Das fehlte mir noch. Eine Holzschraube mit geschlossener Öse. Also auf zu Obi. Mit dem Rad selbstverständlich, aber nicht in ein körperbetontes, atmungsaktives, buntes Outfit gepresst, wie es von hyperaktiven Renn-tnern bevorzugt getragen wird.
Schuld ist die Ampel. In Lahr gibt es auf allen Straßen, für alle Verkehrsteilnehmer nur eine Ampelphase: Die rote Dauer-Welle! Und so stehe ich, hoch zu Ross mit meinem Rad an eben einer solchen roten Ampel, um mit anderen Weggefährten unfallfrei zu dem EKZ zu kommen, zu Obi, Aldi, Deichmann, MediaMarkt, Dehner etc. Während dieser epischen Wartezeit flimmerten alle Klischees in meinem Kopfkino.
Die kleine Gruppe der geduldig Wartenden, ein Abbild unserer Gesellschaft. Zwei pubertierende Heranwachsende unter schwarzen Kapuzen. Ich sehe sie schon als Hartliner eines Fanclubs. Als Bengalo werfende Ultras. Eine Dame, mit Poldi, der Rennsemmel, einem Kurzhaardackel. Daneben ein hübsches, langhaariges junges Mädchen, wohl proportioniert, versunken im Labyrinth der sozialen Netzwerke. Und dann noch ein Kerl mit einem fetten Wanst in einer ausgeleierten Jogginghose und müffelndem Shirt. Ein Klassiker, der unbedenklich ein ordentliches Mitglied der Söldnertruppe Wagner hätte sein können. Ach ja, und eben ich – der arme alte weiße Mann. Potentieller Grabscher, Lüstling, Frauenbedränger. Stigmatisiert von Alice Schwatzer und Ihresgleichen*innen, den Moralapostelinnen. Ein unschuldiges, wehrloses Opfer kruder Denke.
Aber, denen habe ich es gezeigt! Ich habe nur auf den Klassiker geschaut! Fast nur. Da ich gerne schreibe und lese, kann es ja wohl auch nicht verwerflich oder gar zu verdammen sein, auch beiläufig die klassischen „Fünf Buchstaben“ zu studieren!
Grün! Ich muss mich wieder auf die Einhaltung der Strassenverkehrsordnung konzentrieren und fahre achtsam los. Wusstet ihr eigentlich, wie viele Holzschrauben mit geschlossener Öse es bei Obi gibt? Etliche! An der Kasse wäre ich nahezu einem gepriesenem Topangebot erlegen. Da ich allerdings kein Lastenrad fahre, hat sich die Versuchung rasch erledigt. Auf dem Rückweg war die Ampel wieder auf Rot. Nur wurde mir die Wartezeit dieses Mal nicht durch eine kurzweilige Millieustudie versüßt.
Um der Brandmarkung eines armen alten, weißen Mannes entgegenzuwirken, changiert mein Teint inzwischen in warmen Brauntönen. Bedingt durch Radeln, Gartenarbeit und Müßiggang. Ob der Farbwechsel auch als kulturelle Aneignung gegeißelt wird, das ist mir, Gott sei Dank, noch nicht untergekommen. Würde mich allerdings nicht sonderlich überraschen.
Und wenn mich während des Müßigganges die Muse küsst, fühle ich mich keinesfalls als belästigtes Opfer extremistischer Frauen, die es nur auf meinen Körper abgesehen haben. Denn sie sieht ausschließlich auf meine inneren Werte!
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