Ist es nicht ein Widerspruch in sich, dass ausgerechnet der Tag der Arbeit ein Feiertag ist? Allerdings wäre es umgekehrt unserem Bruttosozialprodukt auch nicht gerade förderlich. Den internationalen Kampftag der Arbeiter haben wir von den Amis übernommen. Wie so viele weitere, zum Teil höchst überflüssige Dinge. Aus den Frikadellen wurden Hamburger und die Plage McD, aus St.Martins-Umzügen Halloween, aus Körperertüchtigung Aerobic, aus Hosen Blue Jeans, aus der Prinz-Heinrich-Mütze die Baseballkappe und aus der Lindenstraße unzählige Daily Soaps.

Und was ist aus den guten alten Demos der Arbeiterklasse geworden? Ein paar ewig Gestrige, diverse Altsechziger, ein kümmerlicher Rest Gewerkschaftler – finito! Die blauen Bänder des Eduard Mörike changieren für den einen Tag in rote Fahnen, und es reicht eine Handvoll Hästräger, um die Demo in geordneten Bahnen zu halten. Die 1.Mai-Demo ist als Klassiker der großen Prozessionen, wie die Walpurgisnacht, der Laternenumzug an St. Martin oder Pegida, im Ranking deutlich ins Abseits geraten.

Am 1.Mai trifft sich die Arbeiterklasse beim Mai-Hock und trinkt Mai-Bock. In den Wohnstuben wird eine Mai-Bowle angesetzt. Favoriten sind hier Waldmeister und natürlich Erdbeere. Ananas rangiert auf Platz drei. Die örtlichen Vereine bessern mit dem ersten Outdoor-Grillen ihre maroden Vereinskassen auf, selbstgebackene Kuchen und welke Salate bereichern das Angebot. Vegane Gerichte oder eine Rücksichtnahme auf Laktose Unverträglichkeiten müssen an diesem Tag hinten anstehen. Sie haben schließlich mit dem Kampf um bessere Arbeitsbedingungen, gerechten Lohn und gleiche Bezahlung für Frauen nichts zu tun!

Schon lange bevor die Dämmerung hereinbricht, brechen die ersten Mai-Opfer zum Heimweg auf. Für heute ist genug gekämpft! Der Mai-Bock hat gewonnen. Später dann, wenn die ersten Mai-Käfer um die schweren Häupter schwirren, stimmt der ein oder andere dann doch noch ein altes Kampflied an, und auf den Bierbänken werden die Reihen fest geschlossen. In diesem Jahr werden die Hocks wohl dem Mai-Regen zum Opfer fallen. Die Kassen bleiben leer, die Würste und Schnitzel wandern in die Tiefkühltruhen der Vereinsmitglieder und die Kuchen werden unter den Helfern aufgeteilt. Der Wonnemonat tut sich schwer seinem Namen alle Ehre zu machen. Selbst der Mai-Regen verfehlt seine legendäre Wirkung. Morgen ist wieder Maloche angesagt!

 

01.Mai 2016