in einem verborgenen Winkel nicht doch noch Cent Stück erspähen lässt, um die Rechnung, im Part nach dem Komma, möglichst exakt begleichen zu können. Gerne sind allerlei Münzen bereits auf dem Fließband ausgebreitet, bis man feststellt, dass es wohl doch nicht ganz ausreicht, und man in den hinteren Fächern das Weichgeld zücken muss. Es sei der Vollständigkeit halber festgestellt, dass die Kartenbezahler die Staus an der Kasse nicht wesentlich verkürzen. Bis der Lesestreifen in der erforderten Position eingeführt wurde, das Passwort eingetippt, storniert, nochmal eingetippt, nun das richtige, sind die Kleingelddompteure an Kasse 2 auch im Endstadium des Zahlvorganges.

Bis zum Ausparken läuft soweit alles glatt. Unter Hupen, Rumfuchteln und Verwünschungen gelingt es die Parklücke für den nächsten Kandidaten frei zu machen, der am liebsten schon vor dem Ausparken hin gehuscht wäre, und so dicht aufgefahren ist, dass ein Ausparken ohne mehrmaliges Zurücksetzen kaum zu schaffen ist. Auch für geschickte Chauffeure mit jahrelangen unfallfreier Fahrpraxis. Hinter dem Anwärter auf die Parklücke hat sich mittlerweile eine ansehnliche Schlange gebildet, die in der Parkreihe kein Vor und Zurück mehr zulässt. Nach einer weiteren gefühlten Ewigkeit kam der Einparkvorgang schließlich zu einem glücklichen Ende. Jetzt noch die Ampel, und das Wochenende kann kommen.