scharfsinnig - unsinnig - kurzweilig

Nachbar……schafft.

Pünktlich wie ein Maurer erschien der Gärtner. Fast hätte ich fasten müssen, denn wir hatten verschlafen. Es reichte aber gerade noch für ein rasches, gluten- und laktosefreies Frühstück und so konnte ich ihm gestärkt assistieren. Schon seit ein paar Monaten waren mir die drei Zypressen ein Dorn im Auge. Die grazilen Bäume waren zu stattlicher Größe  gewachsen und hatten ihre schlanke Eleganz gänzlich verloren. Das ganze Gewicht der dünnen Zweige, die mit etlichen schweren Früchten behangen waren, zogen diese unbarmherzig nach unten. Die mediterrane Gesamtoptik war dahin. Deshalb war der Plan sie in ihrem Wuchs zu bändigen und mindestens das obere Drittel zu kappen.

Als Rentner mit floraler Vollausstattung an Garten-Utensilien nebst -Equipment stoße ich jedoch regelmäßig an meine Grenzen, wenn es in die Höhe geht! Selbst auf einer Bockleiter schütteln mich Angstkrämpfe, wenn es über die vierte Sprosse hinausgeht. Und so hatte mir ein Nachbar seine vertikale Hilfe angeboten. Er ist schon schwindelfrei auf die Welt gekommen und kannte sich mit allerlei Gehölzen prächtig aus. Meine Aufgabe bestand darin eine dreifachausziehbare Alu-Leiter zu sichern. Und, natürlich später das Geäst zu zerkleinern und zu entsorgen. Die nahe Deponie hatte leider nur bis 13:30 Uhr geöffnet und so war Hurtigkeit angesagt. Wie Motten ums Licht, so flogen mir die abgesägten Äste um die Ohren und die schlanke Schönheit der drei Grazien entfaltete sich in wenigen Minuten wieder zu ihrer vollen Pracht. Mein Chef, für ein paar Minuten, betrachtete sein Werk wohlwollend und überließ mir gönnerhaft die Zerkleinerung und Entsorgung des Schnittes. Ich möchte euch nicht weiter auf die Folter spannen – ich schaffte es locker bis zu Schließung der Deponie! Allerdings ließ sich eine gewisse Erschöpfung nicht verleugnen. Ich bin eben auch nicht mehr der Jüngste und freute mich auf einen erholsamen Samstagnachmittag im Liegestuhl auf der Terrasse, denn die Wetterfrösche hatten zum kalendarischen Herbstbeginn diverse Tiefs prognostiziert. So sollten die letzten Sonnenstrahlen Körper und Gemüt wieder aufhellen.

Die Chronologie eines entspannenden Nachmittags verlief jedoch nicht ganz so harmonisch sowie ruhestörungsfrei. Nachbarschafft ist, wenn der Nachbar schafft! Zu meiner großen Überraschung schredderte, hexelte bzw. mähte unser unmittelbarer Nachbar  ausnahmsweise an diesem herrlichen Tag nicht. Im übernächsten Garten jedoch versuchte die Besitzerin, deren Gatte unter der Woche in sicherer Entfernung sein Büro und eine Zweitwohnung hat, mit einer Akku-Handschere gefühlte 12 Hektar Wald zu roden, um ihrem Hausfrauen- und Singelleben einen Sinn zu geben. Erstmals war ich dankbar, dass Akkus nur für eine begrenzte Dauer einsatzbereit sind und der Ladevorgang einem E-Mobil an Zeit nichts vormacht.

Zur Rechten unseres Gartens hatte ein neues, mittelalterliches Paar die Zweizimmer-Mietwohnung bezogen. Die Verhältnisse bleiben bisher noch im Nebel verborgen. Da sie keine herbstlichen Aufgaben im Grünen zu erledigen haben, scheint sich ihr Dasein auf das Herumstehen auf der Terrasse zu beschränken und synchron zu rauchen. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass sie hierbei einen ordentlichen Takt an den Tag legen. Zuverlässige Zeugen sollen sie auch schon nächtens dabei erspäht haben. Je nach Witterung weht eine tabakschwangere Brise zu uns herüber. Parallel zum Nikotingenuss traten drei fast erwachsene Kinder gegen einen Ball, um ihre halbwüchsigen, überschüssigen Kräfte zu bändigen. Fouls und Tore wurden von entsprechendem Gebrüll begleitet. Es war nicht zu überhören, dass unter Geschwistern nicht generell familiäre Eintracht und Harmonie herrscht. Ein Videobeweis stand zur Klärung umstrittener Szenen nicht zur Verfügung.

Im selben Haus, nur auf der entgegengesetzten Seite, tyrannisiert ein plötzlicher Deutscher die Bewohner seit ein paar Jahren. So wie Putin die Krim annektiert hat, so hat der eigenwillige Zeit-Genosse die freien Flächen des „Gartens für alle“ in eine private Kolchose verwandelt. Am Wochenende steht auch hier Grillen auf dem Essensplan. Wer allerdings glaubt, dass dies, wie üblich, mit einem Webergrill, elektrisch, mit Gas oder konventionell mit Holzkohle praktiziert wird, der sieht sich arglistig getäuscht. Palettenreste und andere undefinierbare Holzabfälle werden regelmäßig zunächst zu Holzkohle geköhlert. Hierzu ist ein gewisser Vorlauf von ein paar Stunden notwendig, um die orthodoxe, fetttriefenden Schaschlikspiesse und den Bauchspeck bei Zeiten auf den Teller zu bringen. Zugegeben, diese Gerüche würde ich dem Zigarettendampf jederzeit vorziehen. Bis es allerdings soweit ist, wird zum Verkohlen der Latten schätzungsweise eine Gallone Altöl verwendet, um das Feuer umweltgerecht in Gang zu setzen. In dieser Phase verdunkeln dichte Nebelschwaden die Gemeinde und übertünchen gar den Tabakduft.

Untermalt wird das ganze Szenario von einem permanenten unmelodischen Kläffen irgendeines Köters, die es in reichlicher Zahl inzwischen nahezu in jedem Haus gibt. Gartenarbeiten und Sportschau oder entspanntes Chillen erlauben es den Herrchen / Frauchen nicht, mit ihren nervenden Viechern Gassi zu gehen. Man kann sich eben nicht um alles kümmern! Ein Problem auf der anderen Seite der Leine!

Und so senkte sich die Sonne im Rheintal malerisch hinter den Zypressen und ein erholsamer Samstagnachmittag neigt sich dem Ende zu. Das Landleben und eine gute Nachbarschafft haben eben auch ihre abwechslungsreichen Seiten. Auch die Zypressen werden es überleben. Und wenn nicht, dann eben nicht! Eventuell könnte ich dann die morschen Stämme zum Grillen ………….!

2 Kommentare

  1. Barbara Korff

    Ich sage nur: durchhalten!!! lieber Armin.
    Ein leises Aufstöhnen: “ Gott sei Dank haben wir mit Deinen Nachbarn nichts mehr zu tun“, wirst Du mir verzeihen.
    Ganz liebe Grüße
    Barbara

    • Armin

      Liebe Barbara, vielen Dank für deine Anteilnahme! Mit ein paar Nachbarn als Puffer zu euch befindet ihr euch akustisch und optisch
      in sicherer Entfernung zu der russischen Enklave. Es sei euch vergeben! Zur Busse erwarten wir ein bis zwei Gläschen Wein, damit wir die
      Freiluftsaison überstehen.
      Seid umärmelt!
      Armin

Schreibe einen Kommentar zu Barbara Korff Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert