Zusammengefasst kann man sagen: Jou näh. So oder ähnlich überschwänglich, blumig würde der geborene Nordfriese seinen wunderschönen Urlaub beschreiben. Aber werfen wir einen Blick auf die bemerkenswerten Details: Eine Woche St. Peter Ording (SPO).

Ausufernde Begeisterung – der Strand. Schier ohne Ende, selbst der Horizont reichte nicht aus, um zu sehen, wohin das Wasser denn eigentlich läuft. Respektive woher bei Flut die Flut kommt. Platz genug haben sie ja. Woraufhin sich mir, trotz besseren Wissens, die Frage stellte, ob die Erde nicht doch eine Scheibe sei. Besonders bei Ebbe. Leider reichte die Zeit nicht, um die Frage verbindlich zu klären.

Den Plänen, ein paar Tage in SPO zu genießen, habe ich bedingungslos zugestimmt, weil ich mich insgeheim rächen wollte. Rächen an der Kirche. Ein Atheist in St. Peter. Späte Rache für seit über 40 Jahren gezahlte Kirchensteuer, obwohl ich mich bereits Ende der 60er aus diesem Club verabschiedet hatte. Es war eine Rache, die weder von den Eingeborenen noch von der Schar der Touristen beachtet, noch mit frenetischem Beifall bedacht wurde. Daraufhin habe ich den Ort konsequent in Hans-Peter Ording umgetauft. Um mein Gewissen zu beruhigen. Ich wollte schließlich einen erholsamen Urlaub verbringen und nicht ständig an die unfreiwilligen, äußerst großzügigen Spenden erinnert werden, die ich den Kuttenträgern unfreiwillig in die prallen Säckel abtreten musste.

Hans-Peter Ording bestand aus 3 Ortsteilen Hans, Peter und Ording. Hätte man denken können. Weit gefehlt. Da haben wir nämlich den Intellekt der Nordfriesen deutlich unterschätzt. Der Pate der Gemeinde bestand schlicht auf: Dorf, Bad und Ording. Von Süd nach Nord, für den geographisch minderbemittelten: von Holland nach Dänemark. Außer den Namen unterscheiden sich die Ortsteile dramatisch. Das Dorf macht seinem Namen alle Ehre! Wunderschön, enge Gassen, kleine reetgedeckte Häuschen, schnuckelige Restaurants. Las man eine Speisenkarte, kannte man alle. Matjes, Krabben, Heringe namens Bismarck, Scholle und Kabeljau, zu denen es grundsätzlich Bratkartoffeln gab. Selbst die Preise bewegten sich in einer Spanne, differierten maximal in den Stellen hinter dem Komma Punkt. So hat es der Touristen Verband den Besuchern leicht gemacht sich für einen bestimmten gastronomischen Betrieb zu entscheiden. Man konnte sich voll auf den Kampf um die besten Plätze konzentrieren, oder um die Erziehung der ungeduldigen Kinder, oder um weitere vergebene Liebesmühe zur Abrichtung der Betatiere.

Bad hieß wohl deshalb Bad, weil das Baden im Meer besonderen Anlass zur Freude gab. Die Weite des Strandes, die Feinkörnigkeit des Sandes, die hundefreien Zonen, und die Sicherheit in diesen unruhigen Zeiten. Der Deutsche tat sich seit jeher hervor, wenn es um die Erbauung von Wehranlagen und Burgen ging. Was in Bad Väter, Großväter und Heranwachsende erschufen lässt die Architekten des Westwalls oder der Maschino-Linie im Grabe rotieren. Ihre Ausrichtung nach UK war seit dem Brexit von elementarer Bedeutung. Unberechenbarkeit wurde nur vom Blanken Hans erwartet. Den Mächten der Natur, mit ihren unzähmbaren Gewalten überstanden selbst die monumentalsten Bollwerke lediglich ein paar Zyklen der brausenden See. Puh, ist das nicht heroisch?

Ach ja, Bad. Im krassen Gegensatz zum Dorf brandeten hier die Gesehenwerdenwollenden durch die Einkaufsmeile, die ebenso in jedem beliebigen anderen Kaff hätte rumstehen können. Geschäfte mit Angeboten, so überflüssig wie die Ideen von Thomas de Misere bzw. Ursula von der Leyden. Ich frage mich immer wieder: Wer kauft den ganzen Müll eigentlich? Und wer entwirft, produziert, vertreibt und verkauft diese Abnormitäten an Kitsch? Obwohl – eine gewisse Affinität mit den Hunderassen ließ sich nicht verleugnen. Sogar die Gesichter der Halter spiegelten sich auf wundersame Weise in denen der Rumgezerrten wider. Oder umgekehrt? Ich werde mich zu gegebenem Anlass wissenschaftlich mit diesem Thema auseinander setzten. Also, eine Kreuzung aus Bad und Dorf wäre das perfekte Idyll.

Sollte irgendjemand an dem Ortsteil Ording interessiert sein? Nein? Auch gut, denn den kann man getrost ignorieren. Ein paar nette Häuschen. Zugegeben ordentlich und adrett aber die Bürgersteige werden nach intensiven Recherchen erst gar nicht nach unten geklappt, um sich das Personal zu ersparen. Ein-Euro-Jobber und bestens integrierte Migranten stürzten sich frustriert bereits nach wenigen Stunden von den Dünen ins offene Meer, um der Tristesse ein jähes Ende zu setzen.

Der Altersdurchschnitt entpuppte sich als durchschnittlich. Rüstige Rentner und junge Familien hielten sich die Waage und so pegelte sich der Durchschnitt eben zwischen 40 und 50 Jahren ein. Zur besseren Unterscheidung erkannte man die Unterdurchschnittlichen an den Golden Retrievers oder Labradoren, die Rüstigen eher an undefinierbar getunten Ratten, wie Malti-Poos, Skih Tzus oder Yorkis. Ganz offensichtlich durften diese eine maximale Körperhöhe von 20 cm nicht überschreiten. Das Geläuf derart kurz, dass die Beine nur in Ausnahmefällen bis auf die Erde reichten. Meine Bewunderung errangen sie sich dadurch, dass sie, trotz ihrer körperlichen Defizite, ein so lang anhaltendes Gekläffe verkraftet haben. Wer mit wem Gassi ging, bleibt nebulös. Gezerrt wurde an beiden Enden der Leine –meist behielten die Zweibeiner die Oberhand.

Das Geplärr der Reproduktionen und das Gekläffe der vierbeinigen Mode-Accessoires hielten sich die Waage. Meist übertönte beides zeitlich parallel das Rauschen des Meeres. Über Verbote und Leinenzwang (nicht für die Halter! Leider!) setzte man sich elegant hinweg. Deshalb  plärrten auch noch die Lautsprechen gegen Brandung, Geplärr und Gekläffe über den Strand ohne Ufer. Bezeichnender Weise stand unser Strandkorb unmittelbar neben einem Schicht mit rotem Rand und durchgestrichenem Hund unbekannter Rasse. Ich konnte mich entspannt in der 314 zurücklehnen.

In der Straße der Eitelkeiten, genannt Fußgänger Meile, an der sich alle Restaurants und Cafés breit machten, standen die Stühle nicht nach dem Stand der Sonne ausgerichtet, sondern nach der Methode bestens Sehen und optimales Gesehen werden. Mit der Faustregel: Je übersichtlicher das Treiben zu beobachten war, desto höher die Getränkepreise. Zwischen Paaren mit Steuerklasse 1, Großeltern mit Enkeln oder Pinschern und Jüngere mit Ansa Taifun oder Amely Luyanda oder Brokleyn oder wie immer die Bedauernswerten heute benannt werden, und Golden Retrievers oder Labradoren, radelten dann auch noch die Hund- und kinderlosen mit ihren Leihrädern. Ein munteres Geklingel schreckt die Passanten aus den seligsten Urlausträumen. Zusammenstöße endeten in der Regel mit verbalen Attacken. Es mangelte neben Einsicht auch an ausreichendem Platz bzw. Alternativen, um die Bedarfe rechtskräftig voneinander zu trennen. In der ganzen Hilflosigkeit der regionalen Amts- und Würdenträger hat man die einzige Parallelstraße zur Küste als Einbahnstraße ausgeschildert. Jedoch nur für die Autos. Alle anderen Verkehrsteilnehmer streunten munter in alle Richtungen durch den Ort Bad, was zu manch skurrilen Szenen führte. Ordnungshüter wurden generell nur auf den kostenpflichtigen Parkplätzen gesichtet, um Unholde mit Knöllchen verkehrszuerziehen. Wenigstens ein Anfang.

Läge nicht der Gosch in absoluter 1A-Lage, wäre unsere Urlaubskasse deutlich entlasteter geblieben. Fisch und anderes Meeresgetier zu passablen Konditionen. Dafür beste Qualität und frisch aus den Fluten. Bei den Erfrischungen ragte die Schere beim Preis-Erfrischungs-Verhältnis recht weit auseinander. Was uns generell nicht hinderte ein begonnenes Gespräch mit den Tischnachbarn jäh zu beenden. Diese führte dazu, dass wir an der SB-Theke immer wieder freudigst begrüßt wurden mit der für den Döspaddel eigenen Art: „Da bis du ja wieder“. Die Thematiken des Klönschnacks hatten wir in kürzester Zeit intus. Wetter, Strand, Verweildauer, Herkunft. Bei längeren Verbrüderungen kam auch schon mal der Brexit, Doping, Steuergeschenke vor der kommenden Wahl, Staus bei der Anreise am Elbtunnel, Beruf und / oder Hobbies zur Sprache. Bei neuen Tischnachbarn begann nach kurzem Abtasten der Dialog von vorn.

Alles in Allem ein gelungener, herrlicher Urlaub: Jou näh!