Abseits aller gut bürgerlichen Gemeinschaften gedeihen real existierende Lebensformen der besonderen Art: Profifußballer. Sie leben in teamorientierten Gruppen Gleichgesinnter, mit erstaunlich identischen Verhaltensmustern. So entwickelt sich der Hubraum ihrer Autos in der Regel diametral zum IQ. Was durchaus zur Bewältigung ihrer geistigen Anforderungen angemessen erscheint. Bis auf die Abseitsregel sehen sie sich selten mit anspruchsvolleren Aufgaben konfrontiert. Zur Sicherheit werden sie von gründlich ausgebildeten Referees auf die Missachtung der Abseitsregel hingewiesen. Fähnchenwinken in Schulterhöhe und der fangebrülldurchdringende Pfiff des Oberreferees sorgen jeweils für klare Verhältnisse. Trotzdem lassen die so Gemaßregelten es sich nehmen die Geschulten auf einen wo möglichen Irrtum gestenreich hinzuweisen.

Neben Kondition und überdurchschnittlichem Geschick mit den Füssen stellen sie gutgemeinte Fragen von Sportreportern hin und wieder vor schier unlösbare Situationen. Um sich aus diesen Sackgassen einigermaßen geschickt zu befreien, werden sie von den cleveren Vereins- und Verbandsmuffties in kamera- und mikrofongerechtem Verhalten geschult. Rhetorisch brillieren sie fortan mit einer Handvoll mühsam erlernter Standardsätze. Diese gilt es nur noch in zu den Fragen analogen Reihenfolgen von sich zu geben. Was mittlerweile ordentlich gelingt. Im Prinzip könnten sich die Reporter alle Fragen auch gleich selber beantworten, denn es sind ohnehin grundsätzlich die identischen.

Dem Fachgebiet entsprechend, gibt es außer der Abseitsregel weitere Fachbegriffe, die von den ersten Jungendmannschaften an Gültigkeit ihre haben. Es gibt den Sechser, manchmal auch zwei. Der kann z.B. aber auch die Rückennummer 10 tragen. Nur der eine Sechser natürlich! Jeder Spielermuss zur Unterscheidung eine eigene Rückennummer haben. Ausputzer produzieren gelegentlich Elfer, ihre Gegenspieler gerne Schwalben. Benannt nach Ian Robben, der den Begriff des fliegenden Holländers häufig zu wörtlich nimmt, und schwalbengleich durch den Sechzehner fliegt. Wenn es im Fußball eine B-Note gäbe, wäre ihm ein Platz unter den Besten der Besten sicher! Anmerkend sei gesagt, dass der Begriff des Vollpfostens kein offizieller Sprachgebrauch ist. Bei Unkundigen führt auch der Begriff „Letzter Mann“ nicht selten zu verwirrenden Interpretationen. Z.B.: Heißt dies nun, dass danach nur noch Frauen spielen dürfen?

Absolut identisch gestaltet sich auch die Wahl der Lebensabschnittsgefährten. Hier rangieren die Model unschlagbar auf der Polposition. Bis sie als Staffage der Kicker ihr Leben ausrichten müssen, durften sie die Roben der Haute Couture kostenlos tragen. Einmal gefreit tragen sie die gleichen Hüllen – nur dürfen sie dafür jetzt bezahlen. Ein Seitenblick auf eine nicht minder überbezahlte Sportart sei gestattet: Bei den Tennisspielerinnen möchte der überwiegende Teil nach dem aktiven Sport als Designerin verwirklichen. In Ausnahmen allerdings auch als Schauspielerinnen -oder gar beides. Aber das wirklich nur ganz nebenbei.

Zurück zu den uniformen Verhaltensmustern. Mit der Vollendung des dreißigsten Lebensjahres breitet sich ein innerer, biologisch nicht aufhaltbarer Wunsch drastisch aus: Man muss eine Biographie schreiben – lassen. Schließlich müssen die Verdienste (nicht die monetären!) der Nachwelt erhalten bleiben. Gut, der Horizont beschränkt sich bei den meisten höchstens auf die Strafräume der Republik. Bei Verteidigern bzw. Stürmern selbstverständlich jeweils aus unterschiedlichen Beweggründen. Logisch! Trotzdem gelingt es immer wieder jungfräuliches weißes Papier mit Nichtigkeiten zu füllen. Es soll sogar Menschen geben, die diese Pamphlete erwerben. Ob sie auch gelesen werden bleibt uns ein Buch mit sieben Siegeln.

Aus Abseits verdächtiger Position am 25.März 2017