Der alte Brauch wird nicht geknickt, Karfreitag wird gewandert. Auf Deubel komm raus! Wir bewegen uns garantiert schon im dritten Jahrzehnt in dieser guten alten Tradition. Doch das Teilnehmerfeld hat  im Laufe der Jahre den allgemeinen Veränderungen Rechnung tragen müssen. Die meisten Best Ager können nicht mehr. Einige Mitläufer der ersten Stunde wollen nicht mehr. Die ein oder andere ehemals bessere Hälfte darf nicht mehr. Der Nachwuchs muss noch und ein harter Kern ist nach wie vor freudig mucker mit dabei. Immerhin findet das finale Diner in nahezu kompletter Runde statt, da Fuß-, Herz- und Kreislaufkranke sich generell noch einer motorbetriebenen Mobilität erfreuen.

Mit kritischem Blick in die Wettervorhersage wird geplant. Die App „Wetter to go“ wird bereits Tage zuvor regelmäßig heimgesucht, um die Ausrüstung bei Zeiten parat zu legen. Es naht der Tag der Wahrheit. Ort und Zeit werden festgezurrt wie die Riemen der Rucksäcke. Frikadellen werden gebraten, Getränke gebunkert, Eier hart gekocht, Gemüse in Stifte geschnitten, Pfefferbeisser und Wienerle bissbereit verpackt. Manch Wanderschuh hat über die Wintermonate eine leichte Staubschicht angesetzt, hin und wieder ist ein morscher Schnürsenkel beim Festzurren in zwei ungleiche Stücke zerrissen. Schweizer Taschenmesser tauchen aus den Tiefen der Schubladen auf, Kapselheber und Korkenzieher mit Seele liegen bereit. In den letzten Jahren haben stille Wasser die prozenthaltigen Geister ersetzt. Und Absteller für die Jugend nehmen ihren Platz in den Rucksäcken ein.

Start und Ziel stehen fest. Bis alle Wandersleute zur Stelle sind, findet die alljährlich gefürchtete Organisation des Auto-Verstellens statt. Die Anzahl der Sitzplätze, abzüglich der Fahrer, und ausreichend Stau- und Kofferraum wird berechnet, um Mann und Maus sicher und vollzählig vom Ziel wieder an den Start zu chauffieren.

An den ersten Steigungen zieht sich das Peloton bereits ein paar hundert Meter auseinander. Die körperlichen Konstitutionen differieren im Einzelfall erkennbar. Doch der Gruppengedanke behält kameradschaftlich die Oberhand. Die ersten fiebern dem ersten Stopp entgegen. Legendär sind diese Brotzeiten, die dem kirchlichen Fastengedanken und der Enthaltsamkeit vehement die Stirn bieten. Der Inhalt der Rucksäcke reduziert sich im Handumdrehen um einen beachtenswerten Anteil. Man isst ja schließlich nicht zum Vergnügen unterwegs!

Die ersten schüchternen Fragen nach der verbleibenden Länge bis zum Ziel machen die Runde. Mit alternativen Wahrheiten werden die Gemüter kurzzeitig beruhigt, und hektisches Suchen nach ablenkenden Aktivitäten wird gefahndet. Es herrscht Uneinigkeit darüber, ob nun der Weg das Ziel sei, oder umgekehrt. Die verbliebenden Best Ager verkürzen sich die Zeit mit detaillierten medizinischen Diagnosen aller Zipperlein. Das Mittelalter diskutiert die aktuellen Ergebnisse der Bundesliga, sowie heiße Themen aus dem Berufsleben. Vorübergehend ist der Empfang von Instagram, Facebook und WhatsApp gefährdet, was eine leichte Unruhe in Teilen der Gruppe aufkommen lässt. Es soll sich später herausstellen, dass sich die Welt weiter gedreht hat, und nach wie vor keine Scheibe ist.

Mit Erleichterung aber auch Zufriedenheit kommt das reservierte Ziel ins Visier der Ausgedörrten. Auch die Fuß-, Herz- und Kreislaufkranken sind bereits in Stellung gegangen. Runter mit den Rucksäcken, rein mit den erfrischenden Bierchen, denn das mitgeführte Arsenal ist entweder Leergut oder aber die Temperatur bietet keine Labsal mehr.

Ob geräucherte Forellenfilets, die ersten Spargel, Schniposa, Berge von Brägele, Pommes sowie das ganze Spektrum an Maggisaucen füllt zunächst die Tafel und dann die Bäuche. Kinderaugen glänzen, wenn die Eisbecher serviert werden. Die Erwachsenen begnügen sich mit Obstler, Willi oder Framboise. Trotz erheblicher Sättigungsgefühle und körperlicher Ermattung klappt die Verteilung der Passagiere auf die umgestellten Fahrzeuge. Die Rechnung ist aufgegangen!

Man wünscht sich noch weiter frohe Ostertage und Gesundheit sowieso. Daheim warten Sofa und Entspannung. Es war wieder einmal eine tolle Karfreitagswanderung. Bis nächstes Jahr!