Wenn sich die November Depression zu ihrem Höhepunkt kumuliert, ist die Adventszeit nicht mehr fern. Und damit das heilsamste Mittel gegen den Trübsinn. Jedenfalls für den einen Teil der Menschheit. Diese Zeitgenossinnen verfallen in einen hektischen Dekorausch und vertreiben Nebel, Niesel und den moderigen Geruch welker Blätter. Auf Schritt und Tritt stolpert Mann über Kugeln, Kerzen, Lichter, Räucherstäbchen und co. Kränze aus den abenteuerlichsten Materialien, Gestecke und Mistelzweige säumen Flure, Tische, Sideboards, Türen, Fensterläden, Terrassen und Freiflächen aller Art. Kein Platz ist vor ihnen sicher! IKEA meldet Jahr für Jahr neue Umsatzrekorde mit Teelichtern, die es inzwischen in zwei praktischen Größen zu erwerben gibt. Übrigens ist es eine Mär, dass Teelichter ausschließlich bei IKEA angeboten werden. Vom Ein-Euro-Shop über XXL bis in jeden Tante Emma Laden – Dekoartikel stehen in allen Gängen, toten Ecken und versperren den freien Weg in die Kassenzonen. Selbst vor Tankstellen macht das Repertoire nicht halt, und man wird neben einem Kaffee to go und dem Kratzer „Scheibenfrei“ zum Kauf von Lichterketten, Lametta, Engeln und Nikoläusen angehalten.

Während die ersten Lebkuchenherzen bereits Anfang Oktober vernascht wurden, findet der obligatorische Kuss unter dem Mistelzweig aus Zeitmangel kaum noch statt. Und wenn, dann nur flüchtig und lieblos hingehaucht. Sollte es in der Rechtsprechung bei Scheidung noch die Schuldfrage geben, die Dekorateurinnen hätten schlechte Karten. Natürlich nur die verheirateten.

Pünktlich zum ersten Advent öffnen auch die Weihnachtsmärkte. Und ich bin mir sicher, dass der Glühwein zur Besänftigung der Duldsamen erfunden wurde. Wie sonst könnte Mann die besinnlichen Tage überstehen?

Wer glaubt, dass in Kellern, Garagen und auf Dachböden jetzt gähnende Leere herrschen würde, weil Engelchen und Kollegen das traute Heim in Gänze erobert haben, der irrt. Täglich erweitern neue Wesen das üppige Sortiment. Und ganz ehrlich: Wer kann dem Liebreiz der Figürchen schon widerstehen, die in unser Leben unversehens wieder Einzug gehalten haben? Um fürs neue Jahr Platz im Hobbyraum für sinnvolles handwerkliches Tun zu schaffen, sollte Mann sich bei Zeiten um das Anmieten einer vakanten Lagerhalle bemühen. Für die ersten Jahre wäre sicher eine Partnerschaft mit Gleichgesinnten erstrebenswert, sofern man sich über eine unverwechselbare Kennzeichnung des Eigentums verständigen kann. Deko-Sharing ist unter den Aktivistinnen leider verpönt. Man will jährlich neue, eigene Reizpunkte setzen. So bleibt der ganzen Herrlichkeit nichts anders übrig, als reichlich Glühwein zu konsumieren und geduldig auf den Dreikönigstag zu warten, wenn die Rumstehchen wieder sorgsam verpackt im Sommerlager verstaut werden.