Es gibt sie noch, die geliebten Kleinode in dieser Welt. Feriendomizile der besonderen Art. Eines davon wird von uns seit nahezu 20 Jahren mindestens einmal im Jahr heimgesucht. Das Royal Colombo in Menaggio am Comer See. Hier herrscht Mario Colombo und schüttet seinen ganzen Charme kübelweise über seine Heimsucher aus. Schon sein Name ist ein absoluter Klassiker: Mario Colombo! Legendär ist seine Laudatio morgens zum Frühstück, wenn er das Menü des Abends wortreich und blumig präsentiert. Selbst wenn die Grenze des Völlegefühls bereits touchiert wird, läuft einem sprichwörtlich das Gewässer im Munde zusammen. Dass er es grundsätzlich an jedem Tisch aufs Neue zelebriert ist seine ganz persönliche Note. Man kann es aber auch nicht oft genug hören – deshalb verlässt kein Gast das Szenario, bevor Mario nicht seine komplette Runde abgeschlossen hat.

Der alte Charmeur hat natürlich noch mehr auf der Pfanne als vier Gänge anzukündigen. Bei jeder passenden und gelegentlich auch unpassenden Gelegenheit flaniert er die Damenwelt mit Anekdötchen aus seinem Leben. In wie weit sie immer der reinen Wahrheit und nichts als der Wahrheit entsprechen sei dahingestellt. Ist aber auch total egal, lustig sind sie allemal. Mario lässt es sich auch nicht nehmen für jeden Landsmann und jede Landsfrau eine Fahne zu hissen. Selbstverständlich nur die Landeswappen, was aber genug Aufmerksamkeit bedeutet. Passend zu den Nationen bewegt sich Mario fehlerfrei in nahezu allen europäischen Sprachen. Angemerkt sei, dass sich sein Repertoire keinesfalls auf das schnöde Herunterbeten der Köstlichkeiten beschränkt. Im Gegenteil – auch seine Anekdötchen und beliebige freie Themen beherrscht er mit bemerkenswertem Wissen und linguistischem Geschick.

Wen wundert es also, dass wir Jahr aus, Jahr ein sein schmuckes Domizil aufsuchen, um ein paar wunderschöne Tage zu erleben. Abgesehen von den lächerlichen paar Gramm Gewichtszunahme kann man nun wirklich nicht meckern. Es liegt natürlich nicht allein an den italienischen Speisen, die grundsätzlich einen kohlenhydratischen zweiten Gang kredenzen, sondern ebenso an den dazu passenden harmonischen Getränken. Und an deren reichhaltigem Genuss! Dass Panacotta und co nicht gerade kalorienarm sind, und ein Grappa das Mahl perfekt abrundet soll an dieser Stelle auch nicht unterschlagen bleiben. Ach ja, und zum Start, sowie als Sundowner auf dem legendären Feldherrenhügel gehört unzweifelhaft ein kühler Mezzo Litre. Habe ich was vergessen? Man möge es mir verzeihen!

Untrennbar verbunden mit einer Reise an den Comer See zu Mario ist ein Frühstück am Lago. Je nach Stau am Gotthard finden wir zwischen neun und zehn Uhr bei Gabi und Jürgen einen reichlich gedeckten Tisch, wachsweiche Eier, frische Panini, Käse und Wurst, und: Rotebeetepaste von Allnatura! An dieser Stelle meinen allerherzlichsten Dank an Kathrin, die nachdrücklich darauf hingewiesen hat!!! Ohne Rotebeetepaste wäre ein Frühstück am Lago für mich kein Frühstück am Lago!

Bestens gestärkt werfen wir uns dann in das Getümmel der italienischen Gassen. Den Schlagbaum des Schweizer Zolls  noch im Rückspiegel, erfährt jeder am eigenen Leibe wo er ist. Enger und dunkler wird es in den Tunnels,  LKWs und Busse rasen hupend über die Sträßchen, bis sie sich im nächsten Örtchen mit einem holländischen Wohnwagenfahrer duellieren. Wer gewinnt brauche ich sicher nicht zu erwähnen. Dieses Prozedere wiederholt sich alle paar Kilometer in jeder, wirklich jeder Ortschaft. Nur sind es nicht generell Grachtenrutscher, auch Opelfahrer, gerne Rentner, avancieren zu mobilen Verkehrshindernissen, die selbst ich hier und da geneigt bin abenteuerlich auszumanövrieren. Außerdem katapultieren sich ständig Motorräder und Roller an uns vorbei, Hornissenschwärme gleich. Gegenverkehr wird grundsätzlich ignoriert – nach dem Motto wer bremst verliert. Ihr Outfit ist eher selten auf Sicherheit bedacht und schon dreimal nicht dem Fahrstil angepasst. Shorts und Flipflops aber Helm müssen ausreichen. Nicht weniger behindernd, aber deutlich langsamer, treten zusätzlich unzählige Radler in perfektem Look in die Pedale ihrer Rennmaschinen. Da die Randstreifen sich nahtlos an den italienischen Straßenbelag anpassen, ist klar, welchen Part der Fahrbahn sie bevorzugen.

In der vertrauten Residenz bei Mario, ohne nennenswerte mechanische Kaltverformungen am Auto und mit leicht angegriffenem Nervenkostüm, angekommen, fallen wir zunächst erleichtert in Marios Arme, bevor der Feldherrenhügel erobert wird und der tägliche Kreislauf mit einem Mezzo Litre de la Casa und einem knackig frischem Salat Tonno eröffnet wird. Der Panorama-Rundblick auf den Lago di Como, die Berge, den Pool und Marios erste Anekdötchen entschädigen umgehend für die Wohnwagengespanne mit gelben Kennzeichen und ergrauten Opelfahrer. Der Urlaub kann beginnen. Der Rest ist hinreichend bekannt.

Es war wie immer im Juni 2017. Und es war wie immer sensationell schön!

P.S.: Nicht unerwähnt soll bleiben, dass die Temperatur des Pools zwischen 28°C und 30°C pendelte, und die wahre Erfrischung deshalb ausnahmslos dem Mezzo Litre Vino Bianca vorbehalten blieb!