Um Unwissende aber Interessierte auf einen einheitlichen Wissensstand zu manövrieren, hier eine kurze Einführung in die Lage. Geburtstagsgeschenke stellen die meisten vor eine kreative Herausforderung. Insbesondere, wenn es sich um runde handelt. Da ist es von unschätzbarem Vorteil, wenn der Zubeschenkende mit seinen Wünschen schon mal eine passende Richtung vorgibt. So geschehen auch bei Lothars 70er. Sein Herzenswunsch war Zeit. Wir, das heißt Roswitha, Hubert, Elisabeth und ich, der Chronist, beugten uns diesem Wunsch gerne. Selbstverständlich war Hiltrud untrennbar mit von der Party. Wir entschieden uns für die Variante „Laufen & Saufen“ und wählten eigens dafür ein Datum, das uns meteorologisch einen herrlichen Tag bescheren sollte – den 06. Mai 2017.

Sowohl der Weg, als auch das Ziel war und blieb überraschend. Geplanter Start war um 11:00 Uhr mit dem Aufsammeln des Jubilares nebst Gattin, sowie ca. 30 Minuten später das Eintreffen in Nonnenweier. Trotz Staus auf der A5, pünktlich wie die Maurer, trafen die Fischers und Maiers im Wörtelweg ein. Nach herzlicher Begrüßung und dem Erkunden des allgemeinen Befindens, brachte ein Gläschen Sekt die erwartungsvolle Runde recht schnell auf die brisanten Themen der aktuellen Politik, und die anstehenden Wahlen bei unseren Nachbarn und bei die Döspaddels im hohen Norden. Die Zeit konnte uns nicht davon laufen, wir hatten sie fest im Griff.

Ohne Hektik wurde die Sitzordnung im Camper besprochen, der uns sechs gemeinsam an den Kaiserstuhl bringen sollte. Ein Camper ist nun mal kein Bus und die freien Plätze waren im Nu an Fahrer, Geburtstagskind und die Damen vergeben. Der Chronist saß die paar Kilometer im wahrsten Sinne des Wortes auf einer A-Backe ab, und Roswitha (offensichtlich mit solchen Situationen vertraut), auf dem Boden kauernd zwischen ökonomisch einwandfreiem, Solarzellen gespeistem Herd und dem Kombiraum Dusche/Toilette. Vereinzelte kleine Spritzer an der Windschutzscheibe wurden einfach ignoriert.

Programmpunkt Nr.2 war die Eismanufaktur in Königschaffhausen. Wir waren die einzigen Gäste, ließen uns allerdings den Genuss nicht vermiesen. Etwas später, als die Eiseskälte sich bereits im Körper breit macht, wagte sich eine fremde Dame in die Eisbar. Sie begnügte sich jedoch mit einem Bollen – angeblich wegen Geldmangels. Wir überredeten sie sich dann doch für die Sorte Orange/Joghurt zu entscheiden. Sie bedankte sich für diese Empfehlung. Auf dem Rückweg zum Camper, vorbei an der Fischergasse, störten wir ein Spatzenpärchen, das aufgeschreckt seine Paarungsaktivitäten auf dem Fensterbrett abbrach und zeternd davon flog.

Programmpunkt Nr.3 war der Abmarsch vom Parkplatz in Burkheim. Altersgerecht spazierten wir einen seichten Anstieg hinauf auf eine Terrasse zwischen den Reben. Der Rundweg war mit einer gelben Raute gekennzeichnet. Aber das nur nebenbei. Wie im Frühling nicht anders zu erwarten, erwachte die Vegetation zum Leben. Der Weg war gesäumt mit allerlei Kräutern und Unkräutern. Augenblicklich begann man mit der Bestimmung derselben und Ratschlägen für welche Wehwehchen sie nützlich seien, bzw. welche Aromen in Salaten oder Kräuterbuttern besonders schmackhaft. Der Outdoor-Naturkunde-Unterricht setzte sich mit der angestrengten Identifikation des Vogelgezwitschers fort. Dabei wurde des gesamte Arten-ABC bemüht: Von A, wie Amsel oder Ammer bis Z, wie Zaunkönig oder Zeisig. Zur Sprache kamen Namen, die ich mein Leben lang noch nicht gehört hatte und bei den Gesängen reichte meine Kenntnis gerade einmal für Taube, Kuckuck und Käuzchen. Aber meine Stunde sollte noch kommen.

Die Gesprächsthemen gingen nicht aus, und mit stets wechselnden Laufpartnern war allerlei Kurzweil angesagt – schließlich waren irgendwann alle Kräuter und Laute identifiziert. Immer wieder gerne genommene Themen der BestAger sind gesundheitlicher Art und, mit welchen Plänen man gedenkt in den nächsten Wochen und Monaten dem Lieben Gott die Zeit zu stehlen. So marschierten wir durch Gottes freie Natur, bis die Wetterfrösche Recht behalten sollten und der vorhergesagte Mairegen an Intensität zunahm. Regencapes und –Schirme wurden aus den Rucksäcken gezaubert und die Wegstrecke besonders aufmerksam studiert, um ja nicht auf einer glitschigen Baumwurzel auszurutschen und womöglich einen Oberschenkelhalsbruch zu riskieren. Irgendwie sehen Wanderer mit Schirmen blöd aus! Aber noch blöder tropfnasse Radfahrer ohne Schirme.

Die Wanderung endete dort, wo sie begonnen hatte: In Burkheim. Bei der Suche nach etwas Schutz und Wärme landeten wir im Art Café. Wir frotzelten noch über den Namen, und ob der Kaffee wohl eher eine Art von Kaffee sei. Leider war der Name Programm. Auch die ersehnte Wärmestube war komplett besetzt und wir mussten, zwar bedacht aber mehr oder weniger im Freien, Platz nehmen. Notdurftmässig jedoch 1A-Lage, unmittelbar am Eingang zur Unisex-Toilette. Kälte und Kaffee sind immer Garant für überproportionalen Harndrang, und so durften wir uns über ausreichend Abwechslung erfreuen. In einer kleinen Stauphase gesellte sich ein hübsches junges Mädchen zu unserer Gruppe. Sie konnte ihre Herkunft aus einem zentralafrikanischen Land nicht verbergen, und ihr Teint erinnerte mich irgendwie an die Sorte „Zartbitter“ aus der Eismanufaktur in Königschaffhausen. Die Unaufmerksamkeit des hübschen jungen Mädchens nutzte ein anderes Mädel schamlos aus, und schlüpfte aufs WC obwohl sie noch nicht an der Reihe war. Wir machten sie auf ihr Vergehen sofort nach Verlassen des Örtchens aufmerksam. Es war allerdings für ein Rückgängigmachen zu spät und sie bedauerte die Tat zutiefst.

Nach schlechtem, teils kaltem Kaffee aber ordentlichem Kuchen stromerten wir durch die romantischen Gassen von Burkheim zurück zum Camper. Der Mairegen nahm sich eine schöpferische Pause, sodass wir trockenes, sauberes Schuhwerk anlegen konnten und mit einem Blick in den Rückspiegel auch einen ordnenden Strich durch das verbliebene Haupthaar machen.

Nachdem wir die bekannte Sitzordnung wieder eingenommen hatten, ging die Fahrt in Richtung Abendmahl. Auf der Fahrt aus Burkheim heraus eskortierte uns ein Stück des Weges eine Rotte blutjunger Mädels im heiratsfähigen Alter. Offensichtlich die letzte Gelegenheit für eine aus ihrer Mitte, das Singleleben zünftig abzuschließen. Trotz des Mairegens schauten sie ein wenig niedergeschlagen ins Wetter.

Programmpunkt Nr.4, dem abschließenden Höhepunkt des Tages – ein Abendessen in der Kellerwirtschaft in Oberbergen. Allen Unkenrufen zum Trotz befindet sich die Kellerwirtschaft nicht unten, sondern oben. Unten, in der Vinothek, verköstigte sich eine Busladung Hobby-Sommeliers aus dem kulinarischen Niemandsland. Mit fachkundiger Mine begutachtete man Farbe und Struktur des Weines, erschnüffelte die Duftnoten des Bouquets und diskutierte über die Nachhaltigkeit des Abgangs am Gaumen. Wir überließen die Laienweinkenner ihrem Schicksal und stiegen erwartungsvoll empor in die Kellerwirtschaft. Dem Anlass entsprechend hatten wir einen Tisch mit Ausblick reserviert. Dieser jedoch unterschied sich lediglich nur in Nuancen von dem Sichtbeton-Mauerwerk. Wir konzentrierten uns deshalb mehr auf Gerichte und Weine. Nun war meine Stunde gekommen! Die Wahl der begleitenden Weine wurde vertrauensvoll in meine Hände gelegt. Ohne großes Eigenlob – die Wahl des Weißen und Roten konnte nicht besser sein. Zum Start jedoch ließen wir Männer uns nicht irritieren und orderten im Weingut Keller erst einmal ein Sturzbier.

Das Essen war ausgezeichnet, und es kam nur noch einmal wenig Unruhe unter der Weiblichkeit auf, als eine Schar junger Männer die Lokalität betrat, denen man durchweg eine gewisse Attraktivität nicht absprechen konnte. Ausgleichende Gerechtigkeit! Man wandte sich schon bald wieder den Ehemännern zu, man wusste schließlich zu schätzen, was man an ihnen hatte. Nachdem die Teller geschleckt, und die Flaschen geleert waren entschloss man sich für die Heimfahrt und einen Scheidebecher im Wörtelweg. Lothar empfand, dass der Salat ziemlich fettig gewesen sein soll. Mit einem Klaren konnte kurzfristig für Erleichterung gesorgt werden.

Zunächst schien es so, als ob der Jubilar der Runde zum jähen Aufbruch animieren würde. Eine schöpferisch geistige Schwächephase wurde rasant überwunden. Beim Stichwort „Mutti“ erwachten die Lebensgeister zusehends und so konnte die Zeitreise mit komplettem Teilnehmerkreis zu einem glücklichen Ende geführt werden.

Auf eine baldige Wiederholung!