Es ist der Gnade der frühen Geburt geschuldet, dass ich an der Entwicklung der indirekten Kommunikation passiv und aktiv teilhaben durfte. Für meine ersten frühkindlichen Erfahrungen mit einem Online-Telefon genügten eine Leine (Schnur) und zwei Weissblechdosen, die ursprünglich kalifornische, geschälte, halbe Pfirsiche beherbergten. Die Reichweite unserer ersten Kommunikations-Anlage war generell verbesserungswürdig, aber ein Anfang war gemacht. Einen wesentlichen Vorteil jedoch hatte sie gegenüber heute üblichen Gerätschaften: Es konnte nur jeweils ein Teilnehmer sprechen bzw. hören. Man musste also seinem Widerpart definitiv Aufmerksamkeit schenken, zuhören. Ausspähen von fremden Mächten und das Mitschneiden der Gespräche durch internationale Geheimdienste gehörte noch in das Reich perverser Fantasien.
Online heute bedeutet, frei übersetzt: an der Leine liegen. Für jeden jederzeit erreichbar – gewollt und ungewollt. Beim Spaziergang, im Kreuzgang, beim Stuhlgang und sogar während des Nachspülgangs! Auf dem Heimweg, dem Radweg oder dem Holzweg.
Die Schlinge der digitalen Fesseln zieht sich durch die sogenannten sozialen Netzwerke weiter erschreckend zu. Die Kommunikation reduziert sich auf max. 140 Zeichen. Was für den Gehalt der Informationen allerdings auch mehr als ausreichend ist. Dennoch nimmt die Sucht diesen ganzen hirnrissigen Müll zeitnah und ungefiltert bzw. unkritisch zu konsumieren exorbitant zu. Es ist sicher leichter sich das Rauchen abzugewöhnen, als auf die ununterbrochenen Nachrichten seiner „Freunde“ und Follower zu verzichten. Besonders eindrucksvoll kann man dies auf Flughäfen beobachten. Kaum gelandet werden in hysterischer Hektik die smarten Phone hochgefahren, in der vagen Hoffnung, man könnte Unwichtiges verpasst haben. Für risikobereite Startupper wäre es doch eine geniale Geschäftsidee Restaurants zu eröffnen, die Astronautenkosten in Schnabeltassen anbieten. Dann hätten die Bedauernswerten eine Hand frei, um ihren Freunden umgehend mitzuteilen, dass sie gerade in einem Restaurant Astronautenkost aus Schnabeltassen konsumieren.
Von unschätzbarem Vorteil sind ohne Zweifel viele Funktionen, die alle möglichen und unmöglichen Daten erfassen. Für wen dies allerdings zum Vorteile gereicht ist zweifelhaft. Wird jedoch auch nicht weiter hinterfragt. Wer wann wo ist bzw. war. Jeder Schritt, die Kalorien, der Puls, der Blutdruck, die Höhenmeter, um nur einige zu nennen. Sinnvoll wäre, neben den Werten für seine sportlich-gesundheitlichen Aktivitäten, auch die Anzahl der gesprochenen Worte und der gefassten Gedanken zu erfassen. Also der sinnvollen Gedanken selbstverständlich!
Dass man die Wetteraussichten, die Staus, die aktuellen Benzinpreise, die Börsenkurse und weitere diverse Nützlichkeiten stets parat hat, zählt inzwischen zu den lieb gewonnenen Informationen. Darüber hinaus erschließen sich aber zukunftsweisende Errungenschaften, die unser Leben dramatisch ändern werden: Die Steuerung und Überwachung der Haushaltsgeräte aus der Ferne! Drei Beispiele sollen genügen, um die unermesslichen Schätze dieser Funktionen bergen zu können:
- Der Kühlschrank meldet, dass das Haltbarkeits-Datum der subventionierten Laktose freien Biomilch aus nachwachsenden Steuermitteln abgelaufen ist. Es werden verschiedene Einkaufsmöglichkeiten vorgeschlagen, mit Aktionspreis-Vergleichen, sowie der Ökobilanz des zum Erwerb nötigen Umweges.
- Die Waschmaschine meldet den Verlust einer einzelnen Socke. Automatisch liegt die Nachbestellung im Warenkorb eines Lieferanten des Vertrauens. Ein Klick auf „Artikel jetzt kaufen“ und eine logistische Meisterleistung sorgt dafür, dass die fehlende Socke sehr wahrscheinlich vor dir Zuhause eingetroffen ist.
- Die Pflegeanleitung der Socke aus fairer Produktion und von zertifiziert veganen Schafen wird unmittelbar an die Waschmaschine übermittelt und gespeichert. Für den manuellen Aufhängvorgang ist bisher noch leider keine App auf dem Markt.
- Die vollvisualisierte Rundumvideoüberwachung für den Innen- und Außenbereich von Haus oder Wohnung garantiert 100%ige Übersicht über alle Bewegungen. Unerwartete Besucher, ich denke hierbei nicht zwingend an die liebe Schwiegermutter, werden live übertragen. Es obliegt dem Eigentümer weitere Schritte einzuleiten. Bei Besuchern mit überwiegend unlauteren Beweggründen können die digitalen Aufzeichnungen allerdings nicht als gerichtliche Beweise verwendet werden. Dem Datenschutz vor einer Verletzung der Persönlichkeitsrechte z.B. rumänischer Jugendbanden sei Dank.
Wenn man sich einmal vor Augen führt, dass aller Ursprung in zwei Dosen und einem Stück Schnur zu finden ist, in nicht einmal einer humanen Generation, dann muss uns vor der Zukunft nicht bange sein. Kreativem Fortschritt ist weiterhin Tür und Tor geöffnet!
Kein Scherz: 01. April 2017
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