Ach, was wären doch die gemütlichen Fernsehabende ohne die allseits beliebten Talkshows? Beliebt bei allen Sendern, weil es budgetfreundliche, teils billige Produktionen sind, denen es an Themen und Teilnehmern nie mangelt. Gut, man kann sich an der Bezeichnung stören, die in unserer Muttersprache besser Sprechschau oder Sprechrunde oder gar Brechrunde heißen könnte. Kaum ist die Erkennungsmelodie verklungen, wird anmoderiert. Bereits die Mimik der Mode-Ratorinnen lässt die Wichtigkeit des Themas für die Menschheit erahnen. Lanz nimmt das Ganze dagegen ein wenig lockerer, und man kann ihm sogar einen gewissen Esprit unterstellen, lässt allerdings selten jemanden aussprechen. Was jedoch nicht sonderlich den Inhalt stört. Johannes B. Kerner vereint beide Eigenschaften in sich: Der weltmännische Gesichtsausdruck, die Betonungsdichte seines Geschwalles und die Selbstherrlichkeit seiner Gestik. Wer zu Wort kommen möchte, der muss schon strategisch geschickt eine Atempause erwischen.

Wie der Name schon zu erkennen gibt, sitzt die Gruppe der Themenbeleuchter in einer Runde – der Talkrunde. Manchmal habe ich den Eindruck, sie wandern nach Maischberger zu Illner, und später am Abend noch zum Lanz. Ausnahmen gibt es nur in den Sportsendungen, die eigene Experten-Zirkel nutzen in denen dann Kapazitäten wie Loddar und unser allgegenwärtiges Bobbele ihren überflüssigen Sermon beitragen. Aber irgendwie müssen sie ja ihre Exen und Unehelichen etc. vergüten. Hätten sie lieber besser verhütet statt vergütet!

Zurück zur Runde, denn die Talkrunden hiesse nicht Talkrunde, wenn sich nicht auch die fachkundigen Aussagen im Kreise drehen würden, bzw. gutgemeinte Räte die Runde machten. Bewundernswert, wie nichtssagende Statements immer wieder in einer neuen Fassung dramaturgisch einwandfrei vorgetragen werden können. Nur einer gibt sich keine große Mühe: B.Scheuert leiert seine Hasstieraden gegen alle und alles, was nicht CSU-like ist, gebetsmühlen-artig herunter. Vollhorst wird’s ihm schon eingeflüstert haben. Damit sind wir auch schon bei der gerne genommenen Auswahl der Experten. Allen voran sei die Schar der Politiker genannt. Dicht gefolgt von allerlei Lobbyisten und Verbandsprofis. Hier kann man aus einem schier unerschöpflichen Arsenal alle Arten sogenannter Spezialisten rekrutieren Zu guter Letzt Journalisten, Dichter, manchmal auch Denker, Autoren und Musizierende die ihre Neuheiten anpreisen. 0hne Zweifeln bereichern gelegentlich Menschen mit außergewöhnlichen, atemberaubenden Erlebnissen die Runde, meist mit ergreifenden Abenteuern. Selbstverschuldeten oder überraschenden, Hauptsache sie passen irgendwie zum aktuellen Thema.

Sezieren wir die verbalen Absonderungen der Runden, dann kommen wir unter dem Strich zum gleichen Resultat: Irgendwer ist immer schuld. Egal wer was sagt oder tut – wir sind dagegen! So, wie beim Fußball: Erst nach der Blutgrätsche folgt die gelbe oder rote Karte. Dabei erweist sich die runde Startaufstellung wiederum als sinnvoll, weil sich die Probanden viel leichter gegenseitig auf die Schultern klopfen können. Quasi eine Art Belobigungspolonaise im Sitzen. Aber das nur nebenbei. Besonders beliebt sind auch apokalyptische Szenarien. Wenn sich die entspannungssuchenden ahnungslosen Zuschauer um seine Zukunft betrogen fühlen, dann herrscht Frieden in der Redaktion. Sorry, dass auch hier wieder B.Scheuert als alles überstrahlendes Beispiel gepriesen werden muss.

Als ich vor wenigen Tagen, von der Mühsal des Tages ermattet, auf dem Sofa eingeschlafen bin, da war die Mattscheiben-Welt noch in Ordnung. In meinen Träumen diskutierten Amelie Fried, Roger Willemsen und Elke Heidenreich mit er- und belesenen Gästen. Man hatte was zu sagen, und hörte aufmerksam zu. Doch dann kam das böse Erwachen: Unmittelbar vor Augen Johannes B. Das logisch folgende Kopfkino hielt, über das Einschlummern hinaus, Einzug in meine Träume. Eine unruhige Nacht. So hart kann das Leben sein

An einem regnerischen Montag, dem 06. März 2017