Auf der A5 und A8 stauen sich die Aggressionen auf mehrere Kilometer Länge. Irgendwann kann man von Passau bis Pusemuckel auf den Dächern der Kraftfahrzeuge laufen, ohne ein einziges Mal den Boden zu berühren! Aber das nur am Rande. Grund meines Nachrichtens ist nämlich ein anderer. Ein, aus gegebenem Anlass, aktueller. Ich hatte die einmalige Chance eine Verkehrsstudie durchzuführen. Während einer stundenlangen Fahrt über diverse hundert Autobahnmeilen, ausschließlich auf deutschem Gefilde. Dabei sind mir wider besseren Wissens folgende Gesetzmäßigkeiten aufgefallen, die ich so penetrant nicht mehr auf dem Schirm hatte.

Die Wohnwagengespanne mit den gelben Nummernschildern bevölkern immer noch zahlreich alle Fahrspuren. Daran haben wir uns ja nun mittlerweile schon gewöhnt. Neues gibt es bei den Rentnern. Hier  hat ein Paradigmen-Wechsel stattgefunden. Sie bevorzugen inzwischen nicht mehr die altgediente Traditionsmarke Opel, sondern fahren auf die statusmäßig deutlich höher eingestufte Marke Mercedes ab. Bei dieser dominieren die A- und B-Klassen. Hinlänglich auch verspottet als fahrende Garagentore. In Ermangelung einer Hutablage, die der kompakten Bauweise zum Opfer gefallen ist, liegen die Strohhüte achtlos auf der Rückbank. Wackeldackel und umhäkelte Klorollen gehören gänzlich der Vergangenheit an. Auch das Kissen mit der liebevoll geklöppelten KFZ-Nummer musste ersatzlos weichen. Sie führen nun ein gar tristes Dasein in einer wenige besessenen Sofaecke. Bei der Zielgruppe der sportliche „Best Ager“ ist unübersehbar eine Tendenz zum SUV zu verzeichnen. Der rückenfreundliche höhere Ein- respektive Ausstieg und das Kofferraum-Volumen sei Dank. Es lassen sich die Utensilien für ausgedehnte Radtouren, Bergtouren sowie Rafting oder Drachenfliegen problemlos verstauen. Außerdem erreicht man die entlegensten, schwer zugänglichen Ausgangspunkte für alle möglichen Adventures.

Mit der bevölkerungstechnischen Entwicklung hin zum Erst- bzw. sogar Zweitkind wächst auch die Liebe zum Van, welches gleichzeitig zum überaus praktischen Helikoptereltern-Shuttle mutiert ist. Die neusten Modelle sind täglich vor Kitas und Grundschulen zu bestaunen. Diese Familienkutschen erkennt der versierte Autonarr an den TV-Monitoren im rückwärtigen Teil der Kopfstützen der Vordersitze. Auf den Heckscheiben prangen die Namen der kleinen Racker: Bronx oder Shannon an Board. Was waren das noch für Zeiten, in denen ein  smarter Sylt- oder Allgäu- oder Toskana-Aufkleber auf einem Audi 80 das beliebte Urlaubsziel dokumentierte? Nähert man sich heute einem Van von hinten, dann kann man schnell dem Trugschluss erliegen, man hätte ein autonom fahrendes Fahrzeug vor sich. Bei intensiverer Betrachtung bemerkt man dann jedoch den Lenkradbeisser versteckt hinter der Kopfstütze, eingepfercht zwischen Multifunktionslenkrad und elektronisch verstellbaren Sportsitzen. Vorsicht ist die Mutter der Vans. Behutsam befördern sie die muntere Kinderschar auf der Rückbank über die mittlere sowie linke Fahrspur. Mit einem unangepassten Tempo, jederzeit bereit mit ordnender Hand die Herrschaft über die Lieben und den links und rechts vorbeirauschenden Verkehr zu meistern, während „Benjamin Blümchen“ seine Zoten über die Bose-Anlage lautstark im Fond des Vans verbreitet. Sie leiden, wie gerne auch die A- und B-Klasse Fahrer, unter akuter bzw. latenter Rechtsfahrintoleranz.

Kleinwagen und Kleinlaster erkennt man sofort an der kommunikativen Art ihrer Chauffeure. Das mobile Telefon stets am linken Ohr, die rechte Hand am Schaltknüppel. Häufig auch die Überkreuzvariante, Handy mit rechter Hand zum linken Ohr, wenn die linke Hand für Blinker oder Radio oder Fensterheber oder für den Burger vom goldenen M oder so benötigt wird. Im anderen Fall wird auf die Benutzung des Fahrtrichtungswechselanzeigers verzichtet. Man hat ja schließlich nur zwei Hände! Orientierung bietet der durchgezogene Mittelstreifen. Berührt man ihn mit dem rechten Vorderreifen ist eine spontane, hektische Lenkkorrektur erforderlich, in der Hoffnung, dass die rechte Fahrspur entweder partiell frei ist, oder der Befahrer über ein ausgezeichnetes Reaktionsvermögen verfügt oder sich zwischen den polnischen LKWs eine unerwartet große Lücke ergibt. Falls nicht, dient das Handy dazu, via Whats App eine Kurznachricht über das verspätete Eintreffen abzusetzen. Zu empfehlen ist, gegen Aufpreis, der Fahrspurassistent. Alternativ wäre auch eine Freisprecheinrichtung akzeptabel. Aber was fängt man dann mit den Händen an?

Bleiben wir bei einem Fahrspurwechsel nach rechts. Bitte vorher unbedingt in den Rückspiegel schauen, und mit dem Kopf über die Schulter vorsichtig Kontakt zum fließenden Verkehr rechts aufnehmen. Rechts ist auch unter dem Begriff „das andere Links“ geläufig. Hier tummeln sich nahezu ausschließlich LKWs. Doch voller Entsetzen musste ich registrieren, dass hier, von seltenen Ausnahmen abgesehen, die man höchstpersönlich, individuell mit Handschlag begrüßen könnte, keine in Deutschland zugelassenen Trucks unterwegs sind. Diese Spur gehört den osteuropäischen Sechs- bis Achtachsern, und hier im Besonderen denen mit dem Nationalitäten-Kennzeichen PL. Also: NL Links, Mitte und gelegentlich Rechts, PL Rechts, gerne aber auch Mitte.

Nun geht es von ganz Rechts nach ganz Links. Nicht politisch bitte! Umgekehrt aber erst recht nicht! Also bitte! Diese Spur bietet den konföderierten Eidgenossen ein Eldorado der unreglementieren freien Fahrt. So denn keine A- oder B-Klasse, kein Kleinlaster oder Grachtenrutscher oder Van, mit Aufkleber „Kevin an Board“, oder Flixbus das Recht auf freie Fahrt für freie Bürger bremst. Vergessen möchte ich auch nicht die Reisebusse mit den Best Agern, der sogenannten Heizdecken-Mafia. Diese hatten den entscheidenden Vorteil, dass sie zwar auch die linke Fahrspur bevölkerten, aber in sehr konzentrierter Form. Und so, mathematisch berechnet, weitaus weniger Hindernisse darstellten.

Neben der nahtlos geschlossene Front der parallel TV-schauenden oder grillenden Osteuropäer gleitet die Kolonne einträchtig über viele Kilometer dahin, unabhängig vom Volumen des Hubraumes, der Anzahl der Zylinder sowie der „Babys an Board“ oder der Pferdestärken ausgewiesen in KW. Schön, dass Lichthupen lautlos sind.

Nachtrag zur rechten Spur: Sie ist bereits und wird wahrscheinlich zunehmend die Spur der Ökos. Wer ein E-Mobil sein Eigen nennt, der spart auch nachhaltig an Geschwindigkeit und bummelt gemächlich zur nächsten Ladestation. Beängstigend kritisch wird es erst, wenn die äußerst stabilen, Hochglanz verchromten Stossstangen der Lastkraftwagen im Rückspiegel an Format zunehmen und die Scheinwerfer-Batterie taghell aufflammt. Dann ist es an der Zeit Gas, bzw. Strom zu geben.

Die Rückfahrt, an einem Sonntag, verlief ganz anders. Sonntags dürfen keine LKWs fahren. Das nutzen die Wohnwagengespanne weidlich aus und verlegen ihre Urlaus-Anreisepläne auf die LKW freien Sonntage. Auch die Hausfrauen dürfen zur Kaffeefahrt zur Tante, die man schon länger nicht mehr heimgesucht hat, wieder einmal ans Steuer. Damit sie das Fahren nicht gänzlich verlernen. Da wünscht man sich, dass das autonome Fahren bereits den Kinderschuhen entwachsen wäre.

Bleibt mir noch euch weiterhin frohe und staufreie Fahrt zu wünschen. Bleibt aufmerksam im Verkehr!