scharfsinnig - unsinnig - kurzweilig

Autor: Armin (Seite 24 von 28)

Aschermittwoch

Frohe Kunde im Lande: Die Narren haben ihre Schuldigkeit getan. Leider nicht alle. Wenn man die Tageszeitungen aufschlägt, sind die Seiten voller Verrückter. Es dominieren partiell natürlich die Hästräger, aber die Anzugträger gewinnen zusehends wieder die Oberhand. Sie sind im realen Leben leider nicht am Aschermittwoch zu begraben, oder als Hexen zu verbrennen. Der Wunsch bleibt Vater des Gedanken.

Paradox, dass sich sogar in der sogenannten fünften Jahreszeit die Narren über die Narren lustig machen, und die Narren über die hintergründigen Witze und Zoten der Narren lachen. Der Unterschied zwischen Narren und Narren ist folgender: Die wahren Narren müssen wir nur über einen definierten Zeitraum ertragen. Sie sind nach einem genauen, festen Zeitplan verrückt. Sie tragen Strumpfhosen und rote Schühchen (wie der Papst!), trinken unmäßig Alkohol, hopsen wie aufgezogene, trommelnde Spielzeughasen herum, quälen uns mit mehr oder weniger gelungenen Reimlingen, schneiden den Anzugträgern die Krawatten ab, plärren merkwürdige Schlachtrufe, ziehen mit Händen auf den Schultern der Vorderleute durch Gemeindehallen, und bewerfen sich mit bunten Papierschnipseln. Ist der Spuk vorüber werden Heringe gegessen und anschließend gefastet.

Die dauerhaften Narren erhöhen erst einmal ihre Diäten, kaufen sich neue Krawatten, ihre Büttenreden reimen sich nicht – man kann sich sogar keinen Reim darauf machen. Sie sind inhaltslos und man kann so gar nicht darüber lachen. Manchmal wünsche ich mir, dass sie lieber auch eine Polonaise durch Bundestag und Europarat veranstalten, dann wären sie wenigstens sinnvoll beschäftigt. Achtung: Kopfkino! Jetzt, so kurz vor den Wahlen werfen sie anstelle von Kamellen verbal virtuelle Steuergeschenke unters Volk. Irgendwie auch olle Kamellen. Aber diese Drops sind wieder schnell gelutscht. Wenn am Wahltag die Lokale schließen hat jeder gewonnen, und die Steuergeschenke waren eben nur Versprechen. Kann ja mal passieren. Kommt erst in vier Jahren wieder vor. Versprochen!

Spontan kommt mir ein Gedanke: Könnte man nicht die beiden Narrengruppen gegeneinander austauschen? Mal auf Probe! Wäre doch einen Versuch wert. Die einen könnten so viel Blödsinn reden wie sie wollen, und die anderen sind ja ohnehin schon in den Rathäusern. Man könnte anstelle der PKW-Maut eine Maut auf die Polonaisen erheben. Ein kräftiges Prost auf eine Promille-Steuer. Schlechte Reimlinge sollten mit Haft in einem Narrenkäfig geahndet werden. Das Dreigestirn wird für sondierende Gespräche in die USA, die Türkei, nach Ungarn und Polen entsandt, um den größten Narren den Orden „Wider den demokratischen Ernst“ zu verleihen. Alle Lobbyisten sollten an den Pforten des Bundestages Lollies statt Zuwendungen verteilen. Ach, wie schön könnte der politische Alltag doch sein! Buntes Treiben statt grauer Tristesse. Hästräger statt Hosenträger. Papierschlangen statt Papierstapel. Motivwagen statt Dienstwagen. Törö statt Trara.

Nun kommen wir wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Schade. War gerade so schön im Flow. Saure Herringszeit ist angesagt. Wenigstens verschwinden die Pappnasen aus der Presse. Jetzt bleiben uns nur noch die anderen Narren. Hm.

Obwohl, uns beglückt ja gelegentlich eine weitere Gattung von Maskenträgern. Die selbsternannten Prominenten. Auf dem roten Teppich zum Oskar ließen sie sich bestaunen wie die Affen im Zoo. Magersüchtige Damen, zum Teil in Naturdarm gepresst, wandeln auf dem Catwalk der Eitelkeiten. Ein wahres Botoxfestival. Ein Schaulaufen für Silikonprodukte vorn und hinten. Garantiert unbiologisch gehaltene, freilaufende Klamottenständer aus natürlich nachwachsenden Rohstoffen. Hofnarren der Verblödungsindustrie. Hofiert von vernarrten Fans und Sponsoren.

Uns bleibt aber auch nichts erspart. Narri!

Aschermittwoch 2017

 

 

Integration Zwo Punkt Null

Wenn ich das leidige Thema noch einmal unter Fittiche nehme, dann aus einem guten Grund: Es sind zu viele Emotionen im Spiel! Man sollte, bei aller Empathie, nicht von Gefühlen leiten lassen, sondern sollte den Verstand walten lassen. So, wie es eigentlich schon in dem Begriff enthalten ist: Integ-ratio-n.

Mathematisch betrachtet treffen sich Parallelen im Unendlichen. Warum können sich dann nicht Parallelwelten auch irgendwann, irgendwo treffen? Die deutsche Nachkriegsgeschichte lehrt uns ja erste Erfolge. Die Italiener gehören ohne Zweifel zu unserer Kultur. Man mag sich erinnern, dass sie es waren, die uns Spaghetti, Pizza und Co. mit- und beigebracht haben. Es ist also keine typisch deutsche Hausmannskost!

Was bei den Italienern so vorbildlich gelungen ist, hapert bei den Bayern leider ganz bedenklich. Haxen und Knödel sind zwar eine willkommene Bereicherung des Speisenplanes, allerdings lässt die soziale Kompetenz doch sehr zu wünschen übrig. Hier driften die Kulturen nach wie vor ordentlich auseinander. Mit viel Zuwendung und dem Willen auch mal ein Auge zuzudrücken halte ich die Chancen auf Eingliederung durchaus weiter für gegeben.

Bei den weiteren Parallelwelten sehe ich größere Aufgaben für viele Generationen. Beispielsweise haben wir in einem zarten ersten Schritt den Döner akzeptiert. Natürlich müssen wir den gesamten Verdauungstrakt anpassen. Die Darmflora wird jedoch in den kommenden Wachstumsperioden evolutionäre Entwicklungen vollziehen, um länger Abgehangenes kurzfristig besser zu verdauen. Ähnlich wie bei den Bayern wird die soziale Einbindung noch erhebliche Anstrengungen erfordern. Hier treffen kulturell weit auseinander gelebte Welten aufeinander. Wie man alles unter einen Hut, bzw. ein Kopftuch bekommen soll ist  eine offene, ungelöste Frage. Dass kann der Döner in einer Generation kaum kitten.

P.S.: An dieser Stelle kann ich mir, auf Grund aktueller politischer Ereignisse, diese Interpretation nicht länger verkneifen: Wer in diesem unserem Lande seinen wirtschaftlichen Wohlstand erarbeitet, und unsere freiheitlich rechtliche Gesellschaft genießt, aber hier diktatorische Idioten, Chaoten und Despoten bejubelt, die genau diese Freiheiten missachtet, die sollen umgehend ihre Alditüten packen und aus unserem Land verschwinden! So schnell, und so weit wie möglich! Aber alle! Sofort!

Was ursprünglich als kleinste Herausforderung prognostiziert wurde, erwies sich im Nachhinein als eine Sisyphus-Aufgabe. Um den plötzlichen Deutschen eine nahtlose, harmonische Integration zu ermöglichen, drückten ihnen unsere Politiker reichlich

Euro in die Hände. Diese Weitsicht sollte sich schon bald als gewinnbringende Investition erweisen. Bereits bei der nächsten Wahl zahlte es sich aus – die Stimmen der Aussiedler wanderten zu Gunsten der Gebenden in den Urnen. Doch wir leben in einer Demokratie in der Wahlen frei und geheim sind. Unheimlich jedoch die jähe Wende der o.g. Ankreuzenden. Sie entschieden sich radikal gegen ihre Gönner, ignorierten die ganzen monetären Wohltaten, und stimmten, überraschend untereinander abgestimmt, für einen rückwärtsgewandten Pöbel. Ungeahntes Leben war in der Parallelwelt herangewachsen, unbemerkt, oder als nichtig erachtet. So kann es gehen! Gleich den Gästen vom Bosporus, verbindet die plötzlichen Deutschen die Linguistik. Beide sprechen perfekt eine Fremdsprache! OK, in der Muttersprache tun sich erhebliche Defizite auf. Auch bei den kulinarischen Spezialitäten konnte sich bisher, außer dem Wodka, kein Gericht signifikant etablieren. Obwohl sie uns den Genuss des Selben eindrucksvoll vorleben, will sich das erfrischende Getränk in unseren Breitengraden nur in kleinen Schlucken dosiert einverleiben.

Es gibt da noch eine „Gruppe“ von Menschen, die in unserem Land Schutz sucht. Schutz vor Unversehrtheit und dem Leben. Die sind uns herzlich willkommen! Ihre Beweggründe sind redlicher Natur. Sie sollten wir integrieren und nicht die, die aus niederen Beweggründen in unserem freiheitlichen Rechtsstaat schmarotzen, und unsere demokratische Überzeugung ausnutzen, um für ihre menschenverachtenden Systeme zu werben. Was ist aus unserer Welt geworden? Eine Welt in Freiheit, Wohlstand und Frieden. Was haben unsere  Politiker versäumt, respektive aus Selbstzweck offensichtlich sogar gefördert, um uns alle in eine derart desolate Unwelt zu manövrieren? Sie müssen sich nicht wundern wenn sich Parallelgesellschaften bilden und Populisten Macht gewinnen. Tut etwas dagegen.

Sonntag, 05. März 2017

Integration

Wer seine Heimat verlassen muss, der ist seine Heimat los – also heimatlos. Dass ist sicher ein schweres Los, denn viele wählen diesen gefährlichen Weg nicht freiwillig, sie sind in ihrer Heimat Freiwild. Angekommen in einem fremden Land, das ihre neue Heimat werden soll, müssen sie zunächst einen Antrag stellen. Sie ziehen ein Heimat-Los. Es gibt Staaten, da entpuppt sich so ein Los als Niete, wieder andere erweisen sich als Hauptgewinn.

Angekommen in der neuen Heimat, heißt aber noch lange nicht angekommen in dem neuen Kulturkreis. Hier treffen Welten aufeinander! Allah heißt hier Aldi, und Frau trägt Bikini statt Burka. Kirchenglock rufen zum Gebet und nicht der Muhedin. Unsere Götzen heißen Prada und Porsche und Breitling. Wir feiern den Valentinstag statt den Djihad. Unsere Kaaba heißt Elfi und die Menschen pilgern zu Ikea statt nach Mekka. Der Ramadan findet in Wellnesshotels statt, und Nichts essen frönt ausschließlich dem eigenen Körperkult. Am Niederrhein werfen sie Kamellen statt Granaten und ob unsere Teppiche nach Osten liegen interessiert noch nicht einmal beim Fengshui.

So, jetzt sollen diese Heimatlosen sich integrieren. Können allerdings weder die Bedienungsanleitung dazu lesen, noch die Willkommensworte verstehen. Sie verstehen nicht, dass Frauen Auto fahren dürfen und wählen und frei rumlaufen. Vom hemmungslosen Verzehr von Alkohol und Schweinefleisch einmal ganz zu schweigen. Und wir, wir verstehen nicht, dass wir nur eine Frau haben dürfen, und die verstehen wir manchmal schon nicht. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.

Nur mal so gedacht, bei Westwind und Schauern am 21. Februar 2017

Absolution

Um vorweg die jüngere Generation aufzuklären: Absolution ist keine Lotion. Es ist keine Kreation der Kosmetik-Industrie. Es ist die Freisprechung der Menschen von ihren Sünden durch den Vertreter Gottes auf Erden. Zumindest für den gläubigen Christen, speziell für die Römisch-Katholischen Schäfchen.

Man mag es kaum glauben, aber auch ich gehörte zu dieser Herde. Da ich einfach, ohne meine explizite Zustimmung einzuholen, in die Herde hinein geboren wurde. Ohne die Zustimmung meiner Erzeuger war es auch nicht so ohne, in eine andere Herde zu konvertieren, oder gar gänzlich gottlos durchs Leben zu vegetieren. Als zahlendes Mitglied musste man sich der Satzung des Vereins unterwerfen. Jedoch mit zunehmendem Alter wuchsen neben Bart und Schamhaaren auch zusehends die kritischen Fragen nach dem Sinn bzw. Unsinn verschiedener Spielregeln.

Neben dem sonntäglichen Besuch des Gottesdienstes gehörte am Samstag der peinliche Weg in den Beichtstuhl. Zur besten Sportschauzeit pilgerten Scharen reumütiger Sünder gen Gotteshaus. Darin lauerten bigotische Schwarzkittel, um sich an so mancher menschlichen Sünde zu ergötzen. In sogenannten Beichtstühlen, die heute an Geräteschuppen im Kleingärtnerverein erinnern, verbarg sich die Pfaffenbrut hinter einer Trennwand. Diese muss man sich so vorstellen wie eine Rosenspalierwand aus dem Obi oder Dehner für um die14,49 € im Sonderangebot. Links und rechts befinden sich Kabinen für die Delinquenten. In der Mitte dazwischen thront der Lossprecher. Wechselweise werden die mit Schande bedachten zu Einzelgeständnissen gebeten. Beichte genannt. Besonders offene Ohren trafen pikante Geschichten aus pubertären Anwandlungen, die nicht selten mit gezielten Nachfragen haarklein bis ins letzte Detail erörtert wurden.

Da ich mich weder Willens noch aus Termindruck (Sportschau) in der Lage sah eine ausufernde Audienz über mich ergehen zu lassen, fasste ich schon im vorpubertären Stadium den Plan, die Aufzählung der Sünden auf ein Minimum zu vereinfachen. Auf diese Weise konnte ich lüsternem Interesse entfleischen, und mir auch das ekelhafte Keuchen ersparen. Die Zusammenfassung der Einzelsünden zu übergeordneten Gruppen erwies sich zusätzlich als zielführend. Beide Konzepte hatten auch zur Folge, dass sich das Strafmaß in Grenzen hielt. Der Trick, der das gesamte Vorgehen auch vor dem Herrn kirchenrechtlich absicherte war genial: Als allerletzte Sünde gestand ich reuevoll: „Ich habe gelogen“! Damit waren alle zuvor ausgesagten Vergehen gedeckelt. Ein geiler Plan! Oder?

Bedenkzeit.

Nach einem Absatz Bedenkzeit, um sich die ganze Tragweite dieser genialen Strategie zu verinnerlichen, möchte ich noch auf weitere Vorteile dieses Planes verweisen. Ersparung von Peinlichkeiten, Zugewinn an erlebenswerter Freizeit und natürlich ein reines Gewissen. In Ermangelung schwererer Vergehen an Leib und Seele und den Statuten des Vereins, fiel das Strafmaß entsprechen übersichtlich aus. Mit drei „Ave Maria“ und drei „Vater unser“ kam ich glimpflich davon. Da ich das Paket der Sünden zu meinem Dauerangebot erkor, gelang mir auch das Herunterbeten zusehends flotter. In der heutigen Kulturszene würden die meisten Rapper ihre Baseball-Kappen vor Neid in die Ecke werfen, mit welch atemberaubender Geschwindigkeit die Verse zum Abschluss gelangten. Repressalien von höherer Stelle blieben überraschend aus, sodass ich Peru a Peru begann, einzeln Strophen zu reduzieren, später in wesentlichen Teilen ganz zu unterschlagen und im weiteren, finalen Schritt fiel das komplette Beicht-Prozedere zu Gunsten der Sportschau zum Opfer. Mit der Reduktion der pubertären Hautunreinheiten rückten schließlich andere Körperlichkeiten an die Stelle der Sportschau. So ist das Leben.

Die Zeiten ändern sich dramatisch. Einerseits werden heutzutage die Kuttenträger für ihr Verhalten, nicht nur in den Geräteschuppen, in aller Öffentlichkeit gegeißelt – andererseits macht man aus seinen Sünden keine Mördergrube mehr, sondern schlägt daraus Profit. So viele “Ave Maria“ und „Vater unser“ wären ohne Übernachtung gar nicht abbetbar, wie sie mehr oder weniger bekannte Personen in Talk-Shows breitreten, in Bücher niederschmieren und / oder auf Hörbücher röcheln. Sind sie schmutzig genug, reicht es in besonders abgründigen Fällen sogar auf Celluloid. Dabei wächst der Grad der Schlüpfrigkeit mit Überflüssigkeit der Sünder.

Bleibt die Frage: Wie sieht das mit der Absolution aus? Ich hoffe da immer noch auf eine höhere Instanz. Natürlich nur, wenn ich nicht nachträglich zur Rechenschaft gezogen werde.

Alternativlos kontra Alternative Fakten

Verkommt die wahre Demokratie zur Ware Demokratie? Man mag es meinen, wenn man den Politikern aufmerksam aufs Maul schaut. Ach, was würde sich jetzt auf „aufs Maul schauen“ perfekt reimen? Der Wunsch ist hier eindeutig Vater des Gedanken! Besonders, wenn man o.g. Aussagen einmal genauer betrachtet.

Muttis alternativlose Entscheidungen nehmen verbal jeden Wind aus den Segeln. Lässt allerdings zwei Interpretationen zu: Entweder SIE hat keine Alternativen, das wäre einer Kanzlerin eigentlich nicht würdig. Oder: SIE lässt keine Alternativen zu. Das wäre unserer Demokratie nicht würdig. Was ist nun besser? Dumm oder arrogant? In beiden Fällen wäre es angebracht, sich nach einer neuen politischen Führung umzusehen! Persönlich möchte ich nicht so entmündigt werden, Entscheidungen mit einer gewissen Tragweite einfach so über mich ergehen lassen zu müssen. Gewählte Volksvertreter haben den Willen des Volkes zu vertreten und nicht mit Füssen zu treten. Das ist alternativlos!

Nun werden wir mit einem ganz neuen Phänomen konfrontiert. Nicht dumm oder arrogant, sondern dumm und arrogant! Wir basteln uns unsere eigene Wahrheit. Immerhin wird uns die grundsätzliche Möglichkeit einer Alternative gelassen. Wenn auch nur scheinbar. Denn: Seine alternative Fakten sind alternativlos. Daran erkennen wir auch den Unterschied zwischen „oder“ und „und“!

Was ist nun schlimmer, gefährlicher? Gefährlich wird es nicht durch die Benutzer. Gefährlich wird es erst durch die Wähler, die diesen Populisten alternativlos folgen. Alternativlos – bezeichnender hirnlos, kritiklos – ohne sie ernsthaft zu hinterfragen. Das Stimmvieh folgt solange zur Schlachtbank, bis sie jeder Alternative beraubt sind. Das ist Fakt!

Schaut man sich der Welt aufmerkelsam um, dann kommt man schnell zu der Überzeugung, dass bei den Volksverdummern der Begriff „Regierung“ leider allzu wörtlich genommen wird: Regierung. Die Gier nach Macht, und gerne auch die Gier nach persönlicher Bereicherung in hemmungsloser, schamloser Ausprägung.

Februar, am 06ten 2017

 

 

 

 

 

Buntes Republik Deutschland

In diesem unserem Lande erfreuen wir uns wahrlich über blühende Landschaften in Ost und West. Was uns aber leider auch blüht sind Blümchenblusen, Blümchenkaffee und Blümchensex. Und leider auch – blühende Phantasien in einer regenbogenbunten Presselandschafft. Dass einige Gazetten es dabei allerdings so bunt treiben, wie z.B. die Bunte, bleibt uns dabei nicht erspart! Besonders erschreckend ragt dabei die sogenannte Bambi-Preis-Verleihung heraus. Hier werden mehr oder weniger wichtige Personen ausgezeichnet, für….. ja, für was eigentlich? Das unbegreifliche daran ist aber, dass es von den Öffentlich Rechtlichen in epischer Breite zur Prime Time gesendet wird. Von unseren Gebühren! Eine öffentlich rechtlich gesponserte PR-Veranstaltung! Und 4,47 Mio. wahlberechtigte Bürger schauen kommentar- und gedankenlos zu. Ob es nun eine erfreuliche oder Besorgnis erregende Nachricht ist, dass sich immerhin eine Mehrheit von 5,22 Mio. für die alternativlosen Bergretter entschieden hat, sei dahin gestellt. Da ist unsere Jugend doch ein anderes Kaliber! Mit einer Einschaltquote von unglaublichen 13,6% ließen sich diese von The Voice of Germany und My Idiot Friend verblöden. Einzige Hoffnung: Sie haben nur an und ab vom Smartphone aufgeschaut. Obwohl?!

Pure Ironie spiegelt sich bereits in der Bezeichnung dieser Zeitverschwendungen wider. Man spricht von „Formaten“. Welches Format hier erreicht werden soll, bleibt mir jedoch absolut verborgen. Für Voice of Germany schlage ich vor: „Und es sinkt für sie: Das Niveau!“ Ich kann an dieser Stelle nur hoffen, dass mich das automatische Korrekturprogramm nicht automatisch korrigiert.

Apropos Format: In der Welt der Kultur tummeln sich nahezu wöchentlich Sterne und Trabanten auf Preis-Verleihungs-Orgien am Buffet. Für etliche Trabanten ist es der einzige Quell kostenloser Nahrungsaufnahme. Auch, wenn man es bei den meisten Trabantinnen nicht auf Anhieb vermutet. Warum und wo auch immer, während Löwen und Bären noch eine gewisse Wertigkeit im Dschungel der Awards darstellen, ist das Bambi bezeichnender Weise eher am Ende der Nahrungskette angesiedelt. Man möge es dem niedlichen Tierchen nachsehen, dass es für derartig profane Auswüchse missbraucht wird. Der Missbrauch bei uns Menschen ist ohne Wenn und Aber verwerflich. Haben die wehrlosen Tierchen denn gar keine Lobby!? Oder könnte man sich nicht auf angemessenere Gattungen einigen!? Treffender wäre eventuell Vielfraß oder Schmeißfliege oder so. Oder? Oder man verzichtet ganz auf diese höchst überflüssigen Formate. Nicht nur die Welt der Tiere würde es danken.

An einem gräulichen Tage überkamen mich solch grauenhaften Gedanken.

Am 01. Februar 2017

Zum Wohl

Ach du meine Güte! Gütesiegel wohin man schaut. Bio, Öko, Fair Trade, TÜV, GS, Made in Germany (wohl die Mutter aller Gütesiegel!) und hunderte weiterer vernünftigen Auszeichnungen und selbstzweckenden Blendwerken. Alles zum Wohl von unserem Geldbeutel. Oder der Anbieter. Oder der Gesundheit. Oder der Menschheit schlechthin. Jetzt ist es nun endlich soweit – unerwartet aber längst überfällig: Das Tierwohllabel!

Wie haben wir uns die Parameter vorzustellen? Welche Kreatur dieses Signet auch auf die Schinken tätowiert bekommt, die hat echt Schwein gehabt! Begleiten wir ein gleichnamiges Geschöpf durch sein wohlverdientes Dasein. Bereits als Ferkel, wohl gepampert und behütet in der Rotte seiner Erzeuger. Zwischendrin erwähnt sei, dass eine natürliche Befruchtung jederzeit Vorrang vor der künstlichen hat! Nur die amtsärztliche Bescheinigung einer Unfruchtbarkeit, notariell beglaubigt von zwei unabhängigen Veterinären, kann eine künstliche Reproduktion ermöglichen.

Zurück zum Wohlfühlmodus. Ein atmungsaktiver Vier-Boxen-Stall, vollklimatisiert, mit barrierefreiem Auslauf in Mutter Natur. Vollpension mit Vollwertkost, gluten- und laktosefrei, immer pünktlich in den Trog. Natürlich ein Veggie-Day pro Woche. Zum täglichen Suhlen ein angewärmtes Fangobad, und anschließender Ayurveda-Ganzschwartenmassage, mit Sau-na Gang. Fuß- und Klauenpflege nach Bedarf, die Borsten regelmäßig gewaschen, gelegt und geföhnt. Hygieneartikel, wie vierlagiges Toilettenpapier, und Hakle-Feucht Tücher stehen griffbereit zur Verfügung. Alles andere wäre eine große Sauerei! Zum wohlgefälligen Mittagsschläfchen ertönen leise Chillout-Melodien. Abends untermalt die kleine Nachtmusik die Gute-Nacht-Geschichte des Pflegepersonals. Wer möchte da nicht gerne ein Schwein sein?

Man möge es mir nachsehen, dass ich über den konsequenten weiteren Schritt im „Leben“ der zukünftigen Lebensmittel keine detaillierte Schilderung niederschreibe. Ich überspringe den markanten Einschnitt und wir treffen uns in den Kühlregalen der Supermärkte und den Theken der Metzgereien wieder. Liebevoll dekorierte Schnitzel mit biologisch angebauter Petersilie und ökumenisch gezüchteten Cocktailtomaten bereichern das Angebot wohltuend. Für den rechtlich vorgeschriebenen Beipackzettel aus nachwachsenden Rohstoffen stehen separate Leseräume zur Verfügung, die je nach Waren speziell aus- und eingerichtet sind. So z.B. für die besagte Schnitzel, für Schinken (roh, geräuchert oder gekocht), Mettwurst oder Hack. Eine faunagerechte Lösung für gemischtes Hack halb und halb sind zertifizierte Institute beauftragt. Man rechnet mit einem parteienübergreifenden Gesetz noch in diesem Jahrhundert. Na dann: Zum Wohl und Prost Mahlzeit!

Januar, der 24te 2017

Vogelhäuschen

Nach nur drei Jahren detaillierter, dilettantischer Planung ist das Bauvorhaben „Vogelhäuschen“ überraschend zeitnah realisiert worden. Was als urbanes, ornithologisch-soziales Projekt angedacht war, fand schließlich als baumogulisches Anwesen seinen Platz in der kargen Winterlandschaft. Dem frostigen Umfeld angepasst, wurde es auf den Namen „Weißes Haus“ der Öffentlichkeit übergeben. Nur eine kleine beschränkte Schar schenkte der Eröffnungsfeier ihre Aufmerksamkeit. Ohne großes Federlesen nahmen ein paar schräge Vögel Besitz vom Weißen Haus. Die Dreckspatzen frohlockten hämisch. Sie zwitscherten mit 140 Piepsern allerlei Unsinniges und Unwahrheiten in die bunte Welt der Gefiederten. Die Besetzung kam einem Handstreich gleich, denn die Mehrzahl der heimischen Rassen hegten sozialere Pläne.

Aufgeregt flatterten die bunten Meisen um die Villa, sie sahen sich um ihre Neigungen und Zukunft betrogen. Den Buchfinken warf man vor, dass sie nicht richtig Lesen können, und die begehrten Plätze am Napf den schrägen Vögeln und Dreckspatzen nicht gönnen würden. Man beschimpft sie ohne Unterlass als Schmutzfinken. Die schwarzen Amseln gar sollen das Terrain ganz verlassen. Stare, Lerchen und Nachtigallen versagten ihren Gesang zu Ehren der schrägen Vögel und Dreckspatzen, und nur die Nebelkrähen krächzten erbarmungswürdig. Alle Zugvögel, die aus dem Süden die bunte Welt in Büschen und Hecken saisonal bereichern, erhalten keine Aufenthaltsgenehmigung, sie würden den Platzhirschen das Futter streitig machen – und nur selber Essen mache schließlich fett.

Aufgeplustert hocken die Spatzenhirne im Weißen Haus und wehren jeden noch so kleinen Anflug futterneidischer Gattungen. Selbst die Zaunkönige sehen sich ihrer Krone beraubt und wollen nicht länger eine kleine Minderheit bleiben. Sie verbünden sich mit den Rotkehlchen zu einer royalen, sozialornithologischen Allianz. S/Gimpel und Kiebitze ficht das Ganze nicht an. Sie stelzen unbeirrt und uninteressiert durch die Vorgärten des Hofstaates und flattern umher, ihren Gedanken gleich.

Nun müssen wir unwohl oder übel mit den schrägen Vögeln und Dreckspatzen zurechtkommen. Wohl eher schlecht als recht! Hoffen wir, dass der Vogelhändler die falsche Brut alsbald aus ihrer Voliere verscheucht, und fröhliches Zwitschern anstelle stumpfsinnigem Twittern Oberhand gewinnt.

Januar am 20ten 2017

 

Modernisierung

Allerheiligen Anno 2016

Wenn man in die Jahre kommt, macht man sich so seine Gedanken. Altersarmut und altersgerechtes Wohnen reifen zu zentralen Themen. Zum altersgerechten Wohnen gehört nicht nur ein wohlsortierter Weinkeller, sondern auch ein barrierefreies Bad. Doch schon bei den ersten Planungsüberlegungen zur Modernisierung taten sich schnell Barrieren auf, groß wie ein Doppeloxer beim Mächtigkeitsspringen in Aachen. Die oberste Querstange fiel bereits beim leichten Touchieren mit dem Kontostand. Die Formel: Gefällt uns = kostet aber, bestach mit ihrer Gesetzmäßigkeit. Im internationalen Netz surften wir stunden- und tagelang auf der Welle der innenarchitektonischen, barrierefreien Glückseligkeiten. Keine Badausstellung war vor uns sicher, und beim Stichwort “Modernisierung“ flackerten die Dollarzeichen in den Augen der sogenannten zertifizierten Berater auf. Aufwendigste Kataloge zeugten von den satten Margen, die nicht ausschließlich in den Präsentationslabyrinthen verkachelt wurden. Mit jedem Besuch wuchs der Stapel Infomaterial in unserer unaltersgerechten Bleibe. Mit den Stapeln wuchs allerdings auch die Verwirrung. Wo hatten wir jetzt was favorisiert? Das WC auf oder unter Putz? Ach, das war ja bei der Kopfdusche! Das WC war mit Rinless, patentierter Hygienebeschichtung und automatisch geräuschlos, sanft absenkbarem Deckel. Ohne Fernbedienung! Und ohne automatische Spritzdüse für rückstandslose Sauberkeit am Allerwertesten. Soviel war er uns dann doch nicht wert. Als Befürworter fachgerechter Handarbeit war es schließlich nicht nur eine Frage des Budgets, sondern auch eine Frage der Konsequenz.

Nach den unabdingbaren Investitionen wie Waschbecken, Brausen, Hähnen und Brillen, folgte augenblicklich die Suche nach attraktiven Accessoires wie Becher für Zahnbürsten (trotz Ladestation für E-Bürsten), Schalen für in Handarbeit  hergestellte Seifen aus biologisch abbaubaren, nachwachsenden natürlichen Rohstoffen, schattenfreie Beleuchtung zum Schminken, Rollenhalter für hautschmeichelndes Toi-Papier (4-lagig), Handtuchhalter mit Anwärmsensoren und dergl.. Eine zentrale Frage beschäftigt uns noch heute: Wohin legen wir unsere Klamotten, wenn uns keine Badewanne mit nützlichem Badewannenrand mehr hilfreich zur Seite steht? Dafür ist der weiße Hochglanz-Hängeschrank, unabhängig vom Türanschlag, zu verwenden. Nur die Glasböden sollte man herausnehmen, bevor man die 180° Drehung vollzieht.

Es ist ja wohl eine unausgesprochene Selbstverständlichkeit, dass Optik, Haptik und Anmutung eine einzigartige Harmonie in Form und Farbe ausstrahlen.

Der schöngeistige Teil der Modernisierung endete brachial am Montagmorgen mit dem Anrücken der Abrissbirnen. Ausgestattet mit schwerem Gerät, das zur Einebnung der Dolomiten durchaus prädestiniert wäre. Böse Vorahnungen wurden beim ersten Inkraftsetzen des Boschhammers zur staubigen Realität. Die Erscheinung einer der beiden Abrissbirnen ließ die Vermutung aufblitzen, dass er den Abriss mit seiner eigenen Birne hätte durchführen können. Diese Vermutung erwies sich jedoch alsbald als haltlos. Kopfhörer der höchsten Schallschutz-Kategorie, Atemschutz-Maske a la Super-Gau, Zigaretten mit Fotos von amputierten Beinen auf der Schachtel und eine Kiste Bier aus dem Sonderangebot gehörten neben dem Bosch- und Vorschlagshammer zur Grundausstattung der Rammböcke. Aber, sie verstanden ihr Handwerk! Als sie gegen Mittag aus dem Feinstaub auftauchten, ähnelten sie altägytischen Mumien. Das unaltersgerechte Bad war dem Betonboden gleich gemacht. Das Trümmerfeld glich dem Stadtkern von Hildesheim 1946 aufs Haar. Via handelsüblichen 20 Liter Eimern wurden die pulverisierten Überreste durch unser Wohnzimmer transportiert, und hinterließen eindrucksvolle Spuren der Verwüstung. Selbst kreativste, intensive Vorstellungskraft vermochten es nicht sich auszumalen, dass wir in den Ruinen jemals wieder der Reinigung unseres Körpers werden nachgehen können. Berechtigte Zweifel an dem Sinn der Modernisierung kamen auf.

Mit dem geordneten Rückzug der Abrissbirnen kehrte Ruhe ein, und wir kehrten den Bauschutt aus den hintersten Winkeln unseres gemütlichen Heimes. Dass dies zu einer wahren Sisyphusarbeit ausarten würde, wurde uns in Sekundenschnell bewusst. Sogar der Miele Blizzard CX1 saugte mit 2000 Watt an der Grenze seiner Kapazität. Der Wischmop wurde weder trocken noch kalt, und die Wettervorhersage traf sowohl für das Rheintal als auch unser Wohnzimmer zu: Der Nebel lichtete sich erst gegen spätem Nachmittag. Als gebürtige Optimisten sprachen wir uns gegenseitig Mut zu. Estrich einbringen, Fußboden-Heizung installieren, Wand- und Bodenfliesen verlegen, Wände und Decken verputzen – wo sollte denn da noch Staub herkommen?!

Jetzt warten wir seit zwei Tagen auf die Kolonne der Fliesenleger, die die offenen Krater schließen, und das altersgerechte Bad in einen Zustand versetzen soll, der dem Namen Bad zur Ehre gereicht. Ich werde detailliert berichten.

 

 

Schwarzwald-Duathlon

Dienstag, der 06.September 2016

Vor dem „jungfräulichen, weißen Blatt“ quält sich der Chronist immer wieder mit der gleichen Frage: Wie schaffe ich es den geneigten Leser von der ersten Zeile an in den Bann zu ziehen? Noch weiß er ja nicht welch atemberaubende Story ihn erwartet. Als Chronist ist es keinesfalls unlogisch vorn zu beginnen. In diesem Fall starte ich mit ein paar Vorworten, um spätere fesselnde Schilderungen nicht mit Kleinigkeiten zu unterbrechen.

Da hätten wir zunächst das ewig junge Thema: Navi. Nachdem Falk wegen geographischer Schwächen nach der Nordsee-Tour ausgemustert wurde, trat Garmin seine Dienste an. Bereits bei seinem ersten Einsatz, der Umrundung des Kaiserstuhls, offenbarten sich gravierende Mängel in der Ortskenntnis. Um eine Nähe zum Namen des Chronisten auszuschließen, war die Umtaufe eine logische Konsequenz: Aus Garmin wurde der G-Punkt. Kurz: G. Um das bittere Ende vorweg zu nehmen, G. wird das gleiche Schicksal ereilen wie Falk. Einstweilen möchte ich ihm sogar den G. streichen. Ein Höhepunkt seiner Leistungen war bei bestem Willen nicht zu verzeichnen. Fortan trägt er das Kürzel: VW (Verkehrter Weg). Für eine Manipulation der Abgaswerte konnten wir ihn zwar nicht verantwortlich machen, aber………. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass unser CO2-Ausstoss in zu vernachlässigender Größenordnung zu ignorieren ist.

Eine Umtaufe steht auch dem Kinzigtal-Rad-Wanderweg ins Haus. Aus Kinzigtal wird Kinzig-Berg und Tal, und dem Begriff „Wander“ wird eine besondere Bedeutung zu Teil.

Nun geht es aber los. Gegen 08:30 Uhr trafen wir uns auf dem Bahnhof-Parkplatz in Offenburg. Warum eine Tageskarte ausgerechnet 3,85 € kostet wussten selbst Dauernutzer nicht zu erklären. Die erste Überraschung erwartet uns im Info-Center. Aufgeschreckt aus dem Studium des OT-Börsenteils sprang eine nette Dame auf und eilte zur Infothek. Das Namensschild wies sie als Frau Annette Vogel aus. Sofort schossen mir die ornithologischen Weisheiten durch den Kopf: „Die frühe Vogel fängt den Wurm“. Außerdem wollte ich sie mit einer persönlichen Frage nicht unnötig irritieren, ob sie die Nachtigall oder Lerche sei. Sie erwiderte nichts ahnend mein Lächeln.

Mathematisch korrekt formulierte ich unser Anliegen: 1 mal 2 plus 2. Im Klartext: Eine Fahrkarte für zwei Personen plus zwei Fahrräder nach Freudenstadt. Behänd blätterte Frau Vogel im digitalen Kursbuch, um mir in Windeseile zuzuzwitschern, dass ab 09:00 Uhr Fahrräder kostenfrei wären, und zwei Personen bereits eine Gruppe seien, was bedeutete, dass wir statt je 16,- € lediglich 18,40 € zusammen zu zahlen hätten. Der Zug fuhr um 09:04 Uhr von Gleis 5 ab.

Schorschi erwarb noch eine Wegwerfflasche Asoschorle. Beim Umfüllen achtete er akribisch darauf, dass der richtige Verschluss im Abfall landete. Eine vorausschauende Vorsichtsmaßnahme.

Auf dem Weg zu Gleis 5 wählte Schorschi den Lift. Ich entschied mich für die Zuhilfenahme des Fließbandes seitlich der steilen Treppe. Nachdem ich die Handbremse betätigte war dieser Weg auch von Erfolg gekrönt. Auf dem Bahnsteig tummelten sich schon etliche Reisewillige. Um die Zeit bis zur Abfahrt in Ruhe zu verbringen wählten wir ein Wartehäuschen. Hier saßen wir weitgehend windgeschützt. Der Wind wird seit 1759 in der Einheit „Bofrost“ aufgezeichnet. Bo für Geschwindigkeit Beaufort, Frost nach den Temperaturen. Beides zeigte nach oben. Und wie sich herausstellen sollte, blies der Rückenwind zu Gunsten des Regiozuges. Auf dem Weg zum voraussichtlichen Haltepunkt achteten wir akribisch darauf, die mit nikotingelben dicken Linien gekennzeichnete Raucherzone nicht zu betreten. Im Gegenzug zu den alten Dampfloks hielt sich hier die Rauchentwicklung in überschaubaren Mengen. Erstaunlich, dass sich der Zigarettenqualm nicht an die vorgeschriebenen Grenzen hielt, und munter durch die übrigen Rumsteher wirbelte.

Einen extra Absatz widme ich den Spätgeborenen unter den Wartenden. Sie wischten ohne Ausnahme mehr oder weniger munter über ihre Smartphones, um sich mit den wichtigsten neusten Informationen aus den sozialen Netzwerken vertraut zu machen. Wer wann was gefrühstückt hat. Z.B.: Das Ei gerührt, gespiegelt oder gekocht. Von freilaufenden oder bedauernswerten Hühnern. Mit oder ohne Speck. Von freilaufenden oder unglücklichen Schweinen. Bio oder Regio. Gluten- bzw. laktosefreies Müsli. Linksrum oder rechtsrum gedrehter Joghurt. Ein Proband gestand reumütig, in Ermangelung von Aronal, Elmex zur morgendlichen Oralhygiene verwendet zu haben. Wider jeglicher warnender Hinweise der Verbraucher-Informationen.

Unter Quietschen hielt der Zug Einfahrt auf Gleis 5. Es war kurz vor 09:00 Uhr, und ein hastiger Blick auf die Anzeigetafel verriet uns: Nächster Halt Gengenbach, Haslach, Hausach….. Schnell begeisterte uns der Begriff Triebwagen, und weckte allerlei Phantasien. Der Wagon für die Räder war speziell gekennzeichnet. Der Einstieg verlief ohne nennenswerte Komplikationen. „Warum fährt der Zug bereits um 08:59 Uhr ab?“ fragte ich Schorschi. Für die Bahn ein höchst ungewöhnlicher Umstand. Irritiert schauten wir auf die Laufschrift im Übergang zum radfreien Wagon. Zielort: Konstanz über Villingen-Schwennigen. Kein Wort von Freudenstadt! Gedankenschnell erfassten wir die missliche Lage und beschlossen in Gengenbach auszusteigen und unser Glück mit dem folgenden Triebwagen erneut zu versuchen. Überraschender Weise fuhr dieser nicht nach Konstanz sondern nach Freudenstadt. Anzumerken ist: Erstens wurde Zugversuch Nr.1 von einer anderen Gesellschaft betrieben. Zweitens waren Fahrräder erst ab 09:00 Uhr kostenfrei, nicht ab 08:59 Uhr. Unsere erste Schwarzfahrt blieb unentdeckt. Außer ein paar neugierigen Passagieren, die sich verwundert die Augen rieben, dass wir kaum eingestiegen bereits wieder den Triebwagen verließen. Sei`s drum!

Erleichtert sanken wir in die nächst beste Sitzgruppe – schließlich hatten wir ja ein Gruppen-Ticket rechtens erworben. Die Räder waren ordnungsgemäß verstaut, wir hatten Muse uns ein wenig im Wagon umzuschauen. Schorschi entdeckte das Hinweisschild in unserer Reihe zuerst.

Um nicht schon wieder einen Platzwechsel einzuläuten beschlossen wir, dass Schorschi als schwanger und ich als behindert durchaus berechtigte Chancen gegenüber dem Kontrolleur geltend machen könnten. An der nächsten Station stieg eine junge Mutter ein. Sie hatte ihr Neugeborenes in einer Trage auf dem Rücken verstaut. Ich erfasste die Lage sofort und wies auf das Schild und Schorschi mit den ergänzenden Worten: Zu spät – wir sind auf dem Weg zur Schwangerschafts-Gymnastik nach Alpiersbach. Herzhaftes lachen – und sie verließ den Triebwagen gleich wieder an der nächsten Station. Die Situation war bereingt.

Ach ja, wir hatten entschieden uns bereits in Alpiersbach ins Kinzigtal zu stürzen. Erwartungsvoll enterten wir Bahnsteig 2 in Alpiersbach. Unmittelbar nach dem Verlassen des Bahnsteigs prangte das Hinweisschild „Kinzigtal-Rad-Wanderweg“ inclusive Richtungspfeil. Entschlossen schwangen wir uns auf unsere Räder. Halt! Schorschi musste ja noch seinen G-Punkt (ab jetzt VW) in Stellung bringen. Seine, und die ausgeschilderte Rute stimmten überein.

Der Tag versprach ein herrlicher zu werden. Die Kinzig murmelte friedlich neben dem Radweg, wir waren bester Stimmung. Nach ca. 10 km erreichten wir Schenkenzell. Der Radweg war immer noch hervorragend gekennzeichnet, als VW plötzlich die Route nach rechts vorschlug. Im Vertrauen auf seine geographischen Künste folgten wir widerstandslos. Es tat sich ein wahres Kleinod auf, das Tal schlängelte sich in weiten Serpentinen leicht ansteigend nach oben. Für uns erfahrene Tourer keine Herausforderung! Der separate Radweg war längst zu Ende als VW uns zu einem erneuten Richtungswechsel animierte. Er schien schon auf den ersten flüchtigen Blick keinen glücklichen Verlauf zu nehmen. Nach diversen Überprüfungen folgten wir schließlich dem Rat VWs. Der Weg wurde steiler. Die ersten Schiebe-Sektionen wurden eingelegt. Bei 500 Höhenmetern über n.N., endete der Asphalt. Bei 570 Meter über Meeresspiegel dann auch die letzten Fahrversuche. Die Strecke wurde steiniger und steiler. „Da, hinter der nächsten Kurve, sind wir oben, dann geht’s wieder bergab“. Mit dieser Hoffnung schoben wir weitere unzählige Kurven, bis wir erschöpft auf 850 Meter über Holland angekommen waren. In Ermangelung eines Sauerstoffzeltes führten wir mit den Luftpumpen die ersten Wiederbelebungs-Maßnahmen durch. Keinerlei Anzeichen auf humanes Leben weit und breit. Noch nicht einmal Wanderweg-Hinweise. Es ist müßig zu erwähnen, dass der Akku von VW ankündigte keinen Bock mehr zu haben. Wir waren auf uns allein gestellt und beschlossen für das Biwak zur Nacht eine Wagenburg aus unseren Rädern zu bauen.

Die Pumpen hatten neues Leben in unsere Lungen gepresst, die Zuversicht gewann Oberhand und wir setzten unsere Odyssee fort. Gott sei Dank ging es bergab. Steil, glitschig, selbst Mountainbiker hätten größte Vorsicht walten lassen. Wir nicht minder. Gefühlt war die Strecke zigfach länger als real. Mit Freudentänzen quittierten wir das unerwartete erreichen einer asphaltierten Trasse. Menschenleer natürlich. Aber den ersten Schildern für wagemutige Wanderer. Unter dem Schild „Jakobsweg“ erspähten wir „Schapbach“, das höchstgelegenste Mineral- und Moorbad im Schwarzwald. Vor Jahren hatten ich hier in meiner einzigartigen Karriere Tennis gespielt. Aber wir hatten die Rechnung ohne VW gemacht. Beharrlich wies er in die entgegen gesetzte Richtung. Die Gruppe stand vor einer echten Zerreißprobe. Auf die neuerlichen Anstiege hinweisend ließ sich der Begnadete dann doch überzeugen den geteerten Weg zurück in die Zivilisation zu wählen. Nach rasender Abfahrt erreichten wir Schapbach, Menschen, Radwege und Hinweisschilder. Wir hatten wieder Mut gefasst und auch wieder einen ungetrübten Blick für die Schönheiten der Natur auf dem Weg über Oberwolfach nach Wolfach. Zur Belohnung gab es SchniPoSa und Aso-Schorle. VW würdigten wir keines Blickes. Seine Ausmusterung war beschlossene Sache.

Gestärkt durch allerlei Cerealien und Kohlehydranten setzten wir uns Gengenbach als nächstes Ziel. Hier sollte ein erfrischendes Eis die Schmerzen lindern. Über Hausach, Haslach und Biberach schlugen wir in Gengenbach auf. Einen Querverweis auf Bofrost sei an dieser Stelle angemerkt: Der Rückenwind für den Treibwagen hatte seine Richtung nicht geändert. Aufgefrischt und böig minderte er unser Tempo – brachte allerdings auch ein wenig erfrischende Kühlung an dem sonnigen Herbsttag.

In Windeseile waren die 4 Kugeln Eis, ohne Sahne, verzehrt. Es sei diesem Kälteschock geschuldet, dass der Gekühlte plötzlich den Fahrplan der Deutschen Bundesbahn studierte. In 20 Minuten würde der nächste Regio-Express gen Offenburg rattern. Ungläubiges Staunen meinerseits – allerdings nach den Tortouren durchaus überlegenswert. Eine Entscheidung musste her. Nach der SWOT-Methode wägten wir die Vor- und Nachteile, die Chancen und Risiken ab. Der Bahnhof in Gengenbach spielte ja schon auf der Hinfahrt eine richtungsweisende Rolle. In meiner Phantasie sah ich auf meiner Stirn, für jeden sichtbar: „Der Schwächling bricht die Tour kurz vor dem Ziel ab“. Womöglich kennt mich sogar jemand im Zug. Wie peinlich! Diese Vision ließ uns dann doch unter Aufbietung der letzten Kräfte die verbleibenden 10 Km radeln. Selbst die Fahrradkette ging auf dem Zahnfleisch. Wir, die Helden des Kinzig-Berg und Tal-Radwanderweges ziehen die Sache durch. Der Sportsgeist besiegt alle körperlichen und geistigen Wehwehchen. Wir schaffen das!

Übrigens: Wir haben an der erwähnten Schwangerschafts-Gymnastik in Alpiersbach stillschweigend nicht teilgenommen!

Nach 5 ¾ Std. reiner Fahrzeit legten wir eine Strecke von 83,5 Km zurück (lt. VW) mit einem Schnitt von 14,7 Km/Std. bei gerade einmal 1 ½ Std. Pause

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