Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich aus dem Einkaufsdschungel Supermarkt berichtet habe. Hier, in der Edeka-Arena (welch überaus treffender Name!) in Lahr, findet mein wöchentliches Überlebenstraining statt. In der Vorweihnachtszeit kann man hier die einzig wahre Apokalypse er- bzw. überleben.
Gespickt mit Angeboten und einem in optimierter Laufrichtung verfassten Einkaufzettel, der bei Obst und Gemüse beginnt, sich über Kaffee zu den Milchprodukten schlängelt, über die Teigwaren zur Fleisch- und Fischtheke, von da zu den Konserven und schließlich, auf dem Weg zur Kasse tangiere ich die Haushaltswaren und Kosmetika. Der TK-Bereich wird ausschließlich nach den Eis-Angeboten abgescannt, während ich die Regalwände, prall gefüllt mit überflüssigen Heftchen, die wiederum prall gefüllt sind mit den unwichtigsten Infos über höchst überflüssige Mitglieder unserer Gesellschaft, die einen ganz überflüssigen Beitrag zur Verdummung der unmündigen, jedoch leider wahlberechtigten Bürger beitragen, ignoriere. Diesen Satz musste ich mehrmals lesen, um noch das korrekt passende Ende zum Satzbeginn zu finden. Wer dieses Survival nicht scheut, den kann im Verlaufe des weiteren Lebens nichts mehr bezwingen.
In den kühlen Morgenstunden findet sich die muntere Schar der Rentiere ein, die mit präseniler Bettflucht gestraft, schon bei der Parkplatzsuche an ihre Grenzen stoßen. Auch stoßen sie hier und da an noch präsenilere Bettflüchterfahrzeuge, die gerne ihre treuen Weggefährten über mehrere Plätze platziert haben. Altersgerechtes Ein- und Aussteigen (natürlich in umgekehrter Reihenfolge), sowie lebensmittel-schonendes Einladen stehen Pate bei der Parkplatzwahl. Möglichst in der ersten Reihe, denn ein „Drive In“ ist in der Arena noch in wager Ferne, da erst noch Lösungen für das Erreichen der Sonderangebote in den untersten Fächern gefunden werden müssen. Ich sage nur „Rücken“!
Dass die Einkaufswagen ohne Münzen oder auch die beliebte Plastikcoins zum Einsatz bereit stehen, ist besonders hervorzuheben. Hier vermeidet man bewusst die ersten Kollisionen mit den münz- und plastikcoinlosen Zeitgenossen. Die Einkaufswagen, besser als Rammen tituliert, bieten nicht nur Schutz für Leib und Leben, sondern auch als Offensivwaffe zwischen den Regalen und Theken und in der Kassenkampfzone. Vernarbte Fersen und blutige Kniescheiben zeugen von unbarmherzigem Einsatz. Mitunter wird die Artillerie durch flankierende Attacken mit den Gehhilfen unterstützt.
Hat man erst einmal die Todeszonen zwischen den Regalreihen unverletzt hinter sich gelassen, wartet das ultimative Gefechtsfeld auf die Bettflüchter: Die Kassenzone! Ist der Vordermann bzw. die Vorderfrau erst einmal zielsicher durch die Einflugschneise des Terminals gerammt, wird die Beute behutsam aufs Band positioniert. Nach dem Scannen sorgsam wieder in die Ramme verstaut. Dann beginnt die verzweifelte
Suche nach dem Geldbeutel. Nach erfolgreichem Kurzeinsatz der optischen Hilfe muss noch einmal der Preis nachgefragt werden, bevor man versucht im Dunkel des Hartgeldfaches die passenden Münzlein aufzustöbern. Die Differenzierung der einzelnen Wertigkeiten fällt nicht generell leicht. Und so kann es vorkommen, dass ein munteres Hin und Her auf dem Kassenband mit allen verfügbaren Münzlein stattfindet. In dieser unproduktiven Zeit sind die folgenden Rammen im Dauereinsatz. Der Dominoeffekt kann hier beispielhaft beobachtet werden. Er startet beim zuletzt Anstehenden und setzt sich wellenartig bis zum Kleingeldsucher fort, der bei seinen Ver-Suchen nachhaltig gestört noch einmal von ganz vorne beginnen muss. Mit der Frage nach dem Preis.
Offensichtlich gilt es, seine erlegten Sonderangebotsschätze unverzüglich in Sicherheit zu bringen. Glücklich aber erschöpft genehmigen sich die rüstigen Überlebenden dann noch ein Tässchen Kaffee nebst laktosefreiem Käsekuchen in der neutralen Sicherheitszone des Indoorcafes. Erfüllt schlendert man zum PKW, nimmt bequem Platz und steuert geradewegs in das nächste Chaos. Beim Ausscheren aus dem überdimensionalen Park-Park gelten eigene Verkehrsregeln. Und mit dem ganzen altersbedingten, zeitlupenhaften Rangieren. Der Blick nach hinten wird durch akustische Signale ersetzt. Nachfolgende Parkwillige machen dann durch lautes Hupen auf sich aufmerksam. Diese wiederum können nicht mehr zurücksetzen, da die nächste grüne Ampelphase bereits die nächste Welle Angebotswütiger in die Zwischenwege der Parkarena spült. Inzwischen ist die Situation sowohl unübersichtlich als auch hoffnungslos! Verkeilte Verkehrsteilnehmer, die der Lage nicht mehr Herr werden, verlassen bereits ihre fahrbaren Untersetze und drohen handgreiflich zu werden. Ich entziehe mich dem Chaos durch geschicktes Manövrieren und überlasse den Überforderten das Terrain. Nach mir die Sintflut. Unrecht vor rechts. Wie im richtigen Leben! Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf. Bis zur nächsten Woche!
Hi Armin, du warst doch nicht etwa gestresst, oder?
Liebe Andrea, der Stressfaktor liegt regelmäßig im oberen Bereich. Doch mit Nerven wie Drahtseile opfere ich mich
wöchentlich im Kampf um Angebote und Überlebensmittel. Einer muss es ja machen!