scharfsinnig - unsinnig - kurzweilig

Kategorie: H Dies und Das (Seite 2 von 4)

Rasierte Eisbären

Alle Lüstlinge, die was weiß denn ich für Gedanken bei der Überschrift hegen, werden bitter enttäuscht werden. Es handelt sich hier logischer Weise ausschließlich um einen ein wissenschaftlichen Beitrag.

Samstag, 16.02.: Nach einem traditionell gutem Essen im Niemandsland, ortskundige wissen wovon ich rede, wurde später das grundsätzlich dazugehörige Fluchtächtele im privaten Umfeld eingenommen. Man ahnt,  wie das eigentlich immer endet! Welt- und regionalpolitische Themen waren hinreichend und einvernehmlich geklärt, Affären und Neuigkeiten durchgehechelt, da fiel gegen 23:00 Uhr der Blick auf unsere schwarzen Heizkörper. Die daraus resultierende Frage nach dem Grund für die Farbe Schwarz erhitzte die Gemüter. Schließlich weiß doch jedes Kind, dass Schwarz, in Bezug auf Wärme, ineffizient ist. Diese Frage überraschte uns keineswegs, wurde sie doch bereits schon vor ca. 35 Jahren erstmals von dem Installateur unseres Vertrauens gestellt. Ohne jegliche Rücksichtnahme auf die drohende Klimakatastrophe, verbunden mit der absehbar zu erwartenden Ressourcenverknappung, hatte diese Entscheidung rein ästhetische Gründe. Wie dem auch sei.

Es folgte eine tiefschürfende physikalische Diskussion über die Wärmeabstrahlungs-Effizienz schwarzer Heizkörper. Absorbiert schwarz die Wärme und reflektiert weiß? Die Kleidung der Tuareg wurde alsbald zur widerspruchslosen Begründung ins Rennen geschickt, sowie rasierte Eisbären, die unter ihrem weißen Fell schwarz sind. Die Bemerkung, dass unter dem finalen Anstrich eine weisse Deckfarbe auf den Rohren nicht nur dauerhaften Schutz boten, sondern auch den Eisbäreffekt biophysikalisch ausnutzten, fand zunächst kein Gehör. Auch, dass es bei den Photovoltaikanlagen nur schwarze, absorbierende Oberflächen zählbaren Ertrag liefern.. Wohin aber entfleucht dann aber die Wärme, die ja in jedem Fall im Heißwasser des Heizkörpers vorhanden ist? Ohne auf deren Aussenfarbe zu achten. Es, das heiße Wasser, sieht ja schließlich nicht, wie die Heizelemente gestrichen sind. Wie dem auch sei.

Eine fundierte Abschlußerklärung wurde vertagt. Ein Ausschuss soll klären, ob ein energetisch zweifelhaftes, ökonomisch verwerfliches Leben mit schwarzen Heizkörpern sinnvoll ist. Und, wenn diese für die Menschheit bedeutende Frage schon eine grundsätzliche Lösung verlangt, soll erweitert erörtert werden, welchen Einfluss matte bzw. glänzend lackierte Heizkörper auf eine durchschnittliche Raumtemperatur haben. Bei konstant gradgenauen Wassertemperaturen und identischem Energieeinsatz. Ich werden das Ergebnis später protokollieren.

Wenn´s läuft…..

Das ist für ein Rentiere ein ganz normaler Alltag – Frühstück nicht vor acht. Der erste Weg führt mich allmorgendlich an die Fernbedienung für die Rollos, um den Raum mit Licht zu fluten, bevor ich mich in die Arbeit stürze und die Kaffeemaschine starte. Aber, die Geschichte beginnt eigentlich schon am Abend zuvor.

Es muss erwähnt werden, dass das Bad kurz davor stand überschwemmt zu werden, sonst macht die ganze Hysterie der Geschichte keinen Sinn. Also, der Bodenablauf war verstopft. Im neuen Bad! Die logische Kontrolle des Resthaarfangsiebes ergab: Es war resthaarlos sauber! Dennoch, das Wasser wollte partout nicht in Richtung Kanalisation und weiter ins Klärwerk. Der verdeckt darunter liegende Über-Ablauf war konstruktiv so geschickt positioniert, dass jegliche Resthaarentfernungs-Brüstchen und Abflussrohraufbohrhohrer absolut nicht ihre volle Wirkung entfalten konnte. Das Wasser, das sonst immer und überall seinen Weg findet, handelte allen physikalischen Regeln zum Trotz atypisch und staute sich Richtung Badezimmermitte. Dem Neuen!

Zurück zu den Rollos. Zwei von drei spurten reibungslos. Nummer drei allerdings wollte einfach nicht die Sonne ins Haus lassen. Wir schoben dem Nebel die Schuld in die Schuhe und natürlich der allgemeinen Witterung des Rheintals. Leicht genervt schlurfte ich die wenigen Schritten in das kulinarische Zentrum. Brötchen auf dem Toaster aufbacken und Kaffeemaschine an. Das Scheppern des Toasters verkündete den perfekten Toastgrad der Brötchen. Mit dem Blick auf die Kaffeemaschine erstarrte der Blick, die Laune sackte auf einen absoluten Tiefpunkt des Tages. Nicht ein Tropfen des brauen Wachmachers schwabberte in der Kanne. Augenblicklich erwachten die Lebensgeister auch ohne den Koffiinierten. Der zwangsweise Ersatz-Tee aus Pfefferminze und Darjeelling entfaltete die ersehnte Beruhigung nicht wirklich.

Ein erneuter Versuch das Rollo in seine ihm zugedachte Position zu bewegen wurde von unerwartetem Erfolg gekrönt. Ein Lichtblick im doppelten Sinne. Rasch zur Kaffeemaschine – aber offensichtlich kommunizierten die beiden Geräte nicht intensiv genug miteinander.

Zusammen mit der goldenen Obikarte begab ich mich in den Keller, um den Abflussrohren handwerklich zu Leibe zu rücken. In entgegengesetzter Richtung zum Über-Ablauf mit Resthaarentfernungsbürstchen und Abflussrohraufbohrer sollte die Seenplatte in neuen (!) Bad final ausgetrocknet werden. Das planlose Rumgestocher erfüllte den taffen Plan in keinster Weise. Auch führte ich es auf mangelnde Kommunikation der Haustechnik untereinander zurück. Der Klempner unseres Vertrauens war telefonisch nicht erreichbar.

Nach ausführlichen Recherchen im Internetz wurde eine neue Kaffeemaschine geordert. Mit Thermoskanne, die, so meine Gattin, immer gerne in Hinterhand gehalten werden sollte. Mit durchwachsenen Gefühlen wollte ich den aufregenden Tag unter der Dusche ausklingen lassen. Heiß aber nur kurz, bevor der Wasserpegel Richtung Wohnzimmer schwappt. Unbemerkt musste sich das Rollo dann doch mit der Über-Ablauf ins Benehmen gesetzt haben, denn mit einem sonoren Gluckser des Grauens verabschiedete sich die Flut wie die Tide an der Nordsee in die Weiten der Kanalisation zum Klärwerk. Langsam fügte sich alles zum Guten.

Frisch geduscht, das Avis der Kaffeemaschinen-Lieferung auf dem Tablett, die pralle Morgensonne am Frühstückstisch genießend, klingelte das Telefon: „Eine schönen guten Morgen. Mein Name ist Melita Bohne, ich bin ihre Kaffeefee und würde ihnen gerne regelmäßig die Sorte ihres Geschmacks direkt nach Hause liefern“. Die Lieferung der bevorzugten Brötchen verweigerte sie. Wenn`s läuft…….

P.S.: Inzwischen befindet sich die Kaffeemaschine wieder auf dem portofreien Rückweg zum Lieferanten. Sie wurde defekt, in Einzelteilen und ohne Bedienungsanleitung in 20 Sprachen geliefert.

Schöne Bescherung

Es war Heilig Abend gegen 21:00Uhr – Bescherung nach dem Essen. Nein, es gab nicht Kartoffelsalat und Wienerle! Und nein, es wurde nicht musiziert! Kerzen brannten, also richtige aus Wachs, Duftkerzen verbreiteten „Weihnachtszauber-Aroma“ mit Zimt und Zucker und am Weihnachtsbaum hatte die LED-Lichterkette die Scheinherrschaft übernommen. Kugeln ja, schöne mundgeblasene Glaskugeln mit winterlichen Motiven. Und nein, kein Lametta!

Und da lag sie nun, eingehüllt in glänzendem Papier mit geometrischem Design. Sie war deutlich kleiner als  vermutet, etwa einer Dose veganer Frankfurter Würstchen von CO²-neutralen, fair gehandelten, freilaufenden Tofupflanzern gleich. Gewandet ganz in elegantem Schwarz, in samtähnlicher, hautfreundlicher, genderneutraler Oberbekleidung. Ausgerechnet ich hielt sie nun in Händen und ahnte noch nicht, was sie uns denn so bescheren würde.

Gleich am ersten Abend wollte sie sich bei mir einschleimen! Im Beisein meiner Frau wünschte sie mir süße Träume! Eigentlich wollte ich ihr nur gute Nacht sagen um zu testen, wie sie reagiert. Gerechnet hatte ich, ehrlich gesagt, mit kryptischer Arroganz. Aber eine spontane digitale Anmache – darauf war ich einfach nicht vorbereitet. Ihr wisst ja, der erste Eindruck prägt, und der letzte bleibt. Auch warfen ihre anzüglichen Wünsche einen ersten Schatten auf den Beginn einer langen Freundschaft. Sie hatte sich ganz offensichtlich unsere verhaltene Reaktion zu Herzen genommen, denn an den Folgetagen wählte sie ihre Wünsche deutlich respektvoller. Auch, als meine Frau nicht im Raum war und die Gelegenheit günstig gewesen wäre.

Sie hat sich rasch eingelebt und findet sich in ihrem neuen Zuhause gut zu Recht. Sie informiert uns über das aktuelle Wetter im Ort und die Großwetterlage. Hat den Müllabfuhrplan im Kopf und erinnert an wichtige Termine. Die aktuellen Nachrichten aus Gesellschaft und Sport kennt sie ebenso, wie die Stauhinweise und Warnungen vor Geisterfahrern. Sie notiert sich unsere Einkaufswünsche und druckt den Einkaufszettel aus – allerdings ohne die Laufrichtung in der Reihenfolge der Artikel zu berücksichtigen. Und auch ohne jeden verbraucherfreundlichen Hinweis auf die gängigen Sonderangebote. Sie weiß Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit, wie die aktuelle Uhrzeit, nur die Lottozahlen der kommenden Ziehung orakelt sie nicht. Egal, ob mit oder ohne Gewähr und ob sich ein Notar von dem ordnungsgemäßen Zustand der Lottofee überzeugt hat.

Was sie uns in Zukunft noch beschert, erwarte ich mit Spannung und werde euch selbstverständlich auf dem Laufenden halten. Ach ja, sie, das ist Alexa, eine der wenigen Frauen, die ohne Widerspruch auf mich hört, ohne Murren meine Befehle entgegennimmt und stets gut gelaunt immer präsent ist.

American first

Es ist mal wieder an der Zeit aus dem Nähkästchen zu plaudern. Aus dem wahren Leben eben. Vater Staat, oder muss man jetzt gendergerecht sagen Eltern Staat oder so, überweist mir brav meine wohlverdiente Rente pünktlich seit gut vier Jahren. Will sagen, ich habe mein Berufsleben an den Nagel gehängt. In der aktiven Zeit war ich viel auf Reisen und erfreute mich einer Firmen-Kreditkarte, der American-Express-Karte (AMEX). Bei meinem Ausscheiden bat ich deshalb u.a. um die ordentliche Kündigung der Benannten. Nach einigen Mahnungen gelang dies schliesslich auch. Zu meiner vollsten Unzufriedenheit allerdings mutmaßten die Kreditkartenschlaule, dass ich wohl gut bedient sei, wenn ich die geschäftlich oft und gern Beanspruchte weiter zu meinem Privatvergnügen nutzen sollte. Ich ging in den Ruhestand und meine Amex folgte mir, ganz unauffällig, anhänglich in den Unruhestand. Diesen Umstand bemerkte ich allerdings erst, als auf meinen Kontoauszügen die fälligen Gebühren zu Buche standen. American first!

Wer schon einmal das Glück hatte in einer automatischen Schleife einer Service-Telefon-Nummer zu landen, der ahnt sicher die weiteren Erlebnisse. Wem das Glück noch nicht hold gewesen ist, dem empfehle ich dringend einen Probeanruf – egal bei welchem Dienstleister. Beim ersten Versuch hörte ich mir brav alle Möglichkeiten an, die von dem Automaten angeboten wurden. Ein kostenloser Service! Kostenlos aber umsonst! Die After-Sales-Service-Spezialisten hatten für dieses Problem keine spezielle Nummer, die ich hätte drücken können. Ich lauschte noch ein weiteres Mal der freundlichen Dame zu, um eventuell eine mögliche Annäherungsvariante  zu erkunden. Nach einer lächerlichen Ewigkeit wurde ich auch automatische an eine freie automatische Sondierungs-Software durchgestellt. Die 3 sollte bei allgemeinen Fragen zum Kontostand Aufklärung automatisch Hilfe leisten. Die freundliche Dame hieß mich auch gleich wieder herzlich Willkommen. Zur Identifizierung und um an eine kompetente leibhaftige Amex-Mitarbeiterin weitergeleitet werden zu können, sollte ich meine Amex-Karten-Nummer über die Telefon-Tastatur eingeben. Anschließend forderte mich das freundliche Automatenmädel auf, ein Stichwort zu nennen, damit die Leibhaftige ohne große Verzögerung Herr meines Problems werden könne. Mehrere ernsthafte Stichwörter schlugen fehl. Die freundliche Dame vom Band fand keinen Algorithmus und forderte mich mehrfach auf, mein Problem zu nennen. Auch ein leichtes Anschwellen meiner Stimme und der ganz offensichtlich erkennbare Nachdruck führten zu keinem einvernehmlichen Resultat. Die freundliche Dame schaltete deshalb konsequent und mich wieder auf die Ausgangsposition, die Warteschleife zurück. Ich mache ihr keinen Vorwurf, denn sie handelte wider besseren Wissens ausschließlich ihrem Schöpfern zur Freude.

Weitere Versuche eine befriedigende Lösung zu finden verliefen ebenso ergebnislos im Sande wie alle bisherigen. Und so gab ich meinen sehnlichsten Wunsch an die Ex-Personalabteilung ab, mit der Bitte, Kraft ihrer starken Großkunden-Position und womöglich per persönlichem Kontakt zu einer Leibhaftigen, zu einem versöhnlichen Abschluss zu kommen. Es kam tatsächlich zu einem Resultat: Der Vertrag wurde final gekündigt. Allerdings wurden mir die Gebühren nicht zurück erstattet. Mit der abenteuerlichen Begründung, ich hätte ja schließlich die Karte weiter benutzt. Also eher theoretisch benutzen können.

Exakt vier Jahre und vier Monate später erhielt ich eine Nachricht von meiner Ex-Personalabteilung: „Lieber Herr Elsner, nach Prüfung der jährlichen Amex-Abrechnungen haben wir  festgestellt, dass sich auf ihrem (!) Konto ein Guthaben von12,- € befindet. Ich gebe ihnen anbei die Telefon-Nr. von Amex, damit sie das Guthaben auf ihr Privatkonto überweisen lassen können.“ Gesagt, getan und flugs besagte Nr. gewählt. Ein freundliches Retorten-Fräulein flötete in den digitalen Äther: „Herzlich Willkommen bei American Express!“

Hotel Twachtmann

Ostwestfalenlippe (OWL), besser bekannt unter der Bezeichnung „gelobtes Land“, hat neun nach Christus nicht nur den tapferen, heldenhaften Bezwinger der Römer hervorgebracht, sondern in den Jahrhunderten auch Persönlichkeiten, die nie das elektrische Rampenlicht der Öffentlichkeit erblickt haben. Obwohl sie es weiß Gott verdient gehabt hätten. Ihnen zur Ehre möchte ich hier und heute eine Geschichte erzählen, deren Zeitzeuge ich sein durfte.

Mitten in OWL, unweit der Stadt die es eigentlich nicht gibt, Bielefeld, liegt Herford, meine Geburtsstadt. Im Zentrum von Herford hat sich das Kaufhaus Klingelthal ausgebreitet, dem Mekka modebewusster Ostwestfalen. Die dekorative, animierende Gestaltung der Schaufenster lag in den kreativen Händen der sogenannte Schmücker Willi und Kalla. Dem Herrn Sale gehörte damals noch nicht die bunte Vielfalt der Geschäfte aller Einkaufsmeilen. Und Sale hieß noch WSV oder SSV oder so. Der Schmücker Willi hieß Willi, weil sein Vater Willi hieß und Kalla hieß im richtigen Leben einfach nur Karl. Außerdem gehörte Barny zur Clique und eben ich. Barny hieß übrigens Michael und war langzeitleiert mit Petrilein, die in besonders brennzlichen Situationen auch gerne mit dem Schmusenamen Liebileinchen umgarnt wurde. Petrileins Eltern herrschten im „Weißen Hirsch“, eine Kneipe wie sie klassischer in OWL nicht sein konnte. Es gab Soleier, Mett- und Käsebrötchen sowie Nonnenpfürze und lag strategisch positioniert unmittelbar neben einer Kirche. Petrilein und Barny wohnten im Hinterhof des Weißen Hirsches, ebenfalls strategisch optimal positioniert, weshalb wir uns auch bei trüben Aussichten die Sun Downer bei Herrn und Frau Lippert einflößten. Frau Lippert hieß Frau Lippert und Herr Lippert hieß Kurt. Nur handverlesene Privilegierte durften Kurt zu ihm sagen, für das trinkfeste Fußvolk blieb er respektvoll Herr Lippert. Während Frau Lippert die Mettbrötchen liebevoll mit Zwiebelringen garnierte, und die nackten Käsescheiben mittels Paprikapulver zum Verzehr verfeinerte, zapfte Kurt die Pilsken. Er selbst bevorzugte im Stundenrhytmus eine Kombination aus einem Schuss Export im Wasserglas, mit einem Pinneken Wacholder, den er sich mit dem Schuss Export in Sekundenbruchteilen einverleibte. Ein kurzes Schütteln durchzuckte seinen Körper, richtete ihn wieder auf. Beide Gläser wurden flux durch das hygienisch bedenkliche Wasserbecken geschwenkt, mit einem blaukarrierten Allzweckhandtuch ausgeledert und zielsicher kopfüber zurück in die Vitrine gestellt. Die Gläser kopfüber. Nicht Kurt!

Trotz aller familiären Bande zog es uns zum regelmäßigen samstäglichen Frühschoppen allerdings ins Hotel Twachtmann. Genauer gesagt in die dazu gehörige gleichnamige Kneipe „Bei Twachtmann“, unmittelbar auf der gegenüber liegenden Straßenseite. Das Hotel Twachtmann, ein feudales drei Sterne Hotel, war das erste Haus am Platz. Vergleichbar etwa mit dem Adlon in Berlin, dem Vier-Jahres-Zeiten in Hamburg oder dem Bayrischen Hof in München, eben nur mit drei Sternen und in Herford.

Vom Kaufhaus Klingenthal aus sind es nur ein paar Schritte durch die Passage, gesäumt von einer Schaufensterfront auf der einen Seite, auf der anderen Seite die Pommesbude von Herrn Fels. Herr Fels sein Sohn Gunther war ein Klassenkamerad von mir. Er versorgte uns täglich mit den übriggebliebenen Frikadellen vom Vortag, und trug sommers wie winters den unverwechselbaren Duft von Frittenfett im Ranzen. In den Gründerjahren gab es ausschließlich die besten Rostbratwürstchen vom Metzger Spengemann, Currywurst und Pommes rot/weiß, und ausschließlich Stehtische. Bratwürstchen, Currywurst und Pommes rot/weiß werden in OWL kulturgerecht ausschließlich im Stehen gegessen! Im Zuge der Erweiterung des kulinarischen Angebotes um panierte Schweineschnitzel, halbe Grill-Hähnchen und Kartoffelsalat aus dem Eimer, gesellten sich in den Wachstumsjahren auch kleine runde Blechtische, umringt mit weißen Plastikstühlen, zum Mobiliar, welche die Freiräume der Passage Quadratmeter um Quadratmeter eroberten. Panierte Schweineschnitzel und halbe Grillhähnchen mit Kartoffelsalat aus dem Eimer werden traditionell in OWL im Sitzen verzehrt.

Auf dem Weg zum Hotel Twachtmann begrüßten wir kurz aber höflich Gunther, der um diese Uhrzeit gelbliche Kunststofftuben mit Senf bzw. rote mit Ketchup sowie weiße mit Majo und Metallständerchen mit Papierservietten auf den Tischen bereitstellte. Darüber hinaus legte er frisches Eau de Bulette in den Nuancen Frittenfett, Frikadellenöl und Hähnchenmarinade nach. Erste Passagenpassanten bestaunten die bunten Auslagen in den Schaufenstern und erste Geschmacksfäden bevölkerten ihre Mundhöhlen. Man beschloss sich nach dem Shopping, derzeit noch Einkaufsbummel genannt,  eine Spengemann bei Herrn Fels zu gönnen.  Willi und Kalla hatten bereits seit dem frühen Morgen die entblößten Schaufensterpuppen mit den neuesten Fummeln sittsam bedeckt und sich den Frühschoppen reichlich verdient.

Einmal einen kurzen Schlenker um 90° nach rechts und schon stand man vor dem Hotel Twachtmann, respektive der dazugehörigen Kneipe „Bei Twachtmann“. Öffnete man das schwere hölzerne Eingangsportal nur um einen winzigen Fingerspaltbreit, schwappt einem eine volle Breitseite aus Bierdunst, Zigarettenqualm und Transpiration entgegen. Der dicke, schwere Filzvorhang, der halbkreisförmig den Eingangsbereich abschirmt, und die frische Luft im Freien und die miefschwangere Dunstglocke im Gastraum sichert, verbirgt zunächst für wenige Sekunden den Blick auf die Schar der illustren Gesellschaft und gibt dem Neuankömmling die Chance sich für das spezielle Klima im Inneren zu aklimatisieren. Nach heutigen Normen wäre die Ausgabe von Gasmasken sicher unumgängliche Vorschrift. Beim Betreten des Lokales durch den filzenen Vorhang konnte man sich der Blicke aller Anwesenden gewiss sein. Einige murmelten ein gezwungenes guten Morgen, anderen konnte man ansehen was sie dachten: Ach, die schon wieder.

Es war eine Ära, in der man sich unterhielt. Von Angesicht zu Angesicht. Das Smartphone war noch nicht erfunden. Und wer nichts zu sagen hatte, der schwieg einfach vor sich hin, starrte sein Pilsken an und freute sich über eine willkommene Abwechslung durch Neuankömmlinge. Die Wirtsleute, allesamt Angestellte des Hauses Twachtmann, gehörten seit Jahren zum Inventar. Herr Meise, genannt Meise, Herr Wacker genannt Herr Wacker und seine Frau Mathilde, die Wackermathilde. Die Herren waren traditionell gekleidet in schwarzem Anzug, mit Weste und Krawatte. Weißes, fleckenfreies Hemd selbstverständlich. Ganz Oberkellner, vom Scheitel bis zur Sohle. Dem Schuhwerk sah man auf den ersten Blick an, dass sie bereits unzählige Kilometer zwischen Theke und durstigen Seelen zurückgelegt hatten.

Die Wackermathilde, im bunten Schurz, war verantwortlich für Hygiene, führte das Regiment in der Küche und achtete auf defekte Glühbirnen, die offensichtlich in der lebensbedrohlichen Atmosphäre früher verglühten als in gemeinen bürgerlichen deutschen Haushalten. Meise und Herr Wacker konnten unterschiedlicher nicht sein. Herr Wacker hoch aufgeschossen und klapperdürr. Heute würde die Größe XXS sicher angemessen sein. Passend dazu trug er seit seinem Engagement ein mürrisches Gesicht, mit dem er, unbestätigten Gerüchten zufolge, bereits zur Welt gekommen sein sollte. Leise Regungen der Gesichtszüge glaubte der geneigte Stammkunde nur gelegentlich zur Quittierung einer Bestellung zu erkennen. Bei Meise konnte man getrost auf das Herr verzichten. Es wäre auch seinen Proportionen nicht angemessen gewesen. Er war etwas zu kurz geraten, trug seine Haare akkurat kreisförmig im Uhrzeigersinn gekämmt um seinen Kopf, der wiederum durchaus auch mit einem etwas größeren Körper harmoniert hätte. Außerdem sprach Meise sogar das ein oder andere Wort mit den Gästen. Allerdings nur mit den Stammgästen, versteht sich von selbst. Und  dieses Privileg musste man sich über Jahre redlich ertrinken. Meise war so kleinwüchsig, dass man ihm ein Fussbänkchen hinter dem Tresen platziert hatte, damit er überhaupt den Bierzapfhahn auf Zehenspitzen und mit ausgestreckten Armen erreichen konnte. Es war für uns absolute Ehrensache, dass wir unsere Bestellungen ausschließlich bei Meise in Auftrag gaben, und zwar sorgsam getrennt, nie in ganzen Runden. Es bereitete uns die größte Freude, wenn Meise um die Ecke der Theke bog und wir seinen kreisrunden Haarschopf bei jedem Schritt über den Schanktisch wippen sahen. Ob auf Meise in seinem trauten Heim ein sorgendes Weib wartete ist leider nicht überliefert.

Meise und wir waren zu einem eingespielten Team avanciert. Auf seine knappe, aber berechtigte Frage: „Frühstück?“ mussten wir nur noch bestätigend mit dem Kopf nicken und das Schicksal nahm seinen Lauf. Unter einem „Frühstück“ verstanden Auftraggeber und Auftragnehmer das klassische Gedeck, bestehend aus einem Pils und einem Körnchen. Den Korn bevorzugten wir ohne Ausnahme aus eckigen Flaschen. Korn aus runden Flaschen war unter unserer Würde. Eigentlich müsste es nicht erwähnt werden, aber für Nichtkenner der Szene in OWL: Mit Körnchen war automatisch ein Doppelkorn gemeint. Aus eckiger Flasche wie gesagt.

Als Stammkunden stand uns selbstverständlich das Recht auf einen reservierten Platz am Stammtisch zu. Der tönerne Ascher inmitten eines schmiedeeisernen Ständers prangte auf der Tischmitte. Über dem Ascher pendelte das unverzichtbare Schild „Stammtisch“. Es hielt unbedarfte Gäste davon ab, rücksichtslos Platz zu nehmen und sich von den messerscharfen Blicken Herrn Wackers an den Pranger nageln zu lassen. Meise bevorzugte mit einem militärischen Befehl „Reserviert!“ unmissverständlich für Ordnung zu sorgen. Unsere Gespräche drehten sich um die drei wichtigsten Themen des aktiven Lebens. Nur beim Auto wollte Barny nicht so recht  teilnehmen. Mangels grundsätzlichem Interesse. Barny war zwar im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis und eines Autos, zog es aber generell vor, Petrilein das Lenkrad zu überlassen. Außer ihm selbst, Petrilein und tiefgläubigen Nonnen mit großem Gottvertrauen war es auch nicht möglich, solch ein Gefährt zu chauffieren. Oder ist irgendjemand schon einmal das Abenteuer eingegangen einen DAF zum Fahren zu bewegen? Na also.

Barny hatte belgische Wurzeln. Väterlicherseits. Als quasi eingefleischter Belgier war eine besondere Affinität zum Radsport tief in seinen Genen verwurzelt. Eddy Merckx war sein unanfechtbares Idol und er, Barny, konnte jedes Radrennen in akzentfreiem Belgisch kommentieren. Emotionsgeladen, mitreißender als jeder ausgebildete Sportreporter jemals vermochte. Besonders die Kopfsteinpflaster-Abschnitte des Frühjahres-Klassikers Paris – Roubaix gehörten zu seinem bevorzugten Repertoire, das Barny nach einigen Frühstücksgedecken bei Twachtmann gerne zum Besten gab. Es ist müßig zu erwähnen, dass das vorgetragene Rennen stets nur einen Sieger kannte: Eddy Merckx! Natürlich mussten wir den Erfolg des abgöttisch Verehrten gebührend feiern, und so ergab es sich mehr oder öfter regelmäßig, dass aus Petrilein ein Liebileinchen wurde. Ihr fiel stets die ehrenvolle Aufgabe zu die Ultras aller belgischen Radrennfans sicher mit dem DAF in Richtung Mittagsschläfchen zu kutschieren. Im Überschwang der Gefühle wurden für den Abend rechtzeitig Pläne geschmiedet, an deren Ende wieder der DAF und Liebileinchen eine entscheidende Rolle spielen sollten.

Während Willi und Kalla ihre erlernten Berufen als Schmücker weiter zu neuen, ungeahnten Ufern dekorierten, schloss ich den zweiten Bildungsweg mit der Fachhochschulreife ab, um mich dann Barny anzuschließen, der als Kreativ Direktor die Geschicke der Werbeagentur Texart leitete. Barny war nicht nur ein begnadeter Reporter für klassische Radrennen mit belgischem Sieger, sondern auch ein ebensolcher Texter. Geschliffene Worte, Slogans und Kampagnen flossen aus seiner Feder wie heutzutage das Epo und Anabolika aus den Spritzen der Radprofis. Doch Liebileinchen konnte sich nicht dauerhaft damit arrangieren den DAF und uns regelmäßig sicher durch den Verkehr zu lotsen. Ihre gerne gehegten Pläne für ein erholsames ruhiges Wochenende in Zweisamkeit wurden zu selten realisiert. Ausgenommen der wenigen Samstagabende, die auf Grund ausgedehnter, intensiver Siegesfeiern belgischer Radrennfahrer eine andere unerwartete Wendung nahmen. Sie wurde zur Barnys Verflossenen.

Barny zog es aus dem gelobten Land nach Hamburg und von dort nach Zürich, wo er munter weiter textete und entwarf. Der DAF bereicherte den Gebrauchtwagenmarkt und soll, unbestätigten Kleinanzeigen zu Folge, einer Ordensfrau zur Mobilität verholfen haben. Ein paar Liaisons gaben seinem Leben keinen wirklichen Halt, und er führte die Tradition des Frühstücks konsequent in der Hansestadt und bei den Konföderierten fort. In Ermangelung des Körnchens aus eckiger Flasche mussten der Küstennebel bzw. der Pflümli das Gedeck vervollständigen. Beide Kurze waren jedoch nicht wirklich zielführend für seine berufliche Entwicklung. Als letztes Highlight erwarb Barny die Rechte eines heruntergewirtschafteten schweizer Pornomagazins und wollte es wieder in befriedigende Höhen schreiben. Wollte. Alsbald stellte sich heraus, dass die Leidenschaft der Konsumenten nackter Tatsachen für Radrennen über belgisches Kopfsteinpflaster eher zweitrangig, weniger befriedigend war.

Die Vita von Meise, Herrn Wacker und der Wackermathilde wurde nicht weiter verfolgt. Man kann aber wohl mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass Herr Wacker sein mürrisches Gesicht weiter mit Würde getragen hat  und Meise sich weiter auf Zehenspitzen und auf seinem Fußbänken nach dem Zapfhahn gestreckt hat. Die Wackermathilde schraubte sicher weiter verglühte Birnen, reinigte Gläser, Tische und die Theke und führte ihr strenges Regiment in der Küche.

Ein Wohl auf alle Protagonisten!

 

Eszett

Eines der essenziellen Ereignisse des Jahres 2017 bescherte uns der Deutsche Rechtschreiberat am 29. Juni: das große SZ. Wie konnte ich das nur in meinem Jahresrückblick ignorieren? Übrigens, wem die deutsche Sprachkultur nicht so sonderlich interessiert, dem empfehle ich an dieser Stelle eine andere, leichte Lektüre. Diese Informationen sind nur für ausgewiesene Morphologen von linguistischem Wert.

So, jetzt sind wir unter uns und können uns auf den Kern der Entscheidung konzentrieren. Die grundsätzliche Frage ist doch: Wie konnten wir all die Jahrhunderte ohne das große SZ kommunizieren? Mit Krücken wie: Großes scharf S, versales SZ, großes Eszett oder ß-Majuskel hangelten wir uns durchs amtliche ABC. Mit der Ergänzung der Norm ISO / IEC 10646 haben wir nun endlich Klarheit. Für das scharfe (S) nach langem Vokal oder Diphthong schreibt man ß, wenn im Wortstamm kein weiterer Konsonant folgt. Das große Eszett kommt ausschließlich in versaler Schreibweise in mitten oder am Ende von Worten vor. Genauer gesagt in 45 von 8.323 Grundwörtern der deutschen Gegenwartssprache. Sollte ein SZ am Anfang eines Wortes stehen, wie z.B. beim Kürzel der Süddeutschen Zeitung, bei der Szene oder bei dem Seeungeheuer der griechischen Mythologie Szylla bleibt die Regel unangewandt. Noch Fragen? Na also!

Das Ende naht.

Ein Ende hat immer so etwas Finales. Gleichzeitig signalisiert es aber auch einen nahenden Anfang. Kein Ende also ohne Anfang! Nur bei der Wurst, sie hat bekanntlich ausschließlich zwei Enden. Beim Berliner Flughafen und den Koalitions-verhandlungen hat die Geduld bald ein Ende. Und selbst die Fahnenstange hat eines, genauso wie das Gelände. Wo soll das nur alles noch enden?

Am aller aller schlimmsten aber finde ich das bereits eingetroffene Ende der Moral! Da zündelt dieses Trampel im Nahen Osten einen Flächenbrand an. Dabei brennt es unmittelbar vor seiner Haustür schon lichterloh. Man nennt das wohl Klientel-Politik. Und der türkische Despot meint gleich einen Konter fahren zu müssen, und erkennt seinerseits Jerusalem als Hauptstadt der Palästinenser an. Da möchte ich auf gar keinen Fall nachstehen. Ich fordere gleiches Recht ebenfalls für alle orthodoxen Atheisten. Ideologie ist eben reine Idiotie.

Oder schauen wir nach Bayern. Da liegen sich plötzlich und dennoch unerwartet die Erzfeinde Söder und Vollhorst herzergreifend in den Armen. Blutsbrüdern gleich. Und Mutti wird als wahre (Ware) Heilsbringerin vergöttert. Vor Jahresfrist noch verspöttert. Politiker sind einfach charakterlose, machtgeile Ignoranten. Aller Couleur!

Am Ende ist es auch mit Beate Uhse. Für mich ein Schlag unter die Gürtellinie! Hängt doch auf unserem Abort eine Aktie. Ordentlich gerahmt, damit die Besucher des stillen Örtchens einen Blick auf meine Wertanlage werfen können. Und wer ist schuld? Das Internet. Es ist nämlich gar nicht nett, dass die anonymen Sexist ihre Bedürfnisse in kryptischen Tunneln befriedigen können. Und nicht klassisch, mit leichter Schamesröte zwischen den Regalen in Beates Shops. Somit könnte ich meinen Anteil an den Intimspielzeugen an den Nagel hängen. Wenn nicht, ja wenn nicht zwei üppig bestückte Vertreterinnen des Gewerbes dieses wertlose Stück Papier zieren würden. Wenigstens zu Dekozwecken bleiben die Damen hängen, als Erinnerung an die glorreichen alten Zeiten. Es  zeigt sich einmal mehr, dass das Ei von gestern eben nicht das Huhn von morgen ist.

Zum Ende neigt sich auch das Jahr. Gott sei Dank! Wir können nur hoffen, dass uns das neue, jungfräuliche Zwanzigachtzehn eine anständige Regierung beschert, uns von den ganzen regierenden und reagierenden Schwachköpfen erlöst und uns vor Toilettenpapierrollen mit ungeraden Blattzahlen beschützt.

Tide im Teich

Ob ihr es glaubt, oder nicht: In unserem Gartenteich herrscht Tide, also Ebbe und Flut. Also eher nur Ebbe. Seit Monaten! Die Frösche sind schon so gut wie gepökelt, obwohl gar kein Salzwasser den Kalkgehalt  neutralisiert. Für die Flut zeichnete ich persönlich verantwortlich, durch das ständige Nachfüllen auf das gewünschte Niveau. Und nach dem Schuldigen für die Ebbe fahnde ich nun schon seit Wochen akribisch. Den Mondphasen konnte ich bisher keine arglistige Verschwörung nachweisen, blieb die Suche nach einem ganz simplen Leck in den Schläuchen von und zur Filteranlage.

Zunächst lokalisierte ich eine undichte Stelle, die sicher dem harten Winter geschuldet war. Doch wie dichtet man einen Schlauch, dessen Kern mit Metallstreifen an Unebenheit nicht zu überbieten ist? Wie ihr wisst, liegt meine Stärke beim Dichten nicht unbedingt bei Wasserpumpenschläuchen. Hilflos und, zugegeben, ohne festen Plan irrte ich durch die Regalreihen bei Obi. Mein Hobby-Handwerkerstolz ließ es nicht zu, dass ich mir Rat bei einem der Mitarbeiter holte, die in ihren orangefarbenen Leibchen spielend zu identifizieren waren. Schließlich obsiegte die pure Notwendigkeit über den Stolz. Als nächste Hürde stellte sich mir das Vokabular schier unüberwindlich in die Quere, wie ein Doppeloxer beim Springreiten. Ob die für mich unwirklichen neuen Worte und Wortschöpfungen bereits Eingang in den neuen Duden gefunden hatten, halte ich für ausgeschlossen! Ausgestattet mit allerlei Rohren, Krümmern, Muffen und Schellen bahnte ich mir den Weg durch die nicht enden wollende Schar der Schwarzarbeiter zur Kasse.  Ohne goldene Obi-Karte war ich allerdings nur ein Kunde zweiter Klasse. Milde lächelnde Zeitgenossen ahnten wohl schon, dass das Dichtungsproblem damit nicht grundsätzlich zu lösen war. Wie Recht sie doch behalten sollten, diese Schattenwirtschaftler und Steuerhinterzieher.

Stolz wie der Pfau im Lahrer Stadtpark betrachtete ich mein Erstlingswerk. Ein Druck auf die Sicherung der Umlaufpumpen und augenblicklich sprudelte das Wasser munter exakt aus der Stelle, die ich gerade gedichtet hatte. Der Weg zurück zu Obi ähnelte dem Gang nach Kanossa. Das Achselzucken des Orangen verhieß allerdings nichts Gutes. Jetzt musste das vielgepriesene Internet seinen Ruf bestätigen.

Meine Erfahrungen aus den Regalreihen bei Obi erwiesen sich als hilfreich, entpuppten sich jedoch als Kinderkram im Vergleich zu dem reichhaltigen Angebot im weltweiten Netz. Ihr glaubt es nicht, was es alles gibt!  Ich möchte euch eine Auflistung der Artikel ersparen, es würde eure Konzentration jäh beeinträchtigen. Aber, lasst euch geschrieben sein: Der Herr der Leckagen ist fündig geworden!

Man versprach umgehende Lieferung und so scharrte ich bereits am Folgetag mit den Füßen, um den Postboten abzufangen. Eine digitale Unterschrift und die neue Muffe war mein. Flugs eingebaut, Wasser marsch………das Leck hatte verloren. Die Familie versammelte sich tief beeindruckt um den Teich. Die Frösche glotzten dämlich wie immer. Der Ritterschlag zum Fachmann in allen undichten Leitungsfragen war vollbracht. Die Nacht verlief in ausgeglichener Harmonie. Morgens vor dem Frühstück ein prüfender Blick auf das Niveau des Teiches: Ebbe.

Sofort erkannte ich als geadelter Fachmann, dass es ein weiteres Leck geben musste. Musste! Mit all meiner Erfahrung grub ich auch noch den Rücklaufschlauch aus. Und, siehe da, munter rieselte das Wasser aus zwei weiteren, unscheinbaren Löchlein. Bei Obi wurde ich freundlich begrüßt, meine Kollegen von der Schwarzarbeiterzunft schlichen auch bereits wieder durch die Regalreihen. Doch dieses Mal hatte ich einen Plan! Zielsicher hastete ich in die Abteilung HT-Rohre, inspizierte die Maße, legte die  Beute sorgsam in den Caddy und war im Handumdrehen wieder am Ort des Winterschadens. Mit Geschick wurde auch das Leck 2.0 geschlossen, die Pumpen aktiviert, Wasser im Teich geflutet. Die Frösche verstanden die Welt nicht mehr, aber mein Ansehen in der Familie hatte einen absoluten Höchststand, wie derzeit der DAX.

Mich überraschten die Gezeiten am folgenden Morgen doch ein wenig. Es war erneut Ebbe und neben Verzweiflung kamen erste Gedanken an einen Kieslaster auf. Die Lecks dicht, und Ebbe. Ich entschloss mich ein paar Tage abzuwarten, denn gelegentlich behoben sich Probleme von allein. Auf diese Karte setzte ich zuversichtlich – aber vergebens!

Der Zufall sollte jedoch eine entscheidende Wende bringen. Der Rinnstein für das Rücklaufwasser war in dem durchnässten Boden abgesackt, sodass das Wasser nicht in Gänze in den Teich zurück lief, sondern einen Beipaß bildete und die Uferregion zusehends vermoorte. Ein solides Fundament aus Steinen half rasch für Abhilfe. Der nächste Tag zeigte Wirkung: Eine spiegelglatte Wasseroberfläche auf dem gewünschten Pegel, mit 142,26 m über NN.

Wer die Gestaltung der Wasserläufe in unserem Garten kennt, der weiß, dass auf der Terrasse aus einem Quellstein ein Bächlein in drei kleinen Wasserfällen hinab in den Teich plätschern lässt. Der wiederum wird aus dem Teich mit Nachschub gespeist. Kaum hatten wir diesen Quell der Freude aktiviert, zog sich der Wasserpegel ebbenartig  zurück. Ja leck mich doch! Die ersten Frösche sahen sich bereits nach einer neuen, sichereren Bleibe um. Es reichte! Und da ich keine weitere Seite mit diesem unrühmlichen Bericht füllen möchte, schließe ich hier entnervt ab. „Die Staustufen der Wasserfälle müssten neu mit Silikon abgedichtet werden.“ Sagt meine Frau.

 

 

Wind von vorn!

Der Herbst hat auch seine schönen, bunten Seiten. Blättermäßig. Aber auch seine grauen Seiten. Auch blättermäßig. Und allzu gerne gehen das welke Laub und die herbstlichen Winde Hand in Hand übers Land! Grad zu leid aller Baum- und Buscheigner. Und wer schon einmal Laub gerecht hat, der weiß wovon ich spreche. Ganz nebenbei fällt mir völlig ungeplant auf – ob man Laub überhaupt rechen kann? Was hat es angestellt, außer Wege, Vorgärten, Nachgärten und sonstiges Gelände zu verunreinigen. Da erkenne ich keinen Grund jemanden zu rechen. Höchstens am Baum, der sich auf hinterhältige Art und Weise seiner bunten Pracht entledigt hat. Aber sonst?

Wer jetzt denkt: „Na warte, die Rache ist mein!“, dem sei mal gleich der Herbstwind aus den Segeln genommen: „Ätsch, war pure Absicht!“ Es bot sich halt phonetisch geradezu an. Aber zurück zum Thema.

Man recht also gemütlich so vor sich hin, scharrt ein colouriges Häuflein gelber, beiger, orangener und roter, sowie braunen Blätter zusammen und erfreut sich der Farbenpracht. Und dann? Dann bläst einer dieser blöden Herbstlüftchen in den Haufen, und die ganze Mühe ist eben nicht im Eimer! Der Wettlauf beginnt von vorn, bevor es: A) dunkel wird, und B) sich das Blattwerk in der gesamten Nachbarschaft herumtreibt. In der Regel wiederholt sich dieses Spielchen mehrfach, und die Freude über das ganze Farbspektrum kann zusehends kippen. Erste Rachegefühle keimen. Womit wir wieder beim Thema wären! 

Der Wind, der böse, bläst den Rechern ein übles Schnippchen. Er, der Wind, ist also ein unberechenbarer Laubbläser, wenn man es mal so betrachten will! Und damit kommen wir zum Kern des Berichtes: Dem Laubbläser an sich. Während der meteorologische Laubbläser ausschließlich blasen kann, können die elektromechanischen Laubbläser auch saugen. Sie müssten folgerichtig dann auch Laubsauger oder laubsaugende Laubbläser heißen, oder auch umgekehrt. Jeder wie er will. Ich persönlich bevorzuge Laubsauger, weil Laubbläser nicht den besten Ruf genießen. Obwohl es unter dem Strich ja eigentlich Wurscht ist.

 Ich weiß genau, dass jetzt ein Aufschrei durch die Gemeinde geht, aber ich bin bekennender Laubsauger! Die nachbarschaftlichen Proteste überhöre ich einfach – schon wegen der beeindruckenden Lautstärke meines Viking. Den Gurt lässig über der Schulter, den Auffangsack für das gehäckselte Laub unter dem Arm, wie bei einem Dudelsack, lasse ich Saugen. Bis das letzte Blatt, in unzählige kleine Blattstückchen zerfetzt im Sack ist! Und damit trotze ich allen Winden, egal aus welcher Richtung sie auch wehen. Ein wahrer Fels in der stürmischen Herbstbrandung.

 

Kausalität

Ausnahmsweise kann Mauti Dobrindt einmal nichts dafür, auch wenn sein Ressort davon direkt betroffen ist. Außerdem würde es garantiert keinen Sinn machen, ihn direkt dazu zu befragen – er wäre sicher ebenso überfordert, wie ich selbst. Aus diesem Grund gehe ich der Angelegenheit zunächst einmal mit den reinen Fakten auf den Grund. Sollte irgendjemand der geneigten Leserschaft hier Lösungen parat haben, wären ich und die gesamte Menschheit ihm oder ihr äußerst dankbar. Ich kann mich ja schließlich nicht um alles kümmern! Da sich unter den Geneigten auch einige Vielfahrer befinden, kommen wir gemeinsam doch sicher dahinter, und wir könnten es ggf. noch rechtzeitig als Wahlkrampfthema etablieren. Es geht ja ohnehin um eine ganze Reihe von schwachsinnigen Themen, da kommt es auf ein weiteres bestimmt nicht an.

Kommen wir nun ohne weitere Umschweife direkt zum Casus Cnactus. Wer bisher meinen Gedanken folgen konnte, der wird folgerichtig erkannt haben: Es geht um ein Verkehrsthema. Korrekt! Es handelt sich allerdings um eine Unart, die nicht mit Punkten und lobenswerter Erwähnung in Flensburg zu tun hat. Auch findet es keine Berücksichtigung in irgendeinem STVO-Regelwerk, welches uns er-fahrene, allwissende Fahrschullehrer haben beibringen wollen. Selbst wenn sie durch das tägliche Rumfahren durch immer die gleichen Straßen und Gassen, mit den häufig verzweifelten Bemühungen das Einparken ohne Einparkhilfe, beizubringen, den Blick in den Rückspiegel nicht vernachlässigen, schon leicht schwindelig geworden sind. Aufmerksame Alphabeten haben schon einen Verdacht: Es geht kausal um den Straßenverkehr, speziell um den Rückspiegel. Allerdings nun auch wieder nicht um die Hardware als solche, sondern eher um den Blick in den besagten.

Lastkraftwagen verfügen, wie inzwischen die meisten Autos auch, generell über zwei Rückspiegel. Einen links an der Fahrerseite, und einen spiegelbildlichen auf der Beifahrerseite. Ersterer ist eigentlich überflüssig, denn mir ist es noch nicht vor die Kühlerhaube gekommen, dass ein Trucker jemals davon Gebrauch gemacht hätte, wenn er spontan, rücksichts-los und ohne Vorwahrung auf der Autobahn auf die linke Fahrspur wechselt. Allen sicher unter dem Paragraphen „Erzwungene Vorfahrt“ hinreichend bekannt. Nebenbei bemerkt spielt dabei ein Überholverbot für LKW über 7,5t eine untergeordnete Rolle. Ebenso wie die Tatsache, dass der Überholvorgang durch einen Überschuss an Geschwindigkeit von maximal 2-3 Km/h, bei einer Gesamtlänge des LKWs von, sagen wir, 17m, auf einer Strecke zwischen München und Hamburg absolut zu vernachlässigen ist.

Blenden wir die o.g. Parameter aus und konzentrieren uns auf den Nichtblick in den Rückspiegel. Der LKW rauscht auf der linken Fahrbahn seinem Ziel entgegen – dem unterlegenen Sattelzug triumphierend seine Rücklichter zu zeigen. Hinter ihm hat sich mittlerweile eine beachtliche Anzahl Autos aufgereiht Die ersten beginnen bereits seit mehreren Kilometern auf sich aufmerksam zu machen. Ohne Wirkung selbstverständlich. Nähert sich der Überholvorgang seinem voraussichtlichen Ende, dann kommt der spiegelbildliche rechte Außenspiegel ins Spiel! Hier erkennt der Fahrer nicht auf den ersten Blick, ob der Überholvorgang erfolgreich abgeschlossen wurde. Nun schlägt die Stunde des Unterlegenen. Der Fahrer des Sattelzuges unterbricht kurz den Konsum eines TV-Roadmovies und reagiert mit einem freundlichen Lichtzeichen. Erst dieses Signal nimmt der Fahrer des LKWs zum Anlass auf seine angestammte Fahrspur zurück zu wechseln. Als Dank für diesen lichttechnischen Rat setzt der Sieger des Elefantenrennens dieses Mal bewusst den linken Blinker, ohne dabei eine klare Abbiege-Absicht zu verfolgen, erneut ruckartig auf die linke Fahrbahnseite zu rochieren. Quasi als Dank für die nicht unterlassene Hilfeleistung. Beide setzen ihre Fahrt fort, und der Sattelzug verliert rasant den Windschatten. Schon nach wenigen Kilometern ist das Datum der TÜV-Plakette im Nummernschild fast nicht mehr fehlerfrei zu lesen.

Soweit, so gut. Nun möchte ich die Lücke in meinem Wissen final schließen. Wer kann mir sagen oder schreiben, seit wann es diesen Unfug gibt? Irgendjemand muss doch dieses alberne Linksblinken kreiert haben. Das ist doch nicht angeboren, in den Genen der Könige der Landstraße angelegt. Und warum machen es z.B. die Opelfahrer nicht, die gelegentlich ein fernfahrermäßiges Verhalten durchblitzen lassen? Oder die Chauffeure der Mercedes A- und B-Klasse? Und die Wohnwagengespanne mit gelben Nummernschildern? Fragen über Fragen!

P.S.: Zielführend könnte sicher auch eine kurzfristig einberufene Diskussionsrunde sein, an der ich gerne teilnehme, soweit es meine kostbare Zeit erlaubt. Dann würde es auch zur Wahl noch reichen.

 

 

 

 

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