Reisen bildet! Sagt der Volksmund. Und das kann ich nur bestätigen. Obwohl ich nun schon x-fach von unserem Sylt-Urlaub berichtet habe, stelle ich dieses Jahr die Reportage unter das Motto: „Reisen bildet“ und betrachte meinen Aufenthalt als ernsthafte Milieu Studie. Mit wirklich sensationellen wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Die erste Erfahrung mussten wir bereits, am eigenen Leibe, für den Transfer zur Inseln sammeln. Erstmals seit X Jahren haben wir den Autozug der Deutschen Bahn gewählt. Bisher vertrauten wir dem privaten Anbieter, den „Blauen“ unsere Überfahrt an. Ein fataler Fehler, der aber auch alle Vorurteile gegenüber der DB bestätigte. Während die „Blauen“ drei Züge vor unserem über den Deich brachten, mussten wir, sage und schreibe, über drei Stunden stehen, bis endlich ein Zug einsatzfähig war. Ich habe in der erzwungenen Wartezeit eine konspirative Terrorgruppe gebildet, die notfalls auch nicht vor Gewalttaten zurückschrecken würde!
Sylt ist, wie ihr sicher vermutet, ein ganz spezielles Terrain für ganz spezielle Milieustudien. So kristallisierte sich besonders unter den Erwachsenen eine eklatante Leseschwäche heraus. Die absolut meisten Schilder weisen darauf hin, dass Hunde generell an der Leine zu führen sind! So kann man sich irren! Die Vermutung, dass es durch den Trend zum Zweithund, an Leinen mangeln könnte, hat sich absolut nicht bestätigt.
Bei den aktuell beliebten Hunderassen rangieren nicht mehr die Pudel auf Platz eins. Mischlinge sind in! Nein, keine geretteten Straßenköter aus Rumänien, sondern in voller Absicht gezüchtete Abarten, wie z.B. Pinscher + Boxer oder Spitz + Stumpf oder Mops + Windhund oder Schweinhund + Steuersünder.
Die Abartigkeiten bei den Vierbeinern sind eine Erscheinung, wie sich die breite Masse im Herdentrieb steuern lässt. Eine weitere musste ich bei den Namen der lieben Kleinen registrieren. Im benachbarten Strandkorb bestraften die Helikopter Eltern ihren Sprössling (weiblich) mit dem Vornamen: „Appolonia“! Ob es über eine App bestellt wurde, oder im Rausch durch Apollinaris oder Aperol Spritz gezeugt wurde, ließ sich nicht näher in Erfahrung bringen. Der Anstand verbot es mir weitere gezielte Recherchen anzustellen.
Nach den Studien der Hunderassen und Kindernamen habe ich mich intensiv der Mode zugewandt. Wie gewandet sich die Sylter Urlauberschaft? Die über einen längeren Zeitraum bevorzugten luftigen Kleidchen mit „Delfter Kachel-Print“ sind sowas von Old Fashion! Und selbst das Großwilddekor ist out. Ganz einfach daran zu erkennen, dass an den Sale-Ständer die Raubtierrabattschlacht ausufert. Aber auch „natürliche“ Gründe sprachen gegen diesen Trend. So, mangelte es beim Giraffenhals-Motiv an der nötigen Länge der Kleidungsstücke. Auch der Zebrastreifen-Look ist in Windeseile von den Shoppingmeilen verschwunden. Nachdem etliche Passantinnen beim Überqueren der Straße unter die Räder gekommen sind.
Die selbstoptimierte Frau trägt 2025 Spitze! Also Kleidungsstücke, die aussehen wie Omas Gardinen, die in stylischem Erscheinungsbild mit der Schrankwand „Eiche rustikal“ in „Gelsenkirchener Barock“ harmonieren! Man muss sich diese Kleidung vorstellen als verschieden großen Löchern mit gehäkelten Applikationen drumherum. Abgekupfert bei sogenannter „Brüsseler Spitze“. Als Faustformel für das Preisgefüge gilt: Je mehr und größer die Löcher, desto höher der Preis. Ok, auch das Material ist nicht zu vernachlässigen. Die Möchtegernvarianten sind auf Kunstfasertüll gedruckte topflappenmäßige Bordüren. In jedem Fall bleibt es eine Geschmacksfrage, denn auch nicht jede betuchte Trägerin entspricht den bürgerlichen ästhetischen Grundsätzen des menschlichem Zusammenseins. Und so trampeln die geschmackslosen Trendopfer durch die Fußgängerzonen.
Ach ja, fasst hätte ich vergessen zu erwähnen, dass die Berufstöchter ihre Lippen gerne optimieren. Auf Sylt nimmt man sich die roten Rettungs-Schlauchboote der Bay Watcher als löbliches Vorbild.
Harmlos dagegen präsentiert sich die Männerwelt. Sie sind nicht ganz so simpel gestrickt, was die Modeaffinität angeht. Langärmelige, hellblaue Hemden und / oder Kaschmirpullover prägen das Standard Outfit. Variantenreich ist lediglich die Pracht der Haupthaare. Undercut oder kahl oder, sehr gerne gegelt und straight nach hinten gekämmt. Bei den Silberrücken mitunter auch hinten länger, mit smarter Kräuselung am Hemdkragen. Im Zentrum mittig mit ansatzweise lichten Hainen. Soweit, so gut.
Schaun wir mal, was sich 2026 auf Sylt Neues ergibt. Ich werde berichten!
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