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Kategorie: G Reportagen (Seite 5 von 5)

Prä-ampel

Herausforderungen dieser Tragweite erfordern eine äußerst detaillierte Planung, die ohne tatkräftige Unterstützung Vieler und den selbstlosen Rückhalt in der Familie undenkbar wäre. So ist es nur recht, wenn dieser Dokumentation vorangestellt alle betroffenen Personen angemessen würdigt.

An allererster Stelle möchte ich unseren Frauen von ganzem Herzen danken. Sie haben uns vom Urknall des Gedankens bis zur Realisation mit viel Fantasie geist- und wortreich zur Seite gestanden. In diesen Wochen und Monaten mussten auch unsere Reproduktionen zurückstecken, und konnten seltener unter das wärmende Gefieder ihrer Mütter schlüpfen. Ihr Verständnis findet ebenfalls unseren Respekt.

Danken möchten wir natürlich unseren Eltern, die bereits Ostern 1955 den Grundstein legten, indem sie uns mit viel Geduld beibrachten, wie das Gleichgewicht auf zwei Rädern, ohne den Verlust der Vorderzähne, zu erlernen ist.

Finalen Anteil an der schadlosen Bewältigung des Abenteuers haben wir unserem Trainerteam zu verdanken. Den Fitness-, Physio- und Mentaltrainern ebenso, wie den Technikern und Diätassistentinnen. Ohne körperliche und mentale Stärke wäre eine derartige Aufgabe zum Scheitern verurteilt.

Ferner möchten wir den Helfern im Back Up sinnbildlich die Hände schütteln. Als da wären: Den tapferen Polizeikräften, dem DRK und THW, der freiwilligen und unfreiwilligen Feuerwehr, der Bernhardiner-Staffel aus dem Engadin, den Gelben Engeln der ADAC-Helikopter, sowie der Crew des Hochsee-Rettungsschiffes Elbe 1.

Das Rahmenprogramm wurde choreographiert von unseren bundesweiten ehrenamtlichen Fan-Clubs, der GoGoGirlGruppe des Bremerhavener Milieus und den reizenden Cheerleaders des Flachlandradsportvereins Rund um Westerstede.

Last but not least gebührt unser Dank unseren Sponsoren. In besonderer Weise hat sich mit ihrem Beitrag die Bundesrentenanstalt hervorgetan. Unser Dank geht auch in die Bundeshauptstadt nach Berlin.

Christophorus hat ganz sicher einen entscheidenden Beitrag geleistet, der uns vor Plattfüßen, Felgenbrüchen und chronischem Klingelknopfversagen behütete.

Was wäre diese Dokumentation ohne seine Akteure? Georg, dem Vollkommenen, Kronen, der visuelle Chronist. Immer und überall hatte er ein Auge für die wesentlichen Motive, für die verborgenen Schönheiten am Rande der Strecke. Und Armin, der Begnadete, der für den verbalen Part verantwortlich zeichnet. Mit  treffenden Worten für jede Mögliche und unmögliche Situation.

Post Skriptum: Wir widmen diese Dokumentation allen Anhängerkupplungen, die unentdeckt ein teilnahmsloses Dasein fristen, und keine tragende Rolle erfüllen können.

Le Tour de France

Le Tour de France: 12.05.2015

Geplante Abfahrt wie immer – 09:30 Uhr Start mit dem Auto. Die Vorfreude währte nicht lange: Vollsperrung der A5 zwischen Appenweier und Achern – der Stau allerdings machte sich bereits kurz nach Offenburg breit. Er bremste auch die Euphorie. Prompt hatte ich auch schon Schorschi am Ohr. Aufgeregt wie immer. Meine voraussichtliche Ankunftszeit sorgt nicht zwingend für Entspannung. Da ich mich jedoch auch im Auto auf eine überdurchschnittliche fahrerische Qualität verlassen kann, erreichte ich Schorschi rascher, als vom Navi prophezeit. Man kann sich eben auf nichts mehr verlassen. Außer natürlich auf mich selbst. Von Schorschi sah ich zunächst nur den Po aus der Garage ragen. Der Kopf war tief in einem Regal verschwunden, unterhalb der Polinie. Was er suchte bleibt nach wie vor im Verborgenen. Für diesen Bericht aber auch in keinster Weise relevant.

Nach der Besichtigung und Bewunderung seiner neuen Errungenschaft stürmten wir elanvoll los. Der Tag versprach schwül und heiß zu werden. Mit einer gehörigen Portion Rückenwind ging es flugs an die Eroberung des sogenannten befreundeten Nachbarstaates.

Kaum hatten wir Vater Rhein zur Hälfte überquert, änderte sich schlagartig alles. Aus dem Fahrrad wurde Velo, wohl, weil es sich aus den Wortfetzen Ve-Ventile sowie Lo- von Losfahren zusammensetzt. Wer mag sich in die Gedanken dieser Gallier versetzen? Außerdem wird aus Weckle = Baguette, aus Ortenaux = Bordeaux, und aus Schorschi = Djorsch, respektive Charlie. Die Betonung liegt auf dem „I“. Aber ich komme vom Thema ab.

Die erste Baustelle zwang uns bereits zu ersten undurchsichtigen Zickzackkursen. Mitten durchs Gebiet der Damen, die nicht nur fehlerfrei französisch zu sprechen vermögen. Mich quälte der Gedanke, warum man ausgerechnet von horizontalem Gewerbe spricht, da sie doch zunächst ihre Dienste vertikal, also aufrecht stehend offerieren. Wie dem auch sei, mit ein paar freundlichen Worten und der Vertröstung auf das nahende Wochenende radelten wir unvollrichtet weiter in Richtung La Wanzenau.

Teilweise machte sich größte Bewunderung über die gnadenlose Ortskenntnis von Schorschi in mir breit, wie warmer Glühwein an einem frostigen Winterabend. Da sich die Temperaturen allerdings anschickten die 30°C Marke locker zu nehmen, kam die Abkühlung schneller, als ersehnt. Erste ratlose Blicke schweiften über Flora und Fauna der Hoheitsgebiete unserer Erbfeinde. Meine vorsichtige Frage nach seinem Falk wurde mit dem Hinweis auf die fehlende europäische Software nur abweichend beantwortet. Was das Vertrauen in das geographische Wissen des Planers leicht erschütterte. Sicher wollte er mich mit dem Hinweis auf das natürlich mitgeführte analoge Kartenmaterial in Sicherheit wiegen. Zweifel blieben. Mit Recht, Schuld waren keinesfalls die fehlenden europäischen Seiten, sondern ausschließlich die bekannte Vergesslichkeit Schorschis. Da mir jedoch klar war, dass auf der einen Seite nur Vater Rhein unserer Tour eine natürliche Begrenzung bilden konnte, und auf der gegenüberliegenden Seite die Vogesen, nach vorn Paris und entgegengesetzt Basel, kehrte ein wenig Sicherheit zurück bei der Wahl der möglichen Varianten der Route.

Die Blütenpracht in den Auwäldern spendeten zwar allerlei Schatten, ermunterten jedoch die Nasenschleimhäute zu Juckreizen und Ausflüssen. Landauf, landab werden ganze Bevölkerungsschichten von allergischen Reaktionen geplagt. Unabhängig von Geschlecht und gesellschaftlichem Stand. Es gibt hier doch eine Gerechtigkeit, auch wenn Besagte ihre Nasen darüber rümpfen. Müssen. Mit abnehmender Distanz zum Stadtzentrum sorgte der Wechsel von Pollen zu Bollen für weitere allergische Erektionen. Eine erneute Geisel unserer, von kurzen, aber heftigen Irrfahrten, geschundenen Körper. Wir lechzten nach geistiger und körperlicher Reanimation. Die Wahl der vielversprechendsten Herberge viel auf einen schattigen Innenhof, in denen einer gewissen Beinfreiheit zum Entree zu gehören schien. Was, neben der kühlen Azoischere den nachhaltigen Erfolg unserer ersehnten Reanimation garantierte.

Nur ungern brachen wir wieder auf. Die Zeit lief uns davon – ich hatte Gattin, geliebter, versprochen, beim Packen der Koffer bei Zeiten zur Hand zu gehen. Die Gedanken hingen noch lange an dem schattig lauschigen Plätzchen der Kurzweil, als wir uns den Weg kurzatmig durch die heißen, schwülen Häuserschluchten bahnten. Ohne unser Ziel aus den Augen zu verlieren kämpften wir uns wieder auf deutschen Mutterboden zurück. Die Sonne stand im Zenit, der aufbrausende Wind brachte weder die ersehnte Kühlung noch sorgte er für den erhofften Schub. Ganz im Gegenteil – der Wind blies uns föhnig kräftig ins Gesicht! Wie gesagt, es war alles andere als ein kühlender kalter Wind von vorn! Warum wir auf all unseren Touren ausgerechnet auf dem Rückweg generell gegen den Wind von vorn abstrampeln müssen bleibt ein Geheimnis der Natur und Meteorologen. Ob Kachelmann hier zu nachvollziehbarer Aufklärung hätte beitragen können, weiß nur er selbst – höchstens noch die gnadenlose Alice Schwätzer, die hinter jedem männlich benannten Tief einen potentiellen Macho vermutet. Mögen uns die wirren Verschwörungstheorien der Steuerhinterzieherin verschonen, und der Patron der Radler beim nächsten Mal gesonnen sein. Man dürfte uns dann ruhig Veloioten nennen. Oder so ähnlich. Bon soir!

 

Thor-Tour / ProLog

Thor-Tour / Pro Log 21. April 2015

Die Kontertour erfolgte bereits eine Woche drauf. Schorschi stand in der Pflicht alles für die Fahrt ins Gallierland zu planen. Abfahrt Eckartsweier, gleiche Zeit, eben nur ohne einen unerwarteten Werstattaufenthalt. Ich war auf alle denkbaren und undenkbaren Ereignisse mental vorbereitet. Schorschi hüpfte bereits auf der Straße vor dem Haus aufgeregt herum. „Wir müssen uns beeilen, der Zug fährt um 11:00 Uhr ab. In Appenweier. Wir fahren nicht ins Gallierland!“ Auch gut, dachte ich.

Schorschi fröstelte noch ein wenig. Jacke an, und kräftig in die Pedale getreten, der Zug ins Renchtal wartete nicht auf uns. Natürlich hatten wir Gegenwind. Aber erfahren, wie wir bei unserer zweiten Tour nun schon mal waren, schafften wir es locker! Eine ganze Viertelstunden vor Abfahrt. Das war auch dringend erforderlich, denn Schorschi übernahm das Kommando am Fahrkartenautomaten. Gruppentiket mit Fahrrad oder Rentnerermässigung, alles Felder, die die Bahn nicht vorgesehen hatte. Ebenfalls die mögliche Variante, das Schorschi als Behinderter und ich als Betreuungsperson kostenlos mitreisen dürfte. Hinter uns wurde die Schlange länger und ungeduldiger. Nach ein paar gut gemeinten Ratschlägen nervös werdender Passagiere, ließ sich unser Teamleader überzeugen, die beiden Tickets einzeln zu erwerben. Geld war nicht zu sparen, aber Zeit, was in diesem Fall die sicherste Lösung zu sein schien. Nach wenigen Sekunden waren wir stolze Besitzer der Billetts nach Oppenau, und entspannten dadurch zusehens die ernste Lage unter den kartenlosen, potentiellen Mitreisenden.

Ein zwei waggongiger Triebwagen, ohne Speisewagen, fuhr überraschend pünktlich ein. Die Räder waren behänd verstaut. Ein platzsuchender Blick in das Innere des Triebwagenabteils ließ uns realisieren: Wir waren nicht allein. Lauter Rentner mit offensichtlich ähnlichen Zielen. Stockenten, Stockerpel, und auch zwei Radler. Angeber, ausgestattet mit rot / schwarzen Satteltaschen von Ortlieb. Aber Ih-Bike! Da waren wir doch sofort als die wahren Helden der schieren Muskelkraft auszumachen. Entsprechende Körpersprache dokumentierte unsere sportliche Überlegenheit eindrucksvoll.

Lässig ließen wir uns auf den nächsten freien Plätzen nieder. Die Räder, wie von bewunderungswürdigen Profis erwartet, sicher im Vorraum verstaut. Sicher? Ja, bis zum ersten Halt. Der Triebwagenkutscher fuhr aber auch wie ein Arsch! Unsere Überlegenheit bekam erste kleine Kratzer. Wir überspielten sie lässig, selbstbewusst.

Zu unserer Überraschung hielt der Triebwagenkutscher nahezu an jeder Milchkanne. Und nahezu an jeder Milchkanne, wankten unsere, mit reiner Muskelkraft betriebenen Räder, aufs neue. Wir blieben dann zu ihrer Absicherung in ihrer Nähe. Was auch Sinn machte, nicht nur zur Beruhigung der restlichen Fahrgäste. Nach unzähligen Milchkannen erreichten wir Oppenau. Die Angeber fuhren noch ein paar Stationen weiter. Typisch. Aber Ih-Bike! Lächerlich!

Ganz im Ernst, die Tour war wesentlich einfacher zu planen, als meine. Es ging einfach nur das enge Tal runter. Wobei ich mir recht bald die Frage stellte, wieviel Bergauf Passagen gibt es eigentlich auf einer Bergabstrecke? Ich machte mir ernsthaft Sorgen um die Kondition des Freundes, der allerdings in den hurtigen Abfahrten rasch wieder zu Atem kam. Es ist eben doch ein Unterschied zwischen nur elegantem Fahrstil und besonders ästhetischer und gleichzeitig routinierter Steuerhoheit und perfekter Beherrschung der Pedale.

Nach gut einer Stunde hatten wir alle Milchkannen in entgegengesetzter Richtung wieder hinter uns gelassen, und fuhren unter dem tosenden Beifall der Einheimischen und etlicher von Nah und Fern angereister Schaulustiger und Touristen in Oberkirch ein. Die Eisdiele mit Sonnenplätzen lud uns zum Verweilen ein. Die Bedienung, offensichtlich keine Eingeborene, maßregelte mich, da ich unvorsichtiger Weise meine 3 Kugeln Eis, Málaga, Joghurt-Kirsch und Nuss, in der Tüte bestellen wollte. „Tüte nur to go!“ Draußen nur Kännchen! Es war ein wunderschöner Tag, blauer Himmel, die vielen Deppen, die in den Besprechungszimmern sitzen und um Konditionen feilschen, und wir gesund und glücklich in Oberkirch in der Eisbude. Eine Diskussion über den unübertroffenen Vorteil von Eis in Tüten kam mir nicht in die Tüte. Ich ignorierte diese schwachmatige Regel, von der, da war ich überzeugte, der Herr der kühlen Köstlichkeiten, womöglich keinen blassen Schimmer hatte. Sei’s drum.

Wir nahmen rasant wieder Fahrt auf, allerdings nur bis zur nächsten Steige, deren noch etliche folgen sollten. Das Profil der Route war unserer Qualifikation durchaus würdig. Schorschi musste sich fortan und wiederholt auf seinen Falk verlassen. Ich möchte an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, das es an Ortskenntnis hier und da ein wenig mangelte. Dennoch erreichten wir unser nächstes Etappenziel.

Mit sorgenvoller Miene und leerem Magen bogen wir in den Hinterhof zum Bauhöfer in Ulm ein. Jeder Blinde, mit mehr als ein, zwei schwarzen Punkten auf gelber Armbinde konnte erkennen, wie sich leibhaftige Verwunderung in die Gesichtszüge von überdurchschnittlich intelligenten Mitteleuropäern meißeln kann. An einem ganz ordinären Dienstag tummelten sich rudelartig Veloisten aus allen Herren Ländern vor Starkbierhumpen im traditionellen Biergarten. Dass wir dennoch auf Abhieb einen halbschattigen Platz fanden, war meiner Übersicht und Reaktionsschnelligkeit zu verdanken. Wenn man nach der Bedienung auf die Karte hätte schließen müssen, wären die Knödel besonders empfehlenswert gewesen. Schorschi lobte den Erdäpfelsalat, für den wir uns dann auch spontan entschlossen, und diesen im Dialog mit einem Pärle Wienerle. Die Enttäuschung war groß, der ausgelobte Erdäpfelsalat ließ jede Würze vermissen. Aber auch jede. Die Wienerle schmeckten ordentlich und mit neidischen Blicken auf die Knödel verfeinerten wir mit ordentlich Salz, Pfeffer und Senf den Unwürzigen – ohne jedoch schmeckenswerte Hochgenüsse erzielt zu haben.

Zum Entsetzen der unschuldigen Überbringerin des Unwürzigen, bestellten wir noch drei Grillvögelchen aus der Volliere. Aber nur von den gelben Sittichen. Der Scherz wurde alsbald entlarvt und wir zahlten unter Kopfschütteln der Trinkgelderwartenden. Trotz allem. Die Sondermengen Salz, Pfeffer und Senf blieben unberechnet.

Wohl genährt wurden die verbleibenden zwanzig Kilometer unter die Pneus genommen. Nach einigem Hin und Her, mehreren konzentrierten Blicken auf den Falk, und einer Ehrenrunde um ein frühsommerlich zart erblühtes Erdbeerfeld beendeten wir wohlbehalten den Pro Log. Unter dem Strich viel der Vergleich zur ThorTour bemerkenswert ausgeglichen aus. Knapp unter 60 Kilometer, Stundenmittel knapp über 18, keine besonderen Vorkommnisse. Teil 3 kann kommen. Wenn jemand bereit ist, dann wir!

 

 

 

 

 

Thor-Tour

Thor-Tour 1 / 15. April 2015

Als das Telefon um 09:30 Uhr seine nervige Melodie abspielte, schoss mir spontan durch den Kopf: Aha, pünktlich!

Die Großwetterlage war nur geil, wolkenlos bis 27* C am Oberrhein waren avisiert. Perfekt, um die ersten Kilometer in Angriff zu nehmen. Mit Schorschi hatte ich zwei Tage zuvor besprochen, dass er sich meldet, wenn er Zuhause startet. Doch es kam ganz anders. Er war bereits unterwegs, allerdings zu einem ungeplanten Zwischenziel.

Schon seit Monaten drohen wir uns gegenseitig diese ThorTour an. Der Ruhrradwanderweg war auserkoren – die positive Entscheidung dafür ist heute nicht mehr rationell und logisch nachvollziehbar. Spielt auch für den eigentlichen Verlauf des Tages lediglich eine untergeordnete Rolle. Fakt ist, wir wollten eine gemeinsame Pre Tour auf uns nehmen, um in Sachen Tempolimits, aktuelle Gesprächsthemen, unvermeidliche Eisdielenstopps, Harmonisierung der Gänge, Reifendrücke, Klingeltöne und der Luxzahl der Vorder- und Rückleuchten abzustimmen. By the way sollten parallel die offenen Fragen geklärt werden, wann startet die Tour, wie kommen wir zum Start, wie zum Ziel und wie wieder wohlbehalten in den Schoß der Lieben zurück. Leider unverzichtbare Nebensächlichkeiten, wie Übernachtungen schlechthin, Beginn der Nachtruhe und tolerierbare Ausnahmen, christliche Zeiten fürs Morgengebet, realistische, überschaubare Tagespensen, Pausenzyklen, die halbwegs im Verhältnis zur erforderlichen Fahrradfahrzeit stehen, Anzahl der Eiskugeln in den jeweiligen Etappen, Gepäcktransportservice kontra Satteltaschen, Promillegrenzen, generell und unter besonderer Berücksichtigung edler ungarischer Tropfen, die Verwendung der von der Deutschen Doping Agentur zugelassenen Gesässsalbenmarken, das Für und Wider von Klappreisezahnbürsten, die Einnahme von Bergsteigermüsli auch in der Ebene, der ordentliche Umgang mit den fanatischen Bewunderen, ins besondere der begeisterten weiblichen, während der rasanten Fahrt, in den Rastpausen, beziehungsweise in den Quatieren etc. konnten noch nicht hinreichend, zur Zufriedenheit beider Parteien geklärt werden.

Um exakt 09:31 Uhr waren zunächst alle guten und sinnvollen Vorhaben es Tages bereits Makulatur. „Ich muss erst in die Werkstatt, es wird später. Ich berichte dann exklusiv und detailliert.“

Wirklich unerwartet kam diese Botschaft nun wirklich nicht. Die jahrzehntelange Erfahrung der Zweisamkeit lehrte mich geduldig diesen Katastrophen zu stellen. Ich verzichte hier und heute näher auf all die prägenden Erlebnisse einzugehen, noch nicht einmal auf einige Highlights.

So erwartet wie die Verschiebung der Startzeit kam, so unerwartet rauschte Schorschi unter hektischem Gehuppe auf den Hof. Gerade einmal 30 Minuten später stand das leibhaftige Chaos zur Abfahrt bereit. Ich müsste Lügen, wenn die folgenden Stunden nicht recht ereignislos verliefen. Kaffeepausen, zahlreiche Eisdielenbesuche und eine insgesamt pannenlose Tour ließen uns den strahlenden Tag harmonisch genießen. Bis auf, ja bis auf die Mächte der Natur. Auf den letzten Kilometern, das traute Heim bereits vor Augen, frischte der böige Wind zur Orkanstärke auf. Die ersten Dachziegel lösten dich von den Dächern, leichte und löse Gegenstände flogen umher, Mensch und Tier hat sich in die sicheren Behausungen zurückgezogen. Aber für diese Naturgewalten war Schorschi nun wirklich nicht verantwortlich zu machen. Letztendlich erreichten wir, auch, wenn wir die letzten Kräfte mobilisieren mussten das schützende Zuhause. Weib und Kind waren die Erleichterung über die glückliche schadlose Heimkehr der Probanten deutlich anzusehen. Seinen eleganten Fahrstil konnte Schorschi natürlich nicht über die gesamte Distanz beibehalten, der Stolz der allgegenwärtigen Gefahr und des aufbrausenden Sturms getrotzt zu haben ließ uns dieses Manko schnell in Vergessenheit geraten. Als Nachtrag sei erwähnt, dass Schorschi allerdings das Windschattenfahren schamlos ausnutze, und als billige Entschuldigung meine geographisch herausragende Ortskenntnis vorschob. Aber ich werde Gelegenheit bekommen mich zu revanchieren. Beim nächsten Hoch in der Wanzenau zum Beispiel.

 

Bei die Döspaddels

Zusammengefasst kann man sagen: Jou näh. So oder ähnlich überschwänglich, blumig würde der geborene Nordfriese seinen wunderschönen Urlaub beschreiben. Aber werfen wir einen Blick auf die bemerkenswerten Details: Eine Woche St. Peter Ording (SPO).

Ausufernde Begeisterung – der Strand. Schier ohne Ende, selbst der Horizont reichte nicht aus, um zu sehen, wohin das Wasser denn eigentlich läuft. Respektive woher bei Flut die Flut kommt. Platz genug haben sie ja. Woraufhin sich mir, trotz besseren Wissens, die Frage stellte, ob die Erde nicht doch eine Scheibe sei. Besonders bei Ebbe. Leider reichte die Zeit nicht, um die Frage verbindlich zu klären.

Den Plänen, ein paar Tage in SPO zu genießen, habe ich bedingungslos zugestimmt, weil ich mich insgeheim rächen wollte. Rächen an der Kirche. Ein Atheist in St. Peter. Späte Rache für seit über 40 Jahren gezahlte Kirchensteuer, obwohl ich mich bereits Ende der 60er aus diesem Club verabschiedet hatte. Es war eine Rache, die weder von den Eingeborenen noch von der Schar der Touristen beachtet, noch mit frenetischem Beifall bedacht wurde. Daraufhin habe ich den Ort konsequent in Hans-Peter Ording umgetauft. Um mein Gewissen zu beruhigen. Ich wollte schließlich einen erholsamen Urlaub verbringen und nicht ständig an die unfreiwilligen, äußerst großzügigen Spenden erinnert werden, die ich den Kuttenträgern unfreiwillig in die prallen Säckel abtreten musste.

Hans-Peter Ording bestand aus 3 Ortsteilen Hans, Peter und Ording. Hätte man denken können. Weit gefehlt. Da haben wir nämlich den Intellekt der Nordfriesen deutlich unterschätzt. Der Pate der Gemeinde bestand schlicht auf: Dorf, Bad und Ording. Von Süd nach Nord, für den geographisch minderbemittelten: von Holland nach Dänemark. Außer den Namen unterscheiden sich die Ortsteile dramatisch. Das Dorf macht seinem Namen alle Ehre! Wunderschön, enge Gassen, kleine reetgedeckte Häuschen, schnuckelige Restaurants. Las man eine Speisenkarte, kannte man alle. Matjes, Krabben, Heringe namens Bismarck, Scholle und Kabeljau, zu denen es grundsätzlich Bratkartoffeln gab. Selbst die Preise bewegten sich in einer Spanne, differierten maximal in den Stellen hinter dem Komma Punkt. So hat es der Touristen Verband den Besuchern leicht gemacht sich für einen bestimmten gastronomischen Betrieb zu entscheiden. Man konnte sich voll auf den Kampf um die besten Plätze konzentrieren, oder um die Erziehung der ungeduldigen Kinder, oder um weitere vergebene Liebesmühe zur Abrichtung der Betatiere.

Bad hieß wohl deshalb Bad, weil das Baden im Meer besonderen Anlass zur Freude gab. Die Weite des Strandes, die Feinkörnigkeit des Sandes, die hundefreien Zonen, und die Sicherheit in diesen unruhigen Zeiten. Der Deutsche tat sich seit jeher hervor, wenn es um die Erbauung von Wehranlagen und Burgen ging. Was in Bad Väter, Großväter und Heranwachsende erschufen lässt die Architekten des Westwalls oder der Maschino-Linie im Grabe rotieren. Ihre Ausrichtung nach UK war seit dem Brexit von elementarer Bedeutung. Unberechenbarkeit wurde nur vom Blanken Hans erwartet. Den Mächten der Natur, mit ihren unzähmbaren Gewalten überstanden selbst die monumentalsten Bollwerke lediglich ein paar Zyklen der brausenden See. Puh, ist das nicht heroisch?

Ach ja, Bad. Im krassen Gegensatz zum Dorf brandeten hier die Gesehenwerdenwollenden durch die Einkaufsmeile, die ebenso in jedem beliebigen anderen Kaff hätte rumstehen können. Geschäfte mit Angeboten, so überflüssig wie die Ideen von Thomas de Misere bzw. Ursula von der Leyden. Ich frage mich immer wieder: Wer kauft den ganzen Müll eigentlich? Und wer entwirft, produziert, vertreibt und verkauft diese Abnormitäten an Kitsch? Obwohl – eine gewisse Affinität mit den Hunderassen ließ sich nicht verleugnen. Sogar die Gesichter der Halter spiegelten sich auf wundersame Weise in denen der Rumgezerrten wider. Oder umgekehrt? Ich werde mich zu gegebenem Anlass wissenschaftlich mit diesem Thema auseinander setzten. Also, eine Kreuzung aus Bad und Dorf wäre das perfekte Idyll.

Sollte irgendjemand an dem Ortsteil Ording interessiert sein? Nein? Auch gut, denn den kann man getrost ignorieren. Ein paar nette Häuschen. Zugegeben ordentlich und adrett aber die Bürgersteige werden nach intensiven Recherchen erst gar nicht nach unten geklappt, um sich das Personal zu ersparen. Ein-Euro-Jobber und bestens integrierte Migranten stürzten sich frustriert bereits nach wenigen Stunden von den Dünen ins offene Meer, um der Tristesse ein jähes Ende zu setzen.

Der Altersdurchschnitt entpuppte sich als durchschnittlich. Rüstige Rentner und junge Familien hielten sich die Waage und so pegelte sich der Durchschnitt eben zwischen 40 und 50 Jahren ein. Zur besseren Unterscheidung erkannte man die Unterdurchschnittlichen an den Golden Retrievers oder Labradoren, die Rüstigen eher an undefinierbar getunten Ratten, wie Malti-Poos, Skih Tzus oder Yorkis. Ganz offensichtlich durften diese eine maximale Körperhöhe von 20 cm nicht überschreiten. Das Geläuf derart kurz, dass die Beine nur in Ausnahmefällen bis auf die Erde reichten. Meine Bewunderung errangen sie sich dadurch, dass sie, trotz ihrer körperlichen Defizite, ein so lang anhaltendes Gekläffe verkraftet haben. Wer mit wem Gassi ging, bleibt nebulös. Gezerrt wurde an beiden Enden der Leine –meist behielten die Zweibeiner die Oberhand.

Das Geplärr der Reproduktionen und das Gekläffe der vierbeinigen Mode-Accessoires hielten sich die Waage. Meist übertönte beides zeitlich parallel das Rauschen des Meeres. Über Verbote und Leinenzwang (nicht für die Halter! Leider!) setzte man sich elegant hinweg. Deshalb  plärrten auch noch die Lautsprechen gegen Brandung, Geplärr und Gekläffe über den Strand ohne Ufer. Bezeichnender Weise stand unser Strandkorb unmittelbar neben einem Schicht mit rotem Rand und durchgestrichenem Hund unbekannter Rasse. Ich konnte mich entspannt in der 314 zurücklehnen.

In der Straße der Eitelkeiten, genannt Fußgänger Meile, an der sich alle Restaurants und Cafés breit machten, standen die Stühle nicht nach dem Stand der Sonne ausgerichtet, sondern nach der Methode bestens Sehen und optimales Gesehen werden. Mit der Faustregel: Je übersichtlicher das Treiben zu beobachten war, desto höher die Getränkepreise. Zwischen Paaren mit Steuerklasse 1, Großeltern mit Enkeln oder Pinschern und Jüngere mit Ansa Taifun oder Amely Luyanda oder Brokleyn oder wie immer die Bedauernswerten heute benannt werden, und Golden Retrievers oder Labradoren, radelten dann auch noch die Hund- und kinderlosen mit ihren Leihrädern. Ein munteres Geklingel schreckt die Passanten aus den seligsten Urlausträumen. Zusammenstöße endeten in der Regel mit verbalen Attacken. Es mangelte neben Einsicht auch an ausreichendem Platz bzw. Alternativen, um die Bedarfe rechtskräftig voneinander zu trennen. In der ganzen Hilflosigkeit der regionalen Amts- und Würdenträger hat man die einzige Parallelstraße zur Küste als Einbahnstraße ausgeschildert. Jedoch nur für die Autos. Alle anderen Verkehrsteilnehmer streunten munter in alle Richtungen durch den Ort Bad, was zu manch skurrilen Szenen führte. Ordnungshüter wurden generell nur auf den kostenpflichtigen Parkplätzen gesichtet, um Unholde mit Knöllchen verkehrszuerziehen. Wenigstens ein Anfang.

Läge nicht der Gosch in absoluter 1A-Lage, wäre unsere Urlaubskasse deutlich entlasteter geblieben. Fisch und anderes Meeresgetier zu passablen Konditionen. Dafür beste Qualität und frisch aus den Fluten. Bei den Erfrischungen ragte die Schere beim Preis-Erfrischungs-Verhältnis recht weit auseinander. Was uns generell nicht hinderte ein begonnenes Gespräch mit den Tischnachbarn jäh zu beenden. Diese führte dazu, dass wir an der SB-Theke immer wieder freudigst begrüßt wurden mit der für den Döspaddel eigenen Art: „Da bis du ja wieder“. Die Thematiken des Klönschnacks hatten wir in kürzester Zeit intus. Wetter, Strand, Verweildauer, Herkunft. Bei längeren Verbrüderungen kam auch schon mal der Brexit, Doping, Steuergeschenke vor der kommenden Wahl, Staus bei der Anreise am Elbtunnel, Beruf und / oder Hobbies zur Sprache. Bei neuen Tischnachbarn begann nach kurzem Abtasten der Dialog von vorn.

Alles in Allem ein gelungener, herrlicher Urlaub: Jou näh!

 

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