Um vorweg die jüngere Generation aufzuklären: Absolution ist keine Lotion. Es ist keine Kreation der Kosmetik-Industrie. Es ist die Freisprechung der Menschen von ihren Sünden durch den Vertreter Gottes auf Erden. Zumindest für den gläubigen Christen, speziell für die Römisch-Katholischen Schäfchen.

Man mag es kaum glauben, aber auch ich gehörte zu dieser Herde. Da ich einfach, ohne meine explizite Zustimmung einzuholen, in die Herde hinein geboren wurde. Ohne die Zustimmung meiner Erzeuger war es auch nicht so ohne, in eine andere Herde zu konvertieren, oder gar gänzlich gottlos durchs Leben zu vegetieren. Als zahlendes Mitglied musste man sich der Satzung des Vereins unterwerfen. Jedoch mit zunehmendem Alter wuchsen neben Bart und Schamhaaren auch zusehends die kritischen Fragen nach dem Sinn bzw. Unsinn verschiedener Spielregeln.

Neben dem sonntäglichen Besuch des Gottesdienstes gehörte am Samstag der peinliche Weg in den Beichtstuhl. Zur besten Sportschauzeit pilgerten Scharen reumütiger Sünder gen Gotteshaus. Darin lauerten bigotische Schwarzkittel, um sich an so mancher menschlichen Sünde zu ergötzen. In sogenannten Beichtstühlen, die heute an Geräteschuppen im Kleingärtnerverein erinnern, verbarg sich die Pfaffenbrut hinter einer Trennwand. Diese muss man sich so vorstellen wie eine Rosenspalierwand aus dem Obi oder Dehner für um die14,49 € im Sonderangebot. Links und rechts befinden sich Kabinen für die Delinquenten. In der Mitte dazwischen thront der Lossprecher. Wechselweise werden die mit Schande bedachten zu Einzelgeständnissen gebeten. Beichte genannt. Besonders offene Ohren trafen pikante Geschichten aus pubertären Anwandlungen, die nicht selten mit gezielten Nachfragen haarklein bis ins letzte Detail erörtert wurden.

Da ich mich weder Willens noch aus Termindruck (Sportschau) in der Lage sah eine ausufernde Audienz über mich ergehen zu lassen, fasste ich schon im vorpubertären Stadium den Plan, die Aufzählung der Sünden auf ein Minimum zu vereinfachen. Auf diese Weise konnte ich lüsternem Interesse entfleischen, und mir auch das ekelhafte Keuchen ersparen. Die Zusammenfassung der Einzelsünden zu übergeordneten Gruppen erwies sich zusätzlich als zielführend. Beide Konzepte hatten auch zur Folge, dass sich das Strafmaß in Grenzen hielt. Der Trick, der das gesamte Vorgehen auch vor dem Herrn kirchenrechtlich absicherte war genial: Als allerletzte Sünde gestand ich reuevoll: „Ich habe gelogen“! Damit waren alle zuvor ausgesagten Vergehen gedeckelt. Ein geiler Plan! Oder?

Bedenkzeit.

Nach einem Absatz Bedenkzeit, um sich die ganze Tragweite dieser genialen Strategie zu verinnerlichen, möchte ich noch auf weitere Vorteile dieses Planes verweisen. Ersparung von Peinlichkeiten, Zugewinn an erlebenswerter Freizeit und natürlich ein reines Gewissen. In Ermangelung schwererer Vergehen an Leib und Seele und den Statuten des Vereins, fiel das Strafmaß entsprechen übersichtlich aus. Mit drei „Ave Maria“ und drei „Vater unser“ kam ich glimpflich davon. Da ich das Paket der Sünden zu meinem Dauerangebot erkor, gelang mir auch das Herunterbeten zusehends flotter. In der heutigen Kulturszene würden die meisten Rapper ihre Baseball-Kappen vor Neid in die Ecke werfen, mit welch atemberaubender Geschwindigkeit die Verse zum Abschluss gelangten. Repressalien von höherer Stelle blieben überraschend aus, sodass ich Peru a Peru begann, einzeln Strophen zu reduzieren, später in wesentlichen Teilen ganz zu unterschlagen und im weiteren, finalen Schritt fiel das komplette Beicht-Prozedere zu Gunsten der Sportschau zum Opfer. Mit der Reduktion der pubertären Hautunreinheiten rückten schließlich andere Körperlichkeiten an die Stelle der Sportschau. So ist das Leben.

Die Zeiten ändern sich dramatisch. Einerseits werden heutzutage die Kuttenträger für ihr Verhalten, nicht nur in den Geräteschuppen, in aller Öffentlichkeit gegeißelt – andererseits macht man aus seinen Sünden keine Mördergrube mehr, sondern schlägt daraus Profit. So viele “Ave Maria“ und „Vater unser“ wären ohne Übernachtung gar nicht abbetbar, wie sie mehr oder weniger bekannte Personen in Talk-Shows breitreten, in Bücher niederschmieren und / oder auf Hörbücher röcheln. Sind sie schmutzig genug, reicht es in besonders abgründigen Fällen sogar auf Celluloid. Dabei wächst der Grad der Schlüpfrigkeit mit Überflüssigkeit der Sünder.

Bleibt die Frage: Wie sieht das mit der Absolution aus? Ich hoffe da immer noch auf eine höhere Instanz. Natürlich nur, wenn ich nicht nachträglich zur Rechenschaft gezogen werde.