scharfsinnig - unsinnig - kurzweilig

Autor: Armin (Seite 21 von 28)

Wahl-Versprechen

Wie Pilze aus dem Waldboden, so sprießen auch die beschirmten Stände der Parteien in den Fußgängerzonen. Es stehen Wahlen an! Die Granden, die man sonst nur aus der Presse kennt, wie sie schaufeln, Hände schütteln und gegen alle Pläne aller anderen Parteien wettern, verteilen an Samstagen Luftballons, Blümchen, Kugelschreiber in den Logofarben der Parteien , bunte Zettelchen, und versuchen den aufrechten Bürgern unvorbereitet ein Gespräch aufzuzwingen. Die Adlaten drängen sich in die vorderste Frontlinie, um ihre Listenplätze zu rechtfertigen. Sie verteilen nicht nur kleine Geschenke, sondern auch verbale Versprechen an das Wahlvolk, um um ihre Gunst zu buhlen. Da sie generell dafür sind, dass sie grundsätzlich dagegen sind, können sie auch spielend von eigenen Plänen ablenken. Selbstverständlich ist ihre Wahrheit die einzig wahre Ware. Doch für wen und was soll man sich entscheiden? Nach welchen Kriterien? Rückwirkend, nachdem was sie bisher geleistet haben? Oder was sie sich geleistet haben? Nachdem was sie versprochen haben? Oder ob sie sich versprochen haben? Oder ob sie womöglich gehalten haben, was sie versprochen haben? Oder was sie uns für die Zukunft versprechen? Was weiß denn ich?

Wen ich garantiert nicht wählen würde, steht schon heute zu 100% fest! Die Dame aus Niedersachsen: Elke Twesten! Kaum ist ihr Listenplatz dem Rotstift bei den Grünen zum Opfer gefallen, rochiert sie zu den Schwarzen. Als Ablösesumme erhält sie dort einen Listenplatz. Ich kann nur an den klaren Menschenverstand der Niedersachsen appellieren, dass sie hier ein eindeutiges Votum abgeben! Diese Dame fühlte sich nicht ihrem Gewissen verpflichtet, sondern ausschließlich ihrem Gesäß. Verabscheuungswürdige, erbärmliche Niedertracht in Niedersachsen!

Werfen wir noch einmal einen Blick auf den abenteuerlichen Unsinn, der von vielen Kandidaten von sich gegeben wird. Dahinter steckt ein System! Ja, richtig gelesen: Ein System! In unserer liebgewonnenen Kultur prinzipiell dagegen zu sein, hat die Politik eine beneidenswerte Strategie entwickelt. Sie schlägt listig genau das Gegenteil von dem vor, was sie eigentlich erreichen will. Genial! Oder? Das erklärt auch den zum Teil hanebüchenen Blödsinn, den sie täglich absondern. Offensichtlich sind unsere Damen und Herren Mandatsträger doch nicht ganz so weltfremd, wie sie es uns vorleben. Gut, auch hier müssen wir natürlich mit Ausnahmen leben. Wir können uns aber auch nicht um alles kümmern!

P.S.: Nur Mauty Dobrindt ist mit dieser Taktik jämmerlich gescheitert! Die Maut ist zur allgemeinen Überraschung einfach so durchgerutscht. Oder wollte sie womöglich Mutti unbedingt? Sie war ja ursprünglich vehement dagegen!

 

Kunst und Genuss.

„Kunst und Genuss“ im Lahrer Stadtpark ist ein Event im Stadtpark von Lahr mit Kunst und Genuss. Der Sinn liegt darin begründet, dass es eine Kunst ist, den Genuss auch als solchen zu empfinden. Und wir waren erstmals dabei!

Es lagen keine wirklichen Alternativen für den Samstagabend vor. Die Fernsehanstalten vergeudeten unsere Gebühren mit dem üblichen Schwachsinn, wie, inzwischen täglichem Fußball, Wiederholungen von Krimis, mit denselben Toten und Mördern und irrtümlich Verdächtigen und Hauptkommissarinnen und Hauptkommissaren, und schrägen Hauptkommissar-Anwärtern, und stets freien Parkplätzen vor den Tatorten, und selbstverständlich den Ausgeburten einschläfernder Quizshows. Die Formate beeindrucken durch ihre niveaulose, kreatiefe Vielseitigkeit, wie: Hyperaktive Kinder gegen Helikoptereltern, Promille-Promis gegen nüchterne Beamte, Spätaussiedler gegen Frühaufsteher, Politiker gegen unbescholtene Bürger, Google gegen Konrad Duden, Veganer gegen Hamburger, Herrenknecht gegen Windräder, usw.. Moderiert werden alle Shows grundsätzlich durch seine Selbstherrlichkeit Johannes B-Punkt Kerner, und im Rahmenprogramm die unvermeidliche, atemlose Helene Fischer, der nuschelnde Gnom Peter Maffay, und all die anderen abgehalfterten, reanimierten Veteranen aus der Schlagergruft. Also dann doch lieber „Kunst und Genuss“!

Ich darf es vorwegnehmen: Uns ist das Kunststück nicht gelungen, den Genuss zu genießen. Aber der Reihe nach. Die Anfahrt verlief ohne große Hindernisse auch nicht vor und in den Kreisverkehren. Trotz frühzeitigem Aufbruch waren die Parkplätze bereits belegt. Ohne schlechtes Gewissen habe ich eine weitere Parkreihe eröffnet, auf die die örtlichen Verkehrsplaner noch nicht gekommen sind. Zugegeben, ein wenig Risiko war dabei. Aber eine knöllchenfreie Windschutzscheibe rehabilitierte meine Entscheidung nachträglich. Die Kassenhäuschen-Insassin wollte partout auf unsere Rentner-Ausweise keinen Nachlass gewähren, und auch einen Gruppentarif für zwei Teilnehmer wurde achselzuckend nicht akzeptiert. Das abendliche Lüftchen wehte lau, das Ambiente im Lahrer Stadtpark war berauschend, ein lauschiges Fest harrte unser.

Auf staubigen Pfaden, unter uralten Bäumen, vorbei an Weckgläsern mit Teelichtern von Ikea, die ursprünglich Glasuff beherbergen sollten, führte uns der Hunger auf den Eventplatz. Noch warteten hier und da Sitzgelegenheiten auf Zweisitzer und so beschlossen wir uns hemmungslos dem Genuss hinzugeben. Die Entscheidung fiel uns schwer, aus dem armhaltigen Angebot unseren Wunschgenuß zu ermitteln. Zwischen Spanferkel mit Bratkartoffeln und asiatischer Nudelpfanne mit Hähnchenbrust pendelten die Gelüste. Der Hunger siegte über den Geschmack und auch Plastikteller und Plastikbesteck ließen keinen spontanen Genuss aufkommen.

Voller Vorfreude steuerten wir auf den einzigen Weinstand zu, deren Winzer uns so fremd war, wie ägyptische Hieroglyphen auf Grabtafeln in Pharao-Pyramiden. Da sich das Gros der Kunst- und Genußsuchenden dem Mahl hingaben, war die Reihe schnell an mir. Umgehend führte das Kopfkino in meinem Kopf Regie, und spielte mir Szenen vor Augen, wie es wohl ablaufen würde, wenn mehr als zwei Trinkfeste gleichzeitig ihr Ansinnen äußern würden. Das Kopfkino war eine schamlose Untertreibung der Realität! Wer mit viel Glück, starken Nerven und einer ordentlichen Portion Stehvermögen ein Viertele ergattert hatte, dem sei zu raten gewesen sich umgehend erneut einzureihen, bevor ihm der Durst und nicht die Promille Fatamorganen vorgaukelte. Der Spuk erreichte in Bälde weitere, himmelschreiende Dimensionen. Die Gläser waren ausgegangen. Was allerdings nicht so schlimm war, denn es gab ohnehin keinen Wein und keine Cocktails mehr. Die Polizeibehörde der Ortenau löste augenblicklich ihre Kontrollen auf, da mit zu beschlagnahmten Führerscheinen an diesem Abend nicht zu rechnen war. Müßig zu erwähnen, dass der Wein, so noch vorhanden, sowohl untrinkbar als auch hoffnungslos überteuert war. Insofern hatte der Mangel auch sein Gutes! Zusammen mit dem Glaspfand zog es mir nahezu den finanziellen Boden unter den Füßen weg.

Gesäumt wurden die Plätzchen und Wege von Ausstellern von allerlei nutzlosem Zeugs, wie man es nur von Jahr- bzw. Wochenmärkten in Regionen mit überwiegend ländlicher Struktur antrifft. Glasperlen und geschliffene Steine, wie man sie in der Jungsteinzeit zum Tauschen verwendete, hübsche gedrechselte Holz-Rumstehchen, gebatikte, luftig leichte Tücher, Lakritze in Stangen- oder Schneckenform – die Kunst hat sich hauptsächlich in künstlichem Schnickschnack präsentiert. Ich muss gestehen, dass wir uns eher weniger intensiv mit den gutgemeinten Auslagen beschäftigt haben.

Ein Schwätzchen hier, ein Hallöchen da, viele durstige Seelen suchten alsbald ergiebigere Trinkstätten auf, die auf mehrere Gäste eingerichtet waren. Und so plätscherte der Abend dahin und wir sehnten uns nach einem gemütlichen Abend mit einem Gläschen Rotwein, einer langweiligen Quizshow und der einschläfernden Berieselung durch Johannes B-Punkt Kerner.

Ach ja, die Live-Musikdarbietungen im Lahrer Stadtpark waren echt um Klassen besser als Fischer, Maffay und Co.

 

Geistiger Entzug

Erst das Getier auf dem Dach, und jetzt auch noch das: Was tun, wenn morgens keine Tageszeitung im Briefkasten ist? Kann sich irgendjemand auch nur ansatzweise vorstellen, wie hilflos wir Rentner sind, wenn wir beim oder nach dem Frühstück mit leeren Händen dasitzen? Rumrentnern ohne Zeitung ist zwar möglich, aber sinnlos! Mit akuten, unerträglichen  Entzugserscheinungen! Wohin mit den Händen? Wie damals beim Rauchen aufhören! Der Zeigefinger tippt nervös auf dem Drücker des Kugelschreibers. Jederzeit startklar, um das Kreuzworträtsel zu lösen. Oder man schnäppert mit dem Clip des Kulis, was dem Partner allerdings gehörig auf die Nerven gehen kann. Das ganze Rentnerdasein ist ohne Sinn. Kein Kreuzworträtsel. Kein Sudoku. Keine Sportnachrichten. Keine Neuigkeiten aus den Königshäusern. Keine schaufelnden Politkasper aus der Region  für irgendeinen Neubau. Es ist Wahljahr und da schaufelt man doch besonders gern. Keine Gruppenfotos von Vereinsvorständen und Mitgliedern, die für viele Jahre treue Zugehörigkeit geehrt werden. Die Jahrgänge der Verblichenen rücken auch immer näher. Wenigstens davon bleibt man an diesem Morgen verschont! Keine Beilagen von Aldi, Dehner, Rewe und so. Wie soll man da einen vernünftigen Einkaufszettel zustande bringen? Sollen wir womöglich plan- und ziellos durch den Supermarkt irren? Apropos irren: Von dem Irren im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gibt es zur dieser Stunde auch noch nichts Neues. Er schläft wohl jetzt den Schlaf des Gerechten. Der andere gerechte Irre vom Bosporus hat wieder hunderte Beamte verhaftet. Ist das nun eine gute oder schlechte Nachricht? Wer verwaltet dieses Land denn jetzt eigentlich? Wenn die geistige Elite im Knast schmort. Wer lehrt den Schüler Recht und Freiheit? Und Anstand?

Wir sitzen weiter vor einem leeren Tisch, die Kaffeetassen sind auch leer. Gedankenverloren sinnen wir über das sinnlose Rentnerdasein nach, die bekloppten in der Welt und orakeln über den Ausgang des Dieselgipfels. Dabei steht der eigentlich doch fest. Alibiszenarien. Es ist Wahljahr! Es muss dringend eine Entscheidung her! Wir greifen zum Telefon. Halt erst noch die Rufnummer der Zeitung suchen. Hoffentlich liegt die Ausgabe von gestern nicht schon im Müll- Container. Es gibt ja bekanntlich nichts Älteres als die Zeitung von gestern. Aber bei der Rufnummer wollen wir heute mal eine Ausnahme gelten lassen! Oder?

Tüt Tüt Tüt Tüt. Besetzt. Fünf Minuten später: Tüt Tüt Tüt Tüt. Immer noch besetzt. Ca. fünf Mal weitere fünf Minuten später: Tüütüt Tüütüt Tüütüt: Eine freie Leitung. „Badische Zeitung, guten Morgen! Sie sprechen mit Frau Soundso.“ Ach, dass tut mir leid. Ich verbinde sie mit unserer Service-Abteilung.“

Tüütüt Tüütüt Tüütüt. Auf eine weitere freie Leitung waren wir so zügig gar nicht vorbereitet und stotterten Name und Anschrift in die Sprechmuschel. Wir sprechen übrigens mit Frau Soundso 2.0. „Der Austräger hat sich krank gemeldet. Sie sind leider nicht die Einzigen mit leeren Händen.“ Das große und kleine Weltgeschehen musste heute eben ohne uns auskommen! „Bis elf Uhr ist die Zeitung bei ihnen! Vielen Dank für ihr Verständnis!“

Kann sich jemand in die hoffnungslose Lage eines ungeduldigen Rentners versetzen, der auf seine Zeitung wartet? Wie ewig lange die Zeit dahin schleicht. Und was anstellen mit der trostlos langweiligen Zeit? Erst einmal die Küche aufräumen, Zähne putzen, die Blätter auf der 160er Rolle zählen*, usw.

Wir haben uns in der missligen Notlage entschlossen, völlig losgelöst von knackigen Sonderangeboten, uns heute mit einem besonderen Essen zu belohnen. Wir haben Kochbücher und gehortete Rezepte studiert, und ohne jede Fremdeinwirkung einen Einkaufszettel verfasst. Inzwischen klapperte ein Bote am Briefkasten. Die BZ war da! Die Einkaufspläne mussten warten. Ach du Schande: Der FCB hat schon wieder verloren. Es ist doch noch ein schöner Tag geworden.

*Nur für Konsumenten meines Artikels „Die zarteste Versuchung“ verständlich!

Großwildjagd

Bitte keine Heldenverehrung! Wenn überhaupt, dann ein wenig stille Bewunderung, anerkennende Blicke und gebührenden Respekt. Dann soll´s aber auch gut sein. Zuviel Eigenlob wird gerne auch als Überheblichkeit oder Eitelkeit interpretiert, und das ist bei Leibe nicht der Fall.

Nachdem das Gejammer der Winzer und Bauern nach dem Frühjahrsfrost verebbt ist, und die Ernten voraussichtlich, allen Unkenrufen zum Trotz, doch in der Qualität akzeptabel sein werden, verwöhnt uns der Sommer mit sommerlichen Temperaturen und den dazugehörigen Gewittern. Örtlich begrenzte Hagelschauer lässt die Agrarier aber bereits wieder in ihren Grundfesten erschüttern, und auch die Lieferzeiten von Daimler sind viel zu lang.

Gut, das hat nun wirklich gar nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun, musste allerdings einmal zu Papier gebracht werden! Und die lauen Sommernächte bilden den geschmeidigen Übergang zum Kern des Ereignisses. Es war eine solche laue Sommernacht. Das Morgengrauen kündigte sich bereits an, als mich fremdartige Geräusche jäh aus lieblichen Träumen rissen. Zunächst nur unklar. Wie aus einer größeren Entfernung. Sobald sich aber Gehör und Verstand auf einem Level bewegten, gestaltete sich die Wahrnehmung deutlich konkreter: Die fremdartigen Geräusche waren erschreckend hautnah. Offensichtlich in unmittelbarem Kontakt mit unserem Haus. Da mein absolutes Hörvermögen, welches einseitig ein wenig gelitten hat, und ein wager Ansatz von Tinnitus manch stille Weise zu übertönen wagt, erhob ich mein Haupt leicht, um mit beiden Ohren eine dreidimensionale Ortung der Quelle zu ermöglichen. Alsbald wurde diese Quelle lokalisiert – auf dem Dach unseres Hauses. Ohne jeden Zweifel war dort unter einer Herde Elefanten in eine Stampede ausgebrochen. Eine andere Interpretation ließ die frühe Morgenstunde nicht zu!

Mit dem eigentlich unnötigen Absatz möchte ich ein wenig mehr Dramaturgie in die Schilderung bringen. Ähnlich einer künstlerischen Pause bei einem ergreifenden Vortrag über die Wärmedämmung von 599mm X 199mm X 150mm Ytong-Steinen.

Es war der zunehmenden Wachheit geschuldet, dass der Verstand dem Gehör folgte, und an logischem Denken gewann. Eine Elefanten-Stampede auf dem Dach unseres Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung war schlichtweg nur schwer vorstellbar, und weder mündlich noch schriftlich zu vermitteln. Augenblicklich schossen mir die täglichen Polizeiberichte durch den Kopf, dass osteuropäische Diebesbanden ihr Unwesen gerne in grenznahen Regionen ausüben. Aber auf dem Dach? Die Ratio gewann auch hier die Oberhand. Blieb eine weitere Variante: Santa Claus versucht durch den Kamin Geschenke unter dem Strauß Sonnenblumen zu platzieren. Da es bis zum Fest des Kaufrausches jedoch noch etliche Monate hin ist, schied auch diese Vermutung vernünftiger Weise aus. Schließlich entpuppte sich die Stampede der Elefanten als ein blutrünstiger, unter Naturschutz stehender, Marder. Normalerweise finden seine Streifzüge in den Motorräumen der Fahrzeuge von Laternenparkern statt. Allerlei elektrisches Kabelgedöns und Isolierungen sollen sehr schmackhaft sein, auch wenn sie weder ein Biosiegel aufweisen, noch aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt sind. Sei`s drum.

Offensichtlich liebestoll gebärdete sich der nächtliche Störenfried von Dachrinne zum First und zurück. Die Holzdecke erwies sich dabei eindrucksvoll als hervorragender Resonanzboden! Das Spielchen wollte nicht anfangen aufzuhören, und so fasste ich den mannhaften Entschluss dem Treiben ein Ende zu setzen. Todesmutig, bewaffnet mit einem Indoor-Besen, schlich ich mich elfenhaft in den ersten Stock, um direkt vor Ort den genauen Laufweg des Aufdringlings auszukundschaften. Seine Laufwege waren eindeutig abgestimmter als die der deutschen Frauen-Nationalmannschaft bei der Fußball-EM. Im Gegensatz zu ihnen beabsichtigte der Marder die erste KO-Runde zu überstehen, und meine ersten zaghaften Klopfgeräusche zu ignorieren. Ich entschied mich für eine härtere Gangart! Mittlerweile wusste ich fehlerlos die Routen auf dem Dach zu lokalisieren, und traktierte das Monster mit gezielten kräftigen Schlägen gegen die Holzdecke. Der Resonanzboden erwies sich ab sofort als mein engster Verbündeter. Nach wenigen Minuten ertrug offensichtlich das Getier die akustische Folter nicht länger und stürmte unter bestialischem Fauchen über die Dachrinne zurück in die Wildnis. Der Sieg war meiner!

Neben dem Morgengrauen leuchtete inzwischen in allen umliegenden Nachbarhäusern in allen Räumen die hellst mögliche Licht-Stufe, die man mit dem Dimmer regulieren konnte. Schemenhaft huschten leichtbekleidete Gestalten von Zimmer zu Zimmer, um schlaftrunken und verzweifelt nach dem nächtlichen Radau zu fahnden. Ergebnislos, denn ich hatte mich bereits wieder in die ehelichen Gemächer zurückgezogen.

Am Frühstückstisch schmückte ich dann die Schreckensnacht ein wenig blumig aus, um mich in den bewundernden Blicken der Gattin zu sonnen. Der Tag konnte nicht besser beginnen. Ein Held war über Nacht geboren. Immerhin wurde aus dem Elefanten keine Mücke, sondern wenigstens ein Marder. Ist doch auch was. Oder?

 

Titschen

Wer kennt noch dieses Spiel aus Jugendtagen? Titschen, die halbwegs legale Möglichkeit sein Taschengeld aufzumöbeln oder den traurigen Rest gänzlich zu verzocken! Eine Kombination aus Fingerfertigkeit und gutem Auge. Halbwegs legal deshalb, weil Titschen mit Geld und um Geld gespielt wurde. Und, weil die Gewinne an den Finanzbehörden vorbei direkt in der nächsten Eis- bzw. Pommes-Bude investiert wurden. Verluste konnten bei der Taschengeld-Auskommenssteuer leider nicht geltend gemacht werden.

Die Regeln waren denkbar einfach. Zum Spiel selbst benötigte man außer Barem in Form von Münzen (Zehnpfennig-Stücke) ein Spielfeld. Die Größe spielte eine untergeordnete Rolle, Hauptsache es wies eine gerade Kante auf. Als Untergrund empfahlen sich besonders Fliesenböden aller Art. Am besten repräsentative Hausflure oder öffentliche Flure und Räume in Schulen oder Hallen oder Hallenbädern. Selbstverständlich konnte das Spiel auch im Freien durchgeführt werden. Über die Nachteile werde ich später noch ein paar Worte verlieren.

Man stelle sich vor: Ein x-beliebiges Treppenhaus, gekachelt. Die erste Stufe war die ultimativ geeignete Anschlaglinie. Ein exakter Abstand wurde einvernehmlich definiert. In der Regel eine von der Anschlaglinie drei bis vier Schritte entfernte Kachelfuge. Mindestens zwei Teilnehmer waren erforderlich. Nach oben bot der übliche Freundeskreis automatisch das Limit. Die erste Reihenfolge der Spieler wurde ausgelost. Die folgenden Spielrunden fanden in umgekehrter Reihenfolge statt. Der Sieger der Vorrunde hatte das letzte Startrecht. Man positionierte sich an der vereinbarten Fuge und schnippte den Zehner in Richtung Treppenstufe. Der Naheliegendste hatte gewonnen. Den ersten Teil des Titschens! Jetzt war die Geschicklichkeit gefragt! Der Zwischensieger sammelte alle Münzen ein, und musste sie zu einem Türmchen stapeln. Diesen lancierte er auf die Fläche des Ellenbogens auf der Unterseite des Unterarms. Dieser war waagerecht nach oben, etwa auf Schulterhöhe, angewinkelt. Die geöffnete Handfläche zeigte ebenfalls nach oben. Nun galt es seine Geschicklichkeit zu beweisen! Man musste den Ellenbogen rasant nach unten reißen. Für den Bruchteil einer Sekunde schwebte der Münzstapel schwerelos im Raum. Es galt jetzt, mit der zuvor in Stellung gebrachten offenen Handfläche, soviel Münzen wie möglich aus der Schwebe zu schnappen. Bevor der Rest – oder im ungeschicktesten Fall alle – scheppernd im Treppenhaus herumkullerten, da die Schwebephase lediglich von kurzer Dauer war. Jetzt hielt man seinen Gewinn zwar in der Hand, durfte ihn allerdings immer noch nicht für sich auf der Habenseite verbuchen. Eine zweite Geschicklichkeitsprüfung stand noch zwischen totalem Ruin und einer Lore Pommes rot/weiß. Erneut fand ein Stapel der verbliebenen Münzen einen stabilen Standort. Diesmal auf den flach ausgestreckten Rücken der Finger. Die optimale Position war unmittelbar mittig auf dem Fingernagel des Effenbergschen Stinkefingers. Es gab nun differierende Techniken, die sich die Teilnehmer in Monaten antrainiert hatten, und für sich als besonders gewinnbringend herauskristallisiert hatten. Sie waren allerdings durch keinerlei Statistiken bestätigt, bzw. durch Videoanalysen, die im Zeitraffer oder in Zeitlupe erkenntnisreich ausgewertet werden konnten. So konnte man zum Beispiel die vorderen zwei Glieder der Finger einfach abklappen, um mit Überschallgeschwindigkeit nach dem Stapel zu schnappen, der der Schwerkraft gehorchend auf dem Fliesenboden mit ohrenbetäubendem Geschepper aufzuschlagen trachtete. Oder ihn geschmeidig einige Millimeter in die Höhe zu schleudern und die Hand blitzartig mit der Handfläche nach oben wendend, um, wie dereinst bei Sterntaler, den Geldregen aufzufangen. Ohne Zuhilfenahme des Hemdchens natürlich! Auch eine rasante Wende in horizontaler Richtung wurde akzeptiert. Dies war allerdings die gefühlt erfolgloseste Variante. Der Gewinner nebst Gewinn war final ermittelt!

Mit den restlichen Münzen durfte sich der Zweitplatzierte auseinandersetzen, gegebenenfalls der Dritte usw., usf.. Der aufmerksame Leser wird nun erkennen, dass ein Spiel im Freien den herumwirbelnden Münzen ein freies Flugfeld in die Landschaft bot. So konnte es zu höchst überflüssiger Zeitverschwendung durch breit angelegte Suchaktionen kommen.

Waren die Abstände des Spielgerätes zur Zielstufe mehrerer Teamkollegen mit dem geschulten, bloßen Auge nicht stressfrei festzulegen, entschied ein Stechen die Reihenfolge der Aspiranten.

Titschen konnte solange gespielt werden, bis die Mehrzahl der Aktiven pleite war, oder sich die Mieter über den Radau im Treppenhaus massiv beschwerten, oder die Horde der Heranwachsenden zum Abendessen gerufen wurden. Per Sozialmedia war es damals noch nicht möglich. Der Mutter Stimme rief nur einmal, aber bestimmt. In der Regel blieb dann wenig Zeit seine Gewinne zu verifizieren – abends, heimlich bei Taschenlampenlicht, unter der Bettdecke. Die Pommes rot/weiß oder der Eisbecher mussten warten. Was blieb war die Vorfreude!

Heute sieht man keine Kids mehr titschen. Sei es aus Mangel an Zehnpfennig Münzen, aus Zeitmangel durch Lesen höchst überflüssiger digitaler Mitteilungen, oder durch Überfluss an Taschengeld, oder durch zielloses Herumirren in virtuell kryptischen Tunneln. Oder so.

 

 

 

In Westen nichts Neues!

Wer jetzt den Zeigefinger hebt, und berechtigt verbessert: Es heißt „Im Westen nichts Neues“, der hat Recht. Und auch wieder nicht! Denn wenn ich schon einmal so eine Formulierung verwende, steckt sicher ein Hintergedanken dahinter. So ist es!

Also, noch einmal von vorn: „In Westen nichts Neues!“ Gemeint ist bei Leibe nicht der geographische Westen, sondern schlicht und anziehend die Weste als Ober-bekleidung. Anzüglich sind logisch auch die folgenden Beobachtungen. Zunächst die Frage: Wo liegt die Altersgrenze für Westenträger? Spontan würde ich vermuten, unmittelbar beim Eintritt in die Rente. Die Vermutung, dass mit dem Erhalt des Rentner-Ausweises automatisch eine Weste ausgegeben wird hat sich zerschlagen. Wer könnte das besser beurteilen als ich? Noch größer war allerdings meine Verwunderung, dass die einschlägigen Oberbekleidungshäuser keine Angebote verschickt haben: Zwei Westen kaufen – nur eine zahlen. Hier befinden sich die Marketingstrategen noch in einer Art Tiefschlaf, denn schließlich gehören die Best Ager zu einer ausgemacht finanzstarken Zielgruppe. Jedenfalls für Westen.

Die Modedesigner hingegen haben es unglaublich einfach. Bei den Rennern dominieren die beigen, respektive khakifarbenen Modelle! Gefolgt von den Tönen schwarz und mit einem beruhigenden Abstand halbschwarz. Die Farbe Khaki harmoniert nahezu mit den Kargo-Westen, die ausschließlich bei den o.g. Käuferschichten ihre Berechtigung haben. Ursprünglich waren die diversen aufgenähten Täschchen für das sichere und griffbereite Aufbewahren von Kompass, Munition für Großwild, sowie Schweizer Taschenmesser konzipiert. Heutzutage dienen sie zur Aufbewahrung von Asthma-Spray, Herztropfen und Messgeräten für den Blutzucker. Auch ein Smartphone mit überdimensionalen Tasten finden ein bequemes Täschchen – man kann jedoch vor der Platzierung in der Nähe der Herzschrittmacher nur ausdrücklich warnen!

Neben den schlichten Farben drängt sich bei den Materialien die Baumwolle geradezu auf. Optik und Haptik in schier atemberaubender Harmonie. Für die Übergangszeit empfiehlt sich Leder oder Wildleder oder gar Loden, mit bzw. ohne Inlett aus kuscheligem, wärmendem Fell. Wer ein paar Euro mehr investieren will, wählt die Variante mit Inlett zum Ein- / Ausknöpfen oder mit Reißverschluss. Sowohl Innen wie Außen ist durchaus auch eine Leder- bzw. Fellimitation tragbar. Es versteht sich von selbst, dass die Westen generell ohne Kragen zu tragen sind, maximal ein kleiner Stehkragen ist akzeptabel.

Keine Weste ohne Ausnahme. Deshalb vollziehen wir jetzt eine doppelte 180° Merkelwende und wenden uns dem absoluten, alters- und alternativlosen Mode-Accessoire zu. Und weil es gerade so schön in die Semantik passt, den Wendewesten, beidseitig tragbar. Kein beige oder khaki – knallbunt, wenn es denn sein muss auch in schwarz. Kein Leder, keine Baumwolle, kein Loden – nein, ausschließlich atmungsaktive Hightech-Materialien! Unverzichtbar, die nicht zu übersehenden Logos der Hersteller, die aus einer ganz normalen Weste eine Haute Couture Weste schneidern. Sie prangen an prominenter Stelle, direkt über dem Herzschrittmacher. Was bei den Kargo-Westen die vielen Täschchen sind, sind bei den Westen die Steppvarianten und Reißverschlüsse. Waagerecht, diagonal oder rautenförmig lockern sie die eigentlich schlichte Struktur der Oberfläche auf. Personen mit unvorteilhaften Proportionen sollten darauf achten, dass sie nicht zu einem Zwillingsbruder des Michelin-Männchens mutieren. Ok, der Preis ist nicht allein vom Logo des Herstellers abhängig. Das Futter spielt eine wichtige Rolle. Daunen sind selbstverständlich kostspieliger als Plastikfüllungen. Da man diese allerdings nicht für jeden ersichtlich zur Schau stellen kann…. Aber gut.

Ganz ehrlich: Entgegen dem Titel ergibt sich in Westen doch einiges Neues! Hätte ich gar nicht gedacht.

Auslöser der Gedanken waren gestern, Mitte Juli 2017, bei 30°C, zwei Klassiker, die vor mir auf der Tennisanlage saßen. Einmal Khaki / Kargo, einmal Leder / schwarz.

Die zarteste Versuchung

Zugegeben, es ist jetzt nicht gerade das Brüller-Thema am Frühstückstisch. Hier behalten doch die Ereignisse der Weltpolitik die Oberhand. Und sollten noch keine Arbeiten das Rentnerdasein voll in Anspruch nehmen, steht natürlich die Gestaltung des Tages im Vordergrund. Dennoch beschäftigt mich täglich aufs Neue eine Frage, deren Antwort ausschliesslich auf dem sogenannten stillen Örtchen zu finden ist. Nebenbei: Warum das stille Örtchen „stilles Örtchen“ genannt wird, ist mir manchmal recht unklar. Wie auch immer.

Als ausgesprochen bequemer Vorteil erweist sich die Planung unseres Hauses mit vier solcher stillen Örtchen. So ist es jedem Familienmitglied vergönnt seine Geschäfte in Ruhe abzuwickeln. Nebenbei Teil 2: „…in Ruhe…“ Eventuell deshalb stilles Örtchen? Wie auch immer.

Nun, die Frage ist nicht: Warum vier stille Örtchen bei lediglich drei Familien -mitgliedern? Das wäre zu simpel. Die Frage ist sogar wesentlich profaner. Gewinnt allerdings an Bedeutung, da ich sie mir nahezu täglich stelle. Es ist der Isolation auf dem stillen Örtchen geschuldet, dass ich nie ernsthaft nach der Lösung geforscht habe. Warum auch immer.

Jetzt, so denke ich, ist ausreichend Spannung aufgebaut, um die berühmte Katze aus dem Sack zu lassen. In großen Lettern lacht mich die folgende Zahlenkombination seit Jahren an: 4 / 10 / 160. Im Klartext: 4-lagig, 10-rollig, 160-blättrig. Die 4-Lagigkeit konnte ich problemlos überprüfen, und kann es als absolut korrekt bezeichnen. Die 10-Rolligkeit ist bereits beim Kauf offensichtlich. Bleibt die Frage nach der 160-Blättrigkeit. Und hier quälen mich täglich die Zweifel nach der Richtigkeit. Ohne ins Detail zu gehen, ich verwende konsequent generell jeweils zwei Blatt. Ergo müssten 80 Verwendungen möglich sein. Das habe ich bisher nicht in Frage gestellt. Aber: Warum bleibt dann bei jeder Rolle immer ein einzelnes Blatt übrig? Ist es eins zu viel? Oder eins zu wenig? Oder gar bei einer Rolle mehr, und bei der nächsten weniger? Und würde ich in der Haushaltswaren-Abteilung des Verbrauchermarktes den Griff zum Angebot mit dem Aufdruck 161-blättrig oder 159-blättrig greifen? Wenn ich mir doch genau um die Differenz eines einzelnen Blattes bewusst bin! Wie auch immer.

Da sich die Recherchen über Tage hinziehen würden, und sich repräsentativ über mehrere Rollen erstrecken müsste, sowie zahllose Daten statistisch erfasst werden müssten, erscheint mir der Aufwand doch ein wenig überbewertet. Also verschiebe ich die weiteren Überlegungen auf die nächste Sitzung. Morgen nach dem Frühstück. Warum auch immer.

Gedacht an einem regnerischen Mittwoch, mitten im Juli 2017.

Die Geometrie des Wurstbrotes

Warnung: Vor dem geistigen Verzehr dieses Artikels wird eindringlich gewarnt. Gefährdet sind besonders folgende Personengruppen: Der gemeine Esser und Mitesser, sowie Vegetarier, Veganer und Streichwurstlegastheniker. Aus- und Nebenwirkungen sind akute Schädigungen des vegetativen Nervensystems bis hin zur selbstzerstörerischen Zerfleischung.

Während o.g. Verweigerern des traditionellen Wurstbrotes jede Sensibilität für die urbane Schnitten-Essthetik abhandengekommen ist, werden die praktizierenden, bekennenden Wurstbrot-Geometriker jede Zeile dieses Berichtes gierig verzehren. Grundsätzlich sei bemerkt, dass die Nahrungsaufnahme nicht ausschließlich dazu dient, den banalen Hunger zu stillen, respektive schlechthin zu Überleben. Wurstbrot-Geometriker genießen mit allen Sinnen – das Auge isst bekanntlich mit!

Das unbestrichene Wurstbrot ist im Urzustand bar jeder essbaren Geometrie. Erst durch die Zuwendung des Geometrikers reift es zunächst in der Fantasie zu einem Meisterwerk der Essthetik. Kein gestaltetes Wurstbrot ohne einen gesunden Belegungsplan. Bereits beim Ansatz des Brotmessers an den Laib gilt es die finale Form vor Augen zu haben. Da grobschlächtige Metzger generell die Scheiben ohne Rücksicht auf den späteren Genuss elektromechanisch herunterschneiden, bleibt es der Kreativität des Lebensmittel-Gestalters überlassen, Form und Funktion in einen harmonischen Einklang zu bringen. Nichts ist unappetitlicher, wenn unförmige Wurstscheiben das Brot an schief geschnittenen Rändern überlappen, oder zum Rand der Schnitte unbelegte Butterfelder sichtbar bleiben.

Die unnatürlichen Formen der Wurst und des Brotes werden leider allzu häufig zu Gunsten von höheren Margen technisch optimierten Herstellungsprozessen geopfert. Dabei stimmen sich die Handwerker – selbst in unmittelbarer regionaler Nähe – selten untereinander ab. So kommt es immer wieder zu Kollisionen zwischen rund und eckig. Die Wahl des Handwerkers seines Vertrauens ist hier von vorentscheidender Bedeutung!

In den südlichen Regionen Europas sind die Hersteller der Grundnahrungsmittel bereits seit Generation schlauer. Denken wir an die Italiener, deren guter Geschmack sich nicht nur bei den Lebensmitteln dokumentiert, sondern auch bei Schuhen, Handtäschchen, Kleidung allgemein und: Natürlich den Autos! Wer sich die Pane und Salamis genauer betrachtet wird zwangsläufig in Verzückung geraten, da die Formen, bestens aufeinander abgestimmt, bereits im Regal und in der Theke eine optimale Belegung erahnen lassen. Kleinere Salamischeiben können mit leichten aber schicken Überlappungen im Kreis auf eine formal größere Panescheibe drapiert werden. Hier treibt die Vorfreude schon lange vor dem Zubiss die Geschmacksfäden in die Mundhöhle. Dabei spielen die Verfeinerungen der Wurst keine ausschlag-gebende Rolle. Fenchel, Knoblauch oder Pfeffer runden den Genuss wohltuend ab. Man darf sich nicht dem Trugschluss hingeben, dass Streichwürste einfacher zu servieren sind. Die Gleichmäßigkeit der Auftragsstärke, ohne sonderliche Wellenstrukturen, sowie komplette Bedeckung bis in die letzten Ecken erfordern Konzentration und Hingabe. Bei raschen, oberflächlichen Streichungen kann es zu fettigen Seitenrändern kommen. Wie häufig ist dem Hungrigen dabei schon das ersehnte Wurstbrot entglitten, und der Physik folgend auf dem sogenannten Gesicht zum Liegen gekommen. Man möge uns davor bewahren!

Zum guten Schluss noch ein paar hilfreiche Anmerkungen. Das oben aufgeführte Prozedere ist im Grunde auch für Käse zu adaptieren – auch wenn hier der Begriff „Wurstbrot“ fehl am Platze ist. In diesem Fall verweise ich speziell auf die Sorte Velveta Käseecken „Vollfett mit Salami“, die sich bereits seit Generationen als besonders appetitlich und streichfähig bewährt hat. Die Geschmacksvariante mit Salami erlaubt hier sicher eine akzeptable Ausnahme.

Verfasst zum Ende des Ramadan in Juni 2017

 

Bella Italia

Es gibt sie noch, die geliebten Kleinode in dieser Welt. Feriendomizile der besonderen Art. Eines davon wird von uns seit nahezu 20 Jahren mindestens einmal im Jahr heimgesucht. Das Royal Colombo in Menaggio am Comer See. Hier herrscht Mario Colombo und schüttet seinen ganzen Charme kübelweise über seine Heimsucher aus. Schon sein Name ist ein absoluter Klassiker: Mario Colombo! Legendär ist seine Laudatio morgens zum Frühstück, wenn er das Menü des Abends wortreich und blumig präsentiert. Selbst wenn die Grenze des Völlegefühls bereits touchiert wird, läuft einem sprichwörtlich das Gewässer im Munde zusammen. Dass er es grundsätzlich an jedem Tisch aufs Neue zelebriert ist seine ganz persönliche Note. Man kann es aber auch nicht oft genug hören – deshalb verlässt kein Gast das Szenario, bevor Mario nicht seine komplette Runde abgeschlossen hat.

Der alte Charmeur hat natürlich noch mehr auf der Pfanne als vier Gänge anzukündigen. Bei jeder passenden und gelegentlich auch unpassenden Gelegenheit flaniert er die Damenwelt mit Anekdötchen aus seinem Leben. In wie weit sie immer der reinen Wahrheit und nichts als der Wahrheit entsprechen sei dahingestellt. Ist aber auch total egal, lustig sind sie allemal. Mario lässt es sich auch nicht nehmen für jeden Landsmann und jede Landsfrau eine Fahne zu hissen. Selbstverständlich nur die Landeswappen, was aber genug Aufmerksamkeit bedeutet. Passend zu den Nationen bewegt sich Mario fehlerfrei in nahezu allen europäischen Sprachen. Angemerkt sei, dass sich sein Repertoire keinesfalls auf das schnöde Herunterbeten der Köstlichkeiten beschränkt. Im Gegenteil – auch seine Anekdötchen und beliebige freie Themen beherrscht er mit bemerkenswertem Wissen und linguistischem Geschick.

Wen wundert es also, dass wir Jahr aus, Jahr ein sein schmuckes Domizil aufsuchen, um ein paar wunderschöne Tage zu erleben. Abgesehen von den lächerlichen paar Gramm Gewichtszunahme kann man nun wirklich nicht meckern. Es liegt natürlich nicht allein an den italienischen Speisen, die grundsätzlich einen kohlenhydratischen zweiten Gang kredenzen, sondern ebenso an den dazu passenden harmonischen Getränken. Und an deren reichhaltigem Genuss! Dass Panacotta und co nicht gerade kalorienarm sind, und ein Grappa das Mahl perfekt abrundet soll an dieser Stelle auch nicht unterschlagen bleiben. Ach ja, und zum Start, sowie als Sundowner auf dem legendären Feldherrenhügel gehört unzweifelhaft ein kühler Mezzo Litre. Habe ich was vergessen? Man möge es mir verzeihen!

Untrennbar verbunden mit einer Reise an den Comer See zu Mario ist ein Frühstück am Lago. Je nach Stau am Gotthard finden wir zwischen neun und zehn Uhr bei Gabi und Jürgen einen reichlich gedeckten Tisch, wachsweiche Eier, frische Panini, Käse und Wurst, und: Rotebeetepaste von Allnatura! An dieser Stelle meinen allerherzlichsten Dank an Kathrin, die nachdrücklich darauf hingewiesen hat!!! Ohne Rotebeetepaste wäre ein Frühstück am Lago für mich kein Frühstück am Lago!

Bestens gestärkt werfen wir uns dann in das Getümmel der italienischen Gassen. Den Schlagbaum des Schweizer Zolls  noch im Rückspiegel, erfährt jeder am eigenen Leibe wo er ist. Enger und dunkler wird es in den Tunnels,  LKWs und Busse rasen hupend über die Sträßchen, bis sie sich im nächsten Örtchen mit einem holländischen Wohnwagenfahrer duellieren. Wer gewinnt brauche ich sicher nicht zu erwähnen. Dieses Prozedere wiederholt sich alle paar Kilometer in jeder, wirklich jeder Ortschaft. Nur sind es nicht generell Grachtenrutscher, auch Opelfahrer, gerne Rentner, avancieren zu mobilen Verkehrshindernissen, die selbst ich hier und da geneigt bin abenteuerlich auszumanövrieren. Außerdem katapultieren sich ständig Motorräder und Roller an uns vorbei, Hornissenschwärme gleich. Gegenverkehr wird grundsätzlich ignoriert – nach dem Motto wer bremst verliert. Ihr Outfit ist eher selten auf Sicherheit bedacht und schon dreimal nicht dem Fahrstil angepasst. Shorts und Flipflops aber Helm müssen ausreichen. Nicht weniger behindernd, aber deutlich langsamer, treten zusätzlich unzählige Radler in perfektem Look in die Pedale ihrer Rennmaschinen. Da die Randstreifen sich nahtlos an den italienischen Straßenbelag anpassen, ist klar, welchen Part der Fahrbahn sie bevorzugen.

In der vertrauten Residenz bei Mario, ohne nennenswerte mechanische Kaltverformungen am Auto und mit leicht angegriffenem Nervenkostüm, angekommen, fallen wir zunächst erleichtert in Marios Arme, bevor der Feldherrenhügel erobert wird und der tägliche Kreislauf mit einem Mezzo Litre de la Casa und einem knackig frischem Salat Tonno eröffnet wird. Der Panorama-Rundblick auf den Lago di Como, die Berge, den Pool und Marios erste Anekdötchen entschädigen umgehend für die Wohnwagengespanne mit gelben Kennzeichen und ergrauten Opelfahrer. Der Urlaub kann beginnen. Der Rest ist hinreichend bekannt.

Es war wie immer im Juni 2017. Und es war wie immer sensationell schön!

P.S.: Nicht unerwähnt soll bleiben, dass die Temperatur des Pools zwischen 28°C und 30°C pendelte, und die wahre Erfrischung deshalb ausnahmslos dem Mezzo Litre Vino Bianca vorbehalten blieb!

 

 

Hundsmiserabel

Aus gegebenem Anlass muss ich einfach zu diesem Thema ein paar persönliche Anmerkungen loswerden. Es betrifft die Haltung der lieben Vierbeiner. Gut, Vierbeiner gibt es diverse. In der Regel ist allerdings der treue Freund des Menschen gemeint – der Hund. Obwohl, treuer Freund? Treffender ist mittlerweile die Einstufung: Modisches Accessoire. Grundsätzlich sollte man den Großteil der modischen Accessoires nicht als Hund bezeichnen. Diese vermenschlichten Etwasse mit vier Beinen, die in den Flaniermeilen an jeder Laterne, jedem Blumenkübel und jeder Hausecke eines der hinteren Geläufe anheben, um ihre unhygienischen Duftmarken zu hinterlassen. Und erst einmal ein Artgenosse sein Revier abgepinkelt, folgt garantiert der nächste Beinheber und benetzt das Urinal, um es für sich zu kennzeichnen. Die größeren Geschäfte werden vom Halter immerhin gelegentlich entfernt. Gelegentlich. Ok, die Hundchen können nichts dafür. Das wahre Problem befindet sich am anderen Ende der Leine! Wobei – bei den Ähnlichkeiten, die Hund und Herrchen im Laufe ihres Zusammenlebens annehmen, kann man nicht einwandfrei klären, wer sich an welchem Ende der Leine befindet. Am sichersten ist es, wenn man sich auf die Anzahl der Beine verlässt.

Es ist keinesfalls hinreichend geklärt, wer letztendlich diese Mutation vollzogen hat. Hat sich die Optik des treuen Freundes dem Herrchen, bzw. dieser dem des Herrchen bzw. dem des Herrinchen angeglichen – oder umgekehrt? Zur Ausgehuniform gehört heute standesgemäß neben dem schmucken Handtäschchen eben auch das Ebenbild mit vier Beinen. Tolerieren wir einmal die wandelnden bzw. herumgetragenen Schmusekissen, auch wenn sie an Überflüssigkeit nicht zu überbieten sind – die Probleme wachsen mit der Größe. Und, mit der Form des Schädels! Hier kann man ein weiteres Phänomen beobachten: Die Quadratur des Kreises. Oder noch wirklichkeitsnäher, die Variante in der dreidimensionalen Version: Würfel und Kugel! Diese hässlichsten aller Geschöpfe werden keinesfalls als modisches Accessoire gehalten, sondern passend zum Imponiergehabe der eher bildungsfernen Schichten.

Da stellt sich mir die Frage: Sollten Vierbeinern nicht generell und ausschließlich sinnvolleren, nützlichen Aufgaben vorbehalten bleiben? Als Wach-, Such-, Polizei-, Therapie- oder z.B. Jagdhunde? Meinen Segen hätten sie!

Welch schier unglaublicher Kult inzwischen mit den armen Tieren getrieben wird, ist in jedem Kaufmarkt und in speziellen Zoohandlungen zu bestaunen. Manch Zweibeiner würde sich glücklich schätzen, wenn er aus so einem Repertoire schöpfen könnte. Kleidung, natürlich von Harald Kötler, oder wie der heißt, Kettchen und Spangen, Bettchen und Rouge für die Wangen. Ein Riesengeschäft verspricht die Ernährung! Neben den feinsten Gourmet-Angeboten, zu denen getrocknete Öhrchen von argentinischen Rindern gehören – selbstverständlich reinste Bioware, bis zu Vitaminen- und Schlankheits-Präparaten. Sicher wird auch veganes Dosenfutter angeboten! Welche Abgründe sich auftun verdeutlichen uns auch Luxus-Coiffeure, Wellnessoasen und Fitnessstudios, bis zu Yoga-Kursen, genannt Doga. Dog-Lodges für den Urlaub gehören ebenfalls zum Programm. Neuster Gag ist ein spezieller Radiosender für Wuffies! „Hallo Hasso“ sendet sanfte Weisen von Coldplay und Donovan – für Deutsche Schäferhunde Reinhard Mey. Der Redakteur heißt auch noch Stephan Stock. Da kann ich nur sagen: „Hasso, hol das Stöckchen!“ Fehlt nur noch das vierlagige, softzarte Toilettenpapier in den Duftmarken Laternenpfahl ganz unten, oder Betonhausecke, oder Kübelübel für struppig behaarte Zonen unterhalb der Rute. Mir fällt dazu nun wirklich absolut nichts mehr ein!

 Ende Juni 2017, unmittelbar nach dem zehnten Termin zur Wundbehandlung.

 

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